Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiter sog. Belegschaftsrabatt bei Stromlieferung von Muttergesellschaft und nicht von Arbeitgeber-Tochtergesellschaft-Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Gleichheitssatz
Leitsatz (amtlich)
Gewährt der Arbeitgeber (Stromversorgungsunternehmen) seinen Arbeitnehmern für Strom einen im normalen Geschäftsverkehr nicht erzielbaren Preisnachlaß (Rabatt), so steht der sog. Rabattfreibetrag nach § 8 Abs.3 Satz 2 EStG einem solchen Arbeitnehmer nicht zu, der außerhalb des Versorgungsbereichs des Arbeitgebers Strom bezieht, den der Arbeitgeber nicht produziert hat und den der fremde Lieferer mit dem Arbeitgeber verrechnet.
Orientierungssatz
1. Ein vom Arbeitgeber gewährter Preisnachlaß begründet nur dann keinen Vorteil i.S. des § 19 EStG, wenn er auch im normalen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte und deshalb auch andere Personen als die Arbeitnehmer des Verkäufers diesen Vorteil bekommen können (vgl. BFH-Urteil vom 2.2.1990 VI R 15/86). Ausführungen zur engen Auslegung des § 8 Abs. 3 EStG und zum Fehlen einer Konzernklausel.
2. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Bei der Entscheidung, welche Sachverhalte er als im wesentlichen gleich ansieht, hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum (vgl. BVerfG-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, 3 S. 2, § 19; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.02.1992; Aktenzeichen 5 K 2554/91) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Angestellter des Stromversorgungsunternehmens X-AG. Die X-AG gewährt ihren Mitarbeitern für die Lieferung von Strom Preisnachlässe (Werkstrom). In dem von der X-AG auf der Lohnsteuerkarte für das Streitjahr 1990 angegebenen Bruttoarbeitslohn des Klägers war als geldwerter Vorteil für Werkstrom ein Betrag von weniger als 2 400 DM enthalten. Die X-AG unterwarf diesen Betrag entsprechend der Auffassung des für sie zuständigen Finanzamts der Lohnsteuer, ohne die Steuerbefreiung gemäß § 8 Abs.3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.
Der Wohnort des Klägers liegt außerhalb des Versorgungsgebiets der X-AG und wird durch Y, die Muttergesellschaft der X-AG, mit Strom beliefert. Die X-AG bezieht ihren Strom größtenteils von Y. Die dem Kläger gelieferte Strommenge wird zwischen Y und der X-AG verrechnet. Die X-AG beliefert ihrerseits Mitarbeiter der Y, die in ihrem Versorgungsgebiet wohnen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte dem Kläger bei der Veranlagung die Steuerbefreiung gemäß § 8 Abs.3 Satz 2 EStG nicht. Er vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien nur erfüllt, wenn der Arbeitgeber und nicht ein Dritter den Strom liefere.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 509 veröffentlichtem Urteil statt.
Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 8 Abs.3 EStG.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
1. Das FG ist zu Recht --stillschweigend-- davon ausgegangen, daß der dem Kläger gewährte Preisnachlaß (Rabatt) dem Grunde nach Arbeitslohn i.S. des § 19 EStG ist. Ein vom Arbeitgeber gewährter Preisnachlaß begründet nur dann keinen Vorteil i.S. des § 19 EStG, wenn er auch im normalen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte und deshalb auch andere Personen als die Arbeitnehmer des Verkäufers diesen Vorteil bekommen können (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2.Februar 1990 VI R 15/86, BFHE 159, 513, BStBl II 1990, 472). Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß der Kläger den ihm gewährten Preisnachlaß im normalen Geschäftsverkehr nicht hätte erhalten können.
2. Dieser Arbeitslohn ist nicht nach § 8 Abs.3 Satz 2 EStG steuerfrei. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht erfüllt.
Zwar hat das FG zutreffend angenommen, daß die Zuwendung von Strom und Wasser von dem Regelungsbereich des durch das Steuerreformgesetz 1990 (BStBl I 1988, 226) eingefügten Abs.3 des § 8 EStG umfaßt wird. Der Senat folgt jedoch nicht der Rechtsansicht der Vorinstanz, die Voraussetzungen des § 8 Abs.3 Satz 1 EStG seien bei der Zuwendung von Strom und Wasser auch dann erfüllt, wenn eine Lieferung an den Arbeitnehmer unmittelbar durch den Arbeitgeber technisch nicht möglich sei. Er gibt vielmehr der Ansicht des FA den Vorzug, daß bei der Zuwendung von Strom, der --wie im Streitfall-- nicht vom Arbeitgeber produziert worden ist, § 8 Abs.3 Satz 1 EStG dann nicht anwendbar ist, wenn der Strom außerhalb des Versorgungsbereichs des Arbeitgebers auf dessen Veranlassung von einem fremden Lieferer geliefert wird. Fremder Lieferer in diesem Sinne ist auch die Muttergesellschaft des Arbeitgebers.
