Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wer für Apotheker gegen Entgelt Warenbestände aufnimmt und bewertet, übt weder eine wissenschaftliche oder der Steuerberatung ähnliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG noch eine sonstige selbständige Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG aus. Er ist Gewerbetreibender.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 3
Tatbestand
Zu entscheiden ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1960, ob der Inhaber eines Apotheken-Inventurbüros eine gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit ausübt.
Der Bf. betreibt ein Apotheken-Inventurbüro mit etwa 10 fachlich vorgebildeten Hilfskräften. Er nimmt in Apotheken die Warenvorräte auf und bewertet sie. Außerdem bewertet er ihm eingesandte Mengenaufstellungen von Apothekerwaren. Das Ergebnis seiner Arbeit ist eine Gesamtbewertung des Warenlagers einer Apotheke, die der Auftraggeber der Bilanz zugrunde legen kann. Die hierfür erforderliche Sachkunde erwarb sich der Bf. als Handelsvertreter für Apothekerwaren.
Der Bf. bezeichnete in seiner Einkommensteuererklärung die Einkünfte aus seinem Apotheken-Inventurbüro als freiberufliche (§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG). Das Finanzamt nahm bei der Veranlagung Einkünfte aus Gewerbebetrieb an und versagte den nach § 18 Abs. 4 EStG beantragten Freibetrag für freie Berufe.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Der Steuerausschuss und das Finanzgericht lehnten die Anerkennung freiberuflicher Einkünfte ab, da die Tätigkeit des Bf. keiner der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG genannten Tätigkeiten ähnlich sei. Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 S. 568 veröffentlicht ist, hielt die Arbeit des Bf. nicht für wissenschaftlich, da jeder Kaufmann eine ordnungsmäßige Inventur auf Grund erworbener Branchen- und Marktkenntnisse erstelle. Dies gelte auch für den Apotheker und für die Person, deren sich der Apotheker zur Bestandsaufnahme bediene. Ebensowenig folgte das Finanzgericht der Auffassung des Bf., seine Tätigkeit sei der im Gesetz genannten Hilfeleistung in Steuersachen ähnlich. Der Bf. werde nur neben dem regelmäßig vom Apotheker zur Aufstellung der Bilanz herangezogenen steuerlichen Berater für die Inventur und Warenbewertung tätig. Er übe damit einen Beruf aus, der sich aus den Bedürfnissen des kaufmännischen Lebens entwickelt habe und dessen Tätigkeit nur für einen eng begrenzten Wirtschaftszweig von Interesse sei.
Mit der Rb. rügt der Bf. im wesentlichen unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Die Auslegung des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 EStG durch das Finanzgericht sei zu eng. Die Tätigkeit seines Inventurbüros sei mit der Arbeit eines Stundenbuchhalters vergleichbar. Der Reichsfinanzhof habe den Stundenbuchhalter als Freiberufler angesehen (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 84/41 vom 31. Juli 1941, RStBl 1941 S. 873). Für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit fehle es an der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Sein Inventurbüro diene den Bedürfnissen eines festumgrenzten Personenkreises und wende sich nicht an die Allgemeinheit.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Zutreffend lehnte es das Finanzgericht ab, die Einkünfte des Bf. aus dem Apotheken-Inventurbüro als freiberufliche anzusehen. Der Bf. übt keine wissenschaftliche Tätigkeit aus. Die Annahme wissenschaftlicher Tätigkeit setzt zwar keine akademische Ausbildung voraus; sie muß aber auf einer wissenschaftlichen Grundlage ausgeübt werden. Daran fehlt es bei der Arbeit des Bf., denn sie baut auf seinen Erfahrungen als Handelsvertreter, also einer typischen gewerblichen Tätigkeit, auf. Die Aufnahme und Bewertung des Warenlagers einer Apotheke fordert vor allem Branchen- und Marktkenntnisse. Einer Kenntnis der chemischen Zusammensetzung und Wirkungsweise von Arzneimitteln, deren Vermittlung Hauptgegenstand des pharmazeutischen Studiums ist, bedarf es für die Aufnahme und Bewertung der Warenbestände nicht.
Die Tätigkeit des Bf. zeigt auch keine ähnlichkeit mit den Berufen des Steuerberaters oder des Steuerbevollmächtigten. Dem Bf. ist zuzugeben, daß eine Spezialisierung die Annahme steuerberatender oder ähnlicher Tätigkeit nicht hindert. Die steuerberatenden Berufe haben die Aufgabe, ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten Hilfe zu leisten. Dazu gehört auch die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung (§ 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 16. August 1961 - StBerG -, BGBl 1961 S. 1301). Alle diese, das Wesen dieser freien Berufe ausmachenden Arbeiten führt der Bf. für seine Auftraggeber nicht aus. Dadurch, daß er bei der Warenbewertung auch steuerliche Vorschriften beachten muß, wird seine Tätigkeit nicht der eines Steuerberaters ähnlich. Grundkenntnisse der steuerlich zulässigen Warenbewertung gehören heute zu jeder gehobenen kaufmännischen Ausbildung.
Der Vergleich des Bf. mit dem Stundenbuchhalter rechtfertigt weder die Annahme von Einkünften aus freiberuflicher noch aus sonstiger selbständiger Arbeit. Der Reichsfinanzhof hat das zwar in dem vom Bf. genannten Urteil IV 84/41 ohne nähere Begründung bejaht. Demgegenüber sah der Reichsfinanzhof in dem vom Finanzgericht angeführten Urteil V A 100/23 vom 4. Mai 1923 (RStBl 1923 S. 217) die Tätigkeit des Stundenbuchhalters als gewerblich an. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, in welche Einkunftsart die Einkünfte eines Stundenbuchhalters einzuordnen sind, da der Bf. diesen Beruf nicht ausübt.
Es handelt sich bei den Einkünften des Bf. auch nicht um solche aus sonstiger selbständiger Arbeit. Er übte keine Tätigkeit aus, die den § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG genannten (Vermögengsverwalter oder Testamentsvollstrecker) ähnlich ist. Beide Berufe weisen als Gemeinsamkeit auf, daß fremdes Vermögen verwaltet wird. Der Bf. verwaltet kein fremdes Vermögen, sondern stellt dessen Wert fest. Verwaltende, d. h. auf Erhaltung von Vermögen gerichtete und wertfeststellende Arbeit, sind voneinander wesensverschieden.
Zutreffend hielten das Finanzamt und das Finanzgericht die Tätigkeit des Bf. für gewerblich. Der Bf. beteiligt sich am wirtschaftlichen Verkehr. Seine Beteiligung zeigt sich daran, daß er die Ergebnisse seiner Arbeit gegen Entgelt Dritten zur Verfügung stellt. Da wegen des Beschränkten Interessentenkreises nