Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung des Ermäßigungsbetrages aus § 16 Abs. 5 EStG sind die anläßlich der Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven daraufhin zu prüfen, ob und in welchem Umfang sie bei Erwerb des nunmehr veräußerten Betriebes, Teilbetriebes oder Anteils am Betriebsvermögen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Soweit dies der Fall war, ist die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer um die auf sie entfallene Erbschaftsteuer (jedoch nicht über die Höhe der auf sie entfallenden Einkommensteuer hinaus) zu kürzen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 5
Tatbestand
Streitig ist, wie die Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 16 Abs. 5 EStG zu berechnen ist.
Die Revisionsbeklagten sind Eheleute. Der steuerpflichtige Ehemann (Steuerpflichtiger) ist zu einem Siebentel an der Erbengemeinschaft nach seinem am 7. Februar 1959 verstorbenen Onkel beteiligt. Zum Nachlaß gehörte eine Beteiligung des Verstorbenen am Betriebsvermögen der Firma P., die die Erbengemeinschaft mit notariellem Vertrag vom 21. Juli 1960 an den verbleibenden Teilhaber verkaufte. Der auf den Steuerpflichtigen entfallende Anteil an dem dabei erzielten Veräußerungsgewinn betrug unstreitig 40 047 DM. Im Einspruchsverfahren gegen den in vollem Umfang für vorläufig erklärten Einkommensteuerbescheid 1960 vom 27. April 1962 beantragte der Steuerpflichtige, die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 5 EStG zu erlassen. Diesem Antrag entsprach der Revisionskläger (das FA) im endgültigen Bescheid vom 4. März 1963 dergestalt, daß er die anteiligen stillen Reserven, die der Erbschaftsteuer unterlegen hatten, mit 11 673 DM erechnete und die auf sie erhobene Erbschaftsteuer von 7 v. H. (= 817 DM) mit einem Siebentel (= 117 DM) auf die Steuerschuld der Revisionsbeklagten aus dem Veräußerungsgewinn anrechnete.
Mit ihrem Einspruch gegen diese Berechnung begehrten die Revisionsbeklagten, den Betrag der stillen Reserven auf 134 280 DM und die anzurechnende Erbschaftsteuer auf 1 342,80 DM zu berechnen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Demgegenüber gab das FG der Berufung der Revisionsbeklagten durch anderweite Berechnung des Ermäßigungsbetrages, wenn auch nicht der stillen Reserven, statt. Seine Entscheidung begründet es wie folgt:
Die Vorschrift des § 16 Abs. 5 EStG 1934 ff. habe - wie die ihr vorangegangene Vorschrift des § 31 EStG 1925 - die Aufgabe, die Härte der zweimaligen Erfassung der durch die Veräußerung freigesetzten stillen Reserven durch die Erbschaftsteuer und durch die Einkommensteuer zu mindern, wenn diese beim Veräußerer aus Anlaß des Erwerbs innerhalb der letzten drei (jetzt fünf) Jahre der Erbschaftsteuer unterlegen hätten. Doch sei seit der Neufassung der Vorschrift im EStG 1934 aus Vereinfachungsgründen die Berechnung des Ermäßigungsbetrages nicht mehr im Gesetz selbst vorgeschrieben (bisher: Anrechnung desjenigen Teiles der Erbschaftsteuer, der auf den Unterschied zwischen dem der Erbschaftsteuerveranlagung zugrunde gelegten und dem bei der Einkommensteuer des Rechtsvorgängers des Steuerpflichtigen zuletzt angesetzten Wert des Betriebsvermögens entfällt), sondern dem Grundgedanken der Vorschrift zu entnehmen. Danach sei zunächst zu prüfen, für welche Wirtschaftsgüter des veräußerten Betriebes (Teilbetriebes, Anteils am Betriebsvermögen) bereits Erbschaftsteuer entrichtet worden sei. Im Grunde sei unstreitig für alle erworbenen