Dem FG ist darin zuzustimmen, daß der Wortlaut des Abs.3 nicht eindeutig erkennen läßt, ob Zuwendungen der im Streitfall gegebenen Art von dem Tatbestand erfaßt sind oder nicht und daß mithin nach dem Wortlaut beide Auslegungen möglich sind. Denn nach § 8 Abs.3 Satz 1 EStG gelten abweichend von Absatz 2 die um vier vom Hundert geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet, wenn "ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden", erhält.
Hätte entsprechend der Auffassung des FG nicht das konkrete Produkt oder die konkrete Dienstleistung des Arbeitgebers erfaßt werden, sondern die Zuwendung der gleichen Gattung angehörender Produkte oder Dienstleistungen ausreichen sollen, so hätte eine Gesetzesfassung näher gelegen, wonach auf Waren oder Dienstleistungen der Art, wie sie vom Arbeitgeber hergestellt, vertrieben oder erbracht werden, abgestellt worden wäre.
Letztlich ausschlaggebend für die Bevorzugung der vom FA angestrebten engeren Auslegung ist jedoch der Umstand, daß in der Vorschrift nur der Arbeitgeber genannt und keine Konzernklausel enthalten ist. Es ist auch nicht möglich, den Begriff des Arbeitgebers über den Wortlaut hinaus extensiv auszulegen. Denn im Vorfeld der gesetzlichen Neuregelung war eine Konzernklausel ausdrücklich diskutiert worden (vgl. BTDrucks 11/2536, S.16). Wenn sie dann nicht in das Gesetz aufgenommen worden ist, so bedeutet dies, daß sich die bereits in der amtlichen Begründung vertretene Meinung durchgesetzt hat, daß die Regelung nicht für Waren und Dienstleistungen gelten solle, die nicht im Unternehmen des Arbeitgebers hergestellt, vertrieben oder erbracht würden. Es sollten weder Arbeitnehmer von Konzerngesellschaften noch ein überbetrieblicher Belegschaftshandel steuerlich begünstigt werden (vgl. BTDrucks 11/2157, S.142).
Der Gesetzgeber hat danach den Anwendungsbereich des § 8 Abs.3 EStG eng fassen wollen. Dieser Intention würde es aber widersprechen, wenn im Streitfall der von der Muttergesellschaft hergestellte und von dieser innerhalb ihres Versorgungsbereichs an den Kläger gelieferte Strom in den Begünstigungsbereich der Norm einbezogen würde. Der Senat folgt bei dieser Auslegung des Gesetzes nicht der Ansicht, das Fehlen einer Konzernklausel in § 8 Abs.3 EStG mit der daraus folgenden Beschränkung auf die Waren und Dienstleistungen des "eigenen" Arbeitgebers sei nicht durch zureichende Gründe gerechtfertigt und verletze deshalb den Arbeitnehmer in seinem Recht auf Gleichbehandlung i.S. des Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes --GG-- (vgl. Glenk, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1989, Beihefter, S.3 f.; Birk, Finanz- Rundschau --FR-- 1990, 237, 240). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. z.B. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 29.November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, 118 m.w.N.). Bei der Entscheidung, welche Sachverhalte er als im wesentlichen gleich ansieht, hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum (BVerfG- Urteil vom 10.Februar 1987 1 BvL 18/81 und 20/82, BVerfGE 74, 182, 200 m.w.N.; Beschluß vom 30.September 1987 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256, 330).
Eine Konzernklausel hätte gegenüber der tatsächlich getroffenen Regelung zu einer größeren Begünstigung von Arbeitnehmern konzernverbundener Unternehmen gegenüber solchen Arbeitnehmern geführt, die in kleinen oder mittelständischen Unternehmen tätig sind. Denn ersteren hätte durch den Konzernverbund eine wesentlich größere Produkt- und Dienstleistungspalette angeboten werden können. Konnte der Gesetzgeber wegen der tatsächlichen Unterschiede der zu regelnden Sachverhalte eine Regelung, die alle Arbeitnehmer in gleichem Maße begünstigt hätte, nicht finden, so lag die Entscheidung, ob er die Grenze für die Begünstigung weit oder möglichst eng ziehen wollte, innerhalb seines gesetzgeberischen Gestaltungsraums.
3. Die Vorentscheidung hat einer extensiven Auslegung den Vorzug gegeben und ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FA hat den Preisvorteil zu Recht als Arbeitslohn erfaßt und der Steuer unterworfen. Über die Höhe des Vorteils besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Da das FG eine Steuerbefreiung gemäß § 8 Abs.3 Satz 2 EStG angenommen und der Klage stattgegeben hat, ist das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64598 |
BFH/NV 1993, 31 |
BStBl II 1993, 356 |
BFHE 170, 190 |
BFHE 1993, 190 |
BB 1993, 914 |
BB 1993, 914-915 (LT) |
DB 1993, 1016-1017 (LT) |
DStR 1993, 647 (KT) |
DStZ 1993, 441 (KT) |
HFR 1993, 323 (LT) |
StE 1993, 220 (K) |