Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Wird das Personenkraftfahrzeug eines Körperbehinderten, für das vom Finanzamt ein Steuererlaß ganz oder teilweise bewilligt worden ist, nicht zur Beförderung der Person des Körperbehinderten benutzt, so liegt grundsätzlich eine mißbräuchliche Benutzung vor. Eine Benutzung des Fahrzeuges ohne Beförderung des Körperbehinderten ist dann nicht als mißbräuchlich anzusehen, wenn diese Benutzung dem Zweck der Beförderung des Behinderten dient. Unschädlich ist auch in diesem Falle eine Mitnahme von Personen, sofern die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 KraftStG gegeben sind.

 

Normenkette

KraftStG § 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage der mißbräuchlichen Benutzung eines Personenkraftfahrzeuges, für das die Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1955 erlassen worden ist.

Der in X. wohnhafte Bf. ist Schwerbeschädigter im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes. Seine Erwerbsfähigkeit ist um 70 v. H. gemindert. Er hielt sich außer einem VW einen PKW "Porsche" mit einem Hubraum von 1.571 ccm. Für den letztgenannten Wagen erließ ihm das Finanzamt die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 1. Juni 1957 bis 31. Mai 1958 und für die Zeit vom 1. Juni 1958 bis 31. Mai 1959.

Nach einer polizeilichen Meldung vom 15. Juli 1958, beim Finanzamt eingegangen am 23. Juli 1958, ist der Pkw "Porsche" des Bf. am 12. Juli 1958 von dessen Ehefrau benutzt worden; die Ehefrau gab später an, sie sei auf dem Wege zum Krankenhaus gewesen, um ihren Ehemann von dort abzuholen. Zwei weitere polizeiliche Meldungen ergaben unter anderem folgendes: Die Ehefrau des Bf. benutzte auch am 25. Juli 1958 das gleiche Personenkraftfahrzeug des Bf., ohne daß sich dieser in dem Wagen befand. Nach ihrer Erklärung wollte sie in Y. ihren und ihres Ehemannes Spezialarzt, einen Augendiagnostiker, aufsuchen und eine Medizin für ihren Ehemann, der aus geschäftlichen Gründen nicht habe mitfahren können, abholen. Ferner fuhr die Ehefrau des Bf. am 7. August 1958 mit dem steuerbefreiten Personenkraftfahrzeug des Bf., wie sie angab, nach Z., um ihren Ehemann vom Flughafen abzuholen. Am 5. September 1958 meldete der Bf. den Pkw "Porsche" ab.

Das Finanzamt erließ am 23. September 1958 einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid an den Bf. für die Zeit vom 1. Juni 1958 bis 5. September 1958. Es forderte eine Kraftfahrzeugsteuer von 82,10 DM; die Steuerbefreiung für die Zeit vom 1. Juni 1958 bis 31. Mai 1959 widerrief es.

Gegen den Steuerbescheid vom 23. September 1958 legte der Bf. Einspruch ein. Dieser wurde vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen die Einspruchsentscheidung legte der Bf. Berufung ein.

Im Strafverfahren verurteilte das Amtsgericht den Bf. und seine Ehefrau wegen Steuerhinterziehung (nur) auf Grund des Vorfalls vom 25. Juli 1958 zu einer Geldstrafe von je 50 DM, ersatzweise zu je fünf Tagen Haft. Auf die Berufung des Angeklagten setzte das Landgericht gemäß § 468 AO das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Steueranspruch aus.

Das Finanzgericht wies die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts in der Kraftfahrzeugsteuersache als unbegründet zurück und ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Rb. gegen sein Urteil zu. Das Finanzgericht sah - in übereinstimmung mit den Ausführungen des Amtsgerichts in der Strafsache - nur den Vorfall am 25. Juli 1958 als mißbräuchliche Benutzung des steuerbefreiten Kraftfahrzeugs an.