Nachlaßgegenstände - und zwar unter Zugrundelegung ihres vollen, nach dem ErbStG anzusetzenden Wertes - die Erbschaftsteuer entrichtet worden. Wenn dabei für die Grundstücke deren Einheitswerte angesetzt worden seien, rechtfertige dies weder nach Wortlaut, Zweck noch Sinnzusammenhang des § 16 Abs. 5 EStG, daß im Sinne des Einkommensteuerrechts wertmäßig nicht in vollem Umfang bei der Erbschaftsteuer versteuerte stille Reserven von einem Erlaß oder einer Ermäßigung der Einkommensteuer ausgeschlossen sein sollten. Deshalb könne nur der Erlaß bzw. die Ermäßigung der Einkommensteuer in derjenigen Höhe richtig sein, die diesem Sinn und Zweck des Gesetzes Rechnung trage. Die Höhe des Erlaß- bzw. Anrechnungsbetrages werde am einfachsten dergestalt errechnet, daß der Einkommensteuersatz um so viele Prozent ermäßigt werde, als der Erbschaftsteuersatz im Einzelfall betragen habe. Im Streitfall sei danach der Steuersatz auf den Veräußerungsgewinn nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG von 17,3 v. H. um den Erbschaftsteuersatz von 7 v. H. auf 10,3 v. H., der Steuerbetrag von 6 928 DM um 2 804 DM auf 4 124 DM zu ermäßigen.
Man könne auch daran denken, den von den Revisionsbeklagten zu versteuernden Veräußerungsgewinn von 40 047 DM um denjenigen Betrag zu kürzen, der - aus einkommensteuerrechtlicher Sicht - bereits als stille Reserve der Erbschaftsteuer unterlegen habe, d. h. um ein Siebentel der Hälfte von 240 438 DM (= 17 174 DM). Dann wäre nur der noch nicht erfaßte Restbetrag von 28 873 DM mit dem nach § 34 EStG ermäßigten Steuersatz von 17,3 v. H., d. h. mit 4 995 DM zur Steuer heranzuziehen. Das Gericht gebe jedoch der erstgenannten Berechnungsart unter Beachtung der Bewertungsunterschiede im Einkommensteuer- und Erbschaftsteuerrecht den Vorzug.
Auf keinen Fall könne dem FA darin gefolgt werden, daß die auf den veräußerten Betrieb aus Anlaß des Erbanfalls entrichtete Erbschaftsteuer zu ermitteln und von der Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn abzuziehen sei, da der Gesetzgeber dies, wenn er das gewollt hätte, leicht im Gesetz hätte zum Ausdruck bringen können.
Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA, zu deren Begründung es vorträgt:
Die Ausgestaltung der Vorschrift des § 16 Abs. 5 EStG kennzeichne sie als eine Ermessensvorschrift, die zwar ein Handeln gebiete, aber keinen Maßstab für dieses Handeln (die Berechnung) setze. In welcher Weise das Ermessen deshalb auszuüben sei, bestimme im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Abschn. 139 EStR 1960. Während die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn die im Betrieb gelegenen, über den Buchwert des Kapitalkontos hinausgehenden, durch die Veräußerung im Kaufpreis aufgedeckten (echten) stillen Reserven erfasse, erfasse die Erbschaftsteuer - abgesehen von den persönlichen Freibeträgen - die stillen Reserven mit fiktiven Beträgen, die Grundstücke mit ihren Einheitswerten und darüber hinaus auch den Buchwert des Kapitalkontos. Das ErbStG kenne in seinen Tarifen, anders als das EStG, keine Progression. Der erbschaftsteuerliche Nachlaßwert liege regelmäßig niedriger als der einkommensteuerrechtliche Veräußerungserlös. Die Einkommensteuer solle aber nur um denjenigen Betrag der Erbschaftsteuer ermäßigt werden, der auf den Wert der beim Erwerb vorhandenen, bei der Veräußerung ebenfalls noch vorhandenen stillen Reserven entfalle. Nur die stillen Reserven würden doppelt erfaßt. Über sie werde der Bezug der Erbschaftsteuer auf die Einkommensteuer und umgekehrt hergestellt. Die Erfassung der Grundstücke bei der Berechnung der Erbschaftsteuer mit den Einheitswerten bringe eine Minderung des Buchwerts der Grundstücke um die Differenz bis zum Einheitswert, die von der Erbschaftsteuer nicht erfaßt, bei der Veräußerung des Betriebes indes als stille Reserve aufgedeckt und der Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn unterworfen werde. Eine Doppelerfassung liege insoweit jedoch nicht vor.