Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Verwendet ein körperbehinderter Fahrlehrer sein Personenkraftfahrzeug für Fahrschulzwecke, so kommt ein Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer nach § 3 des Gesetzes nicht in Betracht.

 

Normenkette

KraftStG § 3/1/1, § 3 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Verwendung eines Personenkraftwagens für Fahrschulzwecke durch einen Schwerbeschädigten Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1955 (KraftStG 1955) ausschließt.

Der Bf. ist Schwerbeschädigter im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes. Seine Erwerbsfähigkeit ist um 80 v. H. gemindert. Während der hier in Betracht kommenden Zeit vom 25. Juni bis 24. September 1958 war er Halter eines Personenkraftwagens mit einem Hubraum von 1.483 ccm. Durch Steuerfestsetzung vom 6. Juli 1958 setzte das Finanzamt die Kraftfahrzeugsteuer auf 57,30 DM fest, nachdem es durch Verfügung vom 26. Juni 1958 einen Antrag des Bf. auf Erlaß der Steuer abgelehnt hatte. Mit Schreiben vom 8. Juli 1958 wandte sich der Bf. dagegen, daß das Finanzamt seinen Antrag auf Erlaß der Steuer ablehnend beschieden hatte. Das Finanzamt sah dieses Schreiben als Einspruch gegen die Steuerfestsetzung vom 6. Juli 1958 an, wies den Einspruch jedoch als unbegründet zurück.

Gegen die Einspruchsentscheidung legte der Bf. Berufung ein. Zur Begründung führte er aus: Die Ansicht des Finanzamts, daß ein Körperbehinderter nur dann einen Steuererlaß erhalten könne, wenn er den Personenwagen ausschließlich infolge der Körperbehinderung halte, finde im Gesetz keine Stütze. Die Wagenhaltung müsse lediglich durch die Körperbehinderung veranlaßt sein. Er habe wegen seiner Körperbehinderung schon lange ständig einen Personenkraftwagen besessen. Wegen seiner Vertreibung habe er den Beruf wechseln müssen. Er sei, weil er nur eine im Kraftwagen auszuübende Tätigkeit entfalten könne und weil er einen Wagen besessen habe, Fahrlehrer geworden; er habe also nicht umgekehrt einen Wagen erworben, weil er Fahrlehrer geworden sei. Unrichtig sei auch die Meinung, daß in der überlassung des Personenkraftwagens an Fahrschüler zu übungs- und Prüfungsfahrten ein "Befördern" liege. Die im § 4 Abs. 1 der Beförderungsteuer- Durchführungsverordnung (BefStDV) 1955 gegebene Begriffsbestimmung der "Beförderung" müsse zumindest in ihrem Kern auch auf den Begriff der Beförderung im Sinne von § 3 Abs. 2 KraftStG 1955 angewendet werden. Das bedeute, daß der Begriff "Beförderung" überall erfüllt sei, wo eine der Raumüberwindung für Personen oder Güter dienende Tätigkeit entfaltet werde.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Rb. zu.

 

Entscheidungsgründe

Auch der Rb. war der Erfolg zu versagen.

Die Vorschrift des § 3 KraftStG 1955 will das Halten eines Personenkraftwagens durch einen Körperbehinderten unter gewissen Voraussetzungen begünstigen. Das Fahrzeug muß dabei aber, wie der Senat in seinem Urteil II 188/59 U vom 15. März 1961 (BStBl 1961 III S. 242, Slg. Bd. 72 S. 666) festgestellt hat, der Beförderung des Körperbehinderten dienen. Daß nur die Beförderung der Person des Körperbehinderten begünstigt ist, ergibt sich einmal aus Abs. 1 der Vorschrift ("Körperbehinderten, die sich infolge ihrer Körperbehinderung einen Personenkraftwagen halten ..."); zum anderen ergibt es sich aus Abs. 2, der genau bestimmte Ausnahmen für die Mitbeförderung (Mitnahme) anderer Personen zuläßt und bei Beförderung von Gütern, abgesehen von Handgepäck, die Vergünstigung ausschließt. Dient das Fahrzeug bei einer Fahrt nicht der Beförderung des Körperbehinderten, so ist die Steuervergünstigung auch dann zu versagen, wenn der Körperbehinderte an dieser Fahrt teilnimmt, etwa bei einer Fahrt im ausschließlichen Interesse eines Dritten. Das folgt eben daraus, daß es sich bei dieser Steuervergünstigung um eine höchstpersönliche handelt. Die Steuervergünstigung will dem Steuerpflichtigen einen gewissen Ausgleich wegen seiner körperlichen Behinderung gewähren, ihm jedoch keine sonstigen Vorteile verschaffen (vgl. Neumann, Das Kraftfahrzeug- Steuergesetz, 2. Aufl., 1957, § 3 Anm. 10). Das Interesse eines Körperbehinderten an seiner Beförderung ist Grund für den Steuererlaß. Eine berufliche Nutzung des Fahrzeugs ist nur dann unschädlich, wenn dabei die Beförderung des Körperbehinderten im Vordergrund steht. Die beruflich etwa erforderliche Mitnahme von Gütern, die über den Rahmen des Handgepäcks hinausgehen, schließt den Steuererlaß ebenso aus wie die Mitnahme von Personen, abgesehen von den im Gesetz genannten Ausnahmefällen.

Im Streitfall hat das Finanzgericht zu Recht die Benutzung des Personenkraftwagens für Fahrschulzwecke als die Befreiung nach § 3 Abs. 2 KraftStG 1955 ausschließend angesehen. Fahrschulfahrten haben nicht den Zweck, den körperbehinderten Fahrlehrer zu befördern. Sie werden zur Unterrichtung der Fahrschüler ausgeführt und würden unterbleiben, wenn kein Fahrunterricht zu erteilen wäre. Da nur das Interesse des Bf. an seiner Beförderung einen Steuererlaß rechtfertigt, nicht aber sein Interesse an der Erzielung von Einnahmen mit Hilfe seines Personenkraftwagens, dienen die Fahrschulfahrten nicht dem Zweck, für den das Gesetz einen Steuererlaß vorgesehen hat. übrigens wird auch bei diesen Fahrten eine Beförderung durchgeführt. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um Beförderungen nach § 4 Abs. 1 BefStDV 1955 handelt. Jedenfalls ist die Mitnahme von Fahrschülern eine Beförderung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG 1955. Unter Beförderung im Sinne dieser Vorschrift ist jede Fortbewegung einer Person in dem Personenkraftwagen eines Körperbehinderten zu verstehen, mit Ausnahme der nur gelegentlichen, unentgeltlichen Mitbeförderung oder der Mitnahme einer Hilfsperson für den Körperbehinderten als Kraftfahrzeugführer oder Begleiter. Eine nur gelegentliche, unentgeltliche Mitbeförderung der Fahrschüler ist bei Fahrschulfahrten nicht gegeben. Auf das weitere Vorbringen des Bf. kann es hiernach nicht mehr ankommen.

Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410284

BStBl III 1962, 53

BFHE 1962, 140

BFHE 74, 140

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