Der Bf. hat gegen das Urteil des Finanzgerichts Rb. eingelegt. Er führt aus: Die Steuervergünstigung nach § 3 KraftStG 1955 habe den Sinn, dem Körperbehinderten seine beruflichen und persönlichen Angelegenheiten zu erleichtern; es könne daher niemals von einem Mißbrauch im Sinne des Gesetzes gesprochen werden, wenn die Ehefrau des Bf. wegen einer zeitweiligen Verhinderung des Steuerbegünstigten (Bf.) Aufgaben übernehme, um dem Bf. die Erledigung persönlich und beruflich notwendiger Angelegenheiten abzunehmen. Diese Auffassung sei um so mehr gerechtfertigt, als der Bf. während der Fahrt seiner Ehefrau nach Y. den anderen Wagen, der versteuert gewesen sei, benutzt habe. Die Auswechslung beider Wagen sei darauf zurückzuführen gewesen, daß der Bf. sich seinerzeit von einem Angestellten habe fahren lassen müssen, dem die Technik des steuerbegünstigten "Porsche" nicht bekannt gewesen sei. Auch erscheine es rechtsirrig, daß das Finanzgericht entschieden habe, die Steuerschuld entstehe ohne Rücksicht darauf, wann und wie häufig das Fahrzeug mißbräuchlich benutzt worden sei. Der Bf. rügt dabei eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Die Vorschrift des § 3 KraftStG 1955 - jetzt: § 3 KraftStG in der Fassung vom 2. Januar 1961, BGBl I S. 2 - will das Halten eines Personenkraftfahrzeugs durch einen Körperbehinderten unter gewissen Voraussetzungen begünstigen. Da § 1 Abs. 1 KraftStG 1955 das Halten eines bestimmten Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen der Besteuerung unterwirft, bezieht sich die Steuerbefreiung nach § 3 KraftStG auch nur auf ein bestimmtes Kraftfahrzeug. Das Fahrzeug muß dabei der Beförderung des Körperbehinderten dienen. Es ist nicht erlaubt, daß das Fahrzeug ohne gleichzeitige Beförderung des Körperbehinderten für dessen sonstige Zwecke benutzt wird. Daß nur die Beförderung der Person des Körperbehinderten begünstigt ist, ergibt sich einmal aus Abs. 1 der Vorschrift (Körperbehinderten, die sich infolge ihrer Körperbehinderung ein Personenkraftfahrzeug halten ...); zum andern ergibt es sich aus Abs. 2, der genau bestimmten Ausnahmen für die Mitbeförderung anderer Personen zuläßt und bei Beförderung von Gütern, soweit nicht Handgepäck, die Vergünstigung ausschließt. Der Senat trägt keine Bedenken, über den Wortlaut der Vorschrift hinaus einer Verwendung des Fahrzeugs zur Beförderung des Körperbehinderten selbst gleichzustellen eine Benutzung des Kraftfahrzeugs ohne gleichzeitige Beförderung des Körperbehinderten, wenn diese Benutzung dem Zwecke der Beförderung des Behinderten dient, wobei eine Mitnahme von im § 3 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 des Gesetzes bezeichneten Personen unschädlich ist (zum Beispiel ein Fahrzeug, mit dem der Körperbehinderte zur Arbeitsstätte gebracht wurde, fährt ohne ihn zur Garage zurück oder ein Fahrzeug fährt von der Garage zur Arbeitsstätte, um den Körperbehinderten abzuholen). Wird jedoch ein Kraftfahrzeug, für das einem Körperbehinderten vom Finanzamt ein Steuererlaß nach § 3 KraftStG gewährt worden ist, zur Beförderung einer anderen Person benutzt, ohne daß es sich um eine "Mitbeförderung" im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 a. a. O. handelt oder ohne daß eine der Beförderung des Körperbehinderten im Sinne der obigen Ausführungen gleichzustellende Benutzung des Fahrzeugs vorliegt, so wird das Fahrzeug "mißbräuchlich" - § 3 Abs. 3 a. a. O. - benutzt. Die Steuervergünstigung ist dann für die Gültigkeitsdauer der Steuerkarte oder der Bescheinigung über die Steuerbefreiung zu widerrufen.

Im Streitfall ist das Kraftfahrzeug des Bf. bei dem Vorgang am 25. Juli 1958 nicht im Einklang mit den Vorschriften des § 3 Abs. 2 KraftStG benutzt worden, wie das Finanzgericht mit Recht dargelegt hat; die Fahrten am 12. Juli 1958 und am 7. August 1958 dagegen hielten sich noch im Rahmen der genannten Vorschrift. Wenn die Ehefrau des Bf. am 12. Juli 1958 ihren Ehemann aus dem Krankenhaus und am 7. August 1958 vom Flughafen abholte, so waren das Fahrten, die dem Bf. selbst das Benutzen seines Kraftfahrzeugs ermöglichten. Anders liegt es jedoch bei der Fahrt der Ehefrau des Bf. am 25. Juli 1958. Diese Fahrt diente nicht der Beförderung des Behinderten. Sie war - wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt - entgegen der Meinung des Bf. auch nicht deshalb nicht "mißbräuchlich" im Sinne des § 3 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes, weil die Ehefrau ihm die Erledigung einer persönlich notwendigen Angelegenheit abnehmen wollte. So weit will das Gesetz mit seiner Steuervergünstigung nicht gehen. Es handelt sich bei der Steuerbefreiung um eine höchstpersönliche Vergünstigung, die nicht übertragen werden kann. Wie ausgeführt, besteht der alleinige Zweck der Steuervergünstigung darin, dem Körperbehinderten durch steuerliches Entgegenkommen die Beförderung seiner Person durch Kraftfahrzeug wirtschaftlich zu erleichtern oder zu ermöglichen; der Zweck der Steuervergünstigung ist aber nicht der, sonstigen Zwecken des Körperbehinderten zu dienen. Einer solchen Gesetzesauslegung stehen auch - wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat - die Ausführungen in dem Urteil des erkennenden Senats II 213/57 U vom 29. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 150, 151, Slg. Bd. 66 S. 389) nicht entgegen. Daß der Bf. am 25. Juli 1958 mit seinem anderen, nicht steuerbegünstigten Wagen gefahren ist und aus welchem Grunde das geschah, ist für die zu entscheidende Frage nicht rechtserheblich. Ein Recht, die zu benutzenden Wagen "auszuwechseln", ohne kraftfahrzeugsteuerliche Wirkungen auszulösen, gibt das Gesetz dem Körperbehinderten nicht.

Auch insoweit ist den Darlegungen des Finanzgerichts beizutreten, daß nach § 3 Abs. 3 KraftStG 1955 im Fall auch nur einer mißbräuchlichen Benutzung des steuerbefreiten Kraftfahrzeugs die Steuer für die ganze Dauer der Gültigkeit der Steuerkarte oder der Bescheinigung über die Steuerbefreiung - im Streitfall: vier Monate - zu widerrufen ist. Das Gesetz in der Fassung von 1955 stellte nicht darauf ab, wie oft das steuerbefreite Kraftfahrzeug mißbräuchlich benutzt worden ist. Dem Finanzgericht ist ferner darin beizutreten, daß die Vorschrift des § 3 Abs. 3 KraftStG 1955 nicht dem Art. 3 Abs. 1 GG widersprach.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410023

BStBl III 1961, 242

BFHE 1961, 666

BFHE 72, 666

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