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach § 16 Abs. 5 EStG wird die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige den veräußerten Betrieb oder Teilbetrieb oder den veräußerten Anteil am Betriebsvermögen innerhalb der letzten drei (jetzt fünf) Jahre vor der Veräußerung erworben und infolge des Erwerbs Erbschaftsteuer entrichtet hat. Da der Steuerpflichtige als Erbe eines Betriebes, eines Teilbetriebes oder eines Anteils an einem Betriebsvermögen nach § 7 Abs. 1 EStDV die Bilanzansätze seines Rechtsvorgängers fortzuführen hat, werden die in den im Erbgang übernommenen Wirtschaftsgütern liegenden stillen Reserven im Falle einer Veräußerung des Betriebes, des Teilbetriebes oder des Anteils an einem Betriebsvermögen aufgedeckt und nunmehr der Einkommensteuer unterworfen. Soweit diese stillen Reserven anläßlich des Erwerbs der Wirtschaftsgüter indes in den letzten drei (jetzt fünf) Jahren vor der Veräußerung der Erbschaftsteuer unterlegen haben, erscheint es deshalb billig, den Steuerpflichtigen bei der Erhebung der Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn um die auf diese stillen Reserven gezahlte Erbschaftsteuer zu entlasten. Die Entlastung soll jedoch nicht höher als die Belastung mit der Einkommensteuer sein; deshalb bestimmt Abschn. 139 Satz 5 EStR 1960: "War der Steuersatz der Erbschaftsteuer höher als der Steuersatz der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuer, so ist der Ermäßigungsbetrag höchstens nach dem Steuersatz der Einkommensteuer zu berechnen."
Dem FG ist darin zuzustimmen, daß die Vorschrift des § 16 Abs. 5 EStG nichts dafür erkennen läßt, daß zwecks Berechnung des Ermäßigungsbetrages die im Veräußerungsgewinn aufgedeckte Summe der stillen Reserven auf die einzelnen veräußerten Wirtschaftsgüter aufzuteilen und den bei ihrem Erwerb der Erbschaftsteuer unterworfenen stillen Reserven dieser einzelnen Wirtschaftsgüter gegenüberzustellen ist. So führen denn auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, in Anm. 86 zu § 16 EStG beispielsweise aus:
"Der Erbschaftsteuer wurden stille Reserven im beweglichen Anlagevermögen und in den Vorräten unterworfen. Die stillen Reserven in den Vorräten sind inzwischen als laufender Gewinn erschienen; neue stille Reserven sind in den Vorräten nicht entstanden. Der Veräußerungsgewinn beruht auf stillen Reserven im Grundbesitz und im beweglichen Anlagevermögen sowie auf der Berücksichtigung des Geschäftswerts. Die Einkommensteuer ist um den Teil der Erbschaftsteuer zu ermäßigen, der auf die stillen Reserven im beweglichen Anlagevermögen entfiel." Aus dem Zweck der Vorschrift des § 16 Abs. 5 EStG folge, daß die stille Reserve, die zu einem Veräußerungsgewinn führe, nicht bei dem gleichen Wirtschaftsgut bestanden zu haben brauche, bei dem sie der Erbschaftsteuer unterlegen habe, sondern daß es genügen müsse, wenn die stille Reserve durch die Veräußerung bei einem gleichartigen Wirtschaftsgut, d. h. bei einem Wirtschaftsgut der gleichen Bilanzposition, aufgedeckt worden sei.
Der Senat kann es im Streitfall dahingestellt lassen, ob dieser Auffassung von Herrmann-Heuer gegenüber der Auffassung des FA der Vorzug zu geben ist. Auf jeden Fall kann dem FG - auch nach keiner dieser beiden Auffassungen - darin zugestimmt werden, daß auch die in den Grundstücken liegenden stillen Reserven, die in der Differenz zwischen den Einheitswerten und den Buchwerten - von der Differenz zwischen den Buchwerten und dem auf sie entfallenden Teil des Veräußerungserlöses ganz zu schweigen - der Erbschaftsteuer nicht unterlegen haben, beim Ermäßigungsbetrag Berücksichtigung finden müßten. Demgemäß hat auch die Einkommensteuerkommission in ihrem Bericht (Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7 S. 182) ausgeführt: "Die Ermäßigung soll jedoch nur dann gewährt werden, wenn die stillen Reserven, die als Veräußerungsgewinn in Erscheinung treten, bereits der Erbschaftsteuer unterlegen haben, das heißt, es soll eine Doppelbelastung dieser stillen Reserven durch Erbschaftsteuer und Einkommensteuer vermieden werden (vgl. RFH-Urt. VI 185/42 v. 17.2.1943, RStBl 1943 S. 294). Die Kommission hält es für erforderlich, dies im § 16 Abs. 5 EStG klarer zum Ausdruck zu bringen." Demgemäß hat die Kommission für die Vorschrift folgende Fassung vorgeschlagen:
"(5) Hat der Steuerpflichtige den veräußerten Betrieb oder Teilbetrieb oder den veräußerten Anteil am Betriebsvermögen innerhalb der letzten drei Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben, so wird auf Antrag die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer um die bei dem Erwerb entrichtete Erbschaftsteuer ermäßigt, soweit diese auf den Teil des Vermögens entfällt, der auch zu einem Veräußerungsgewinn geführt hat. Die Erbschaftsteuer darf dabei höchstens mit dem Steuersatz berücksichtigt werden, mit dem der Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer unterliegt."
2. Im vorliegenden Streitfall hat das FA bei der Berechnung des Ermäßigungsbetrages die zu berücksichtigenden, zur Erbschaftsteuer herangezogenen stillen Reserven an Hand der Akten der Erbschaftsteuerstelle mit 1/2 von 240 438 DM festgestellt. Es hat sodann diesen Betrag um die Hälfte der Differenz der Einheitswerte und der Buchwerte der Grundstücke (= 217 091 DM) gekürzt. Zu dieser Kürzung besteht jedoch nach Ansicht des Senats kein Anlaß. Denn unbeschadet der Tatsache, daß die Nichtberücksichtigung der im Unterschiedsbetrag zwischen den Einheitswerten und den Buchwerten gelegenen stillen Reserven bei der Erbschaftsteuer zur Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes geführt hat, ist nicht einzusehen, weshalb die Kürzung der bei der Erbschaftsteuer berücksichtigten stillen Reserven um diesen Betrag erforderlich sein solle. Die Bilanzposition "Grundstücke" bleibt vielmehr bei der Berechnung der Ermäßigungsbeträge außer Ansatz, weil auch bei der Erbschaftsteuer die in ihr enthaltenen stillen Reserven nicht erfaßt worden sind.
3. Das FG wird deshalb im Einvernehmen mit den Revisionsbeklagten noch einmal festzustellen haben, welche bei der Veräußerung des Anteils am Betriebsvermögen der Fa. P. aufgedeckten stillen Reserven bereits bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer berücksichtigt worden sind. Geht man von den Zahlen des FA aus, so sind dies 1/2 von 240 438 DM. Auf sie sind 7 v. H. von 120 219 DM = 8 415 DM Erbschaftsteuer entrichtet worden, die zu einem Siebentel (= 1 202 DM) vom steuerpflichtigen Ehemann getragen wurden. Um diese 1 202 DM wäre die auf die Revisionsbeklagten entfallende Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn zu kürzen. Jede andere Berechnungsmethode führt, wie das FA zu Recht ausgeführt hat, notwendigerweise zu unterschiedlichen und deshalb im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht vertretbaren Ergebnissen.
Fundstellen
Haufe-Index 68102 |
BStBl II 1968, 606 |
BFHE 1968, 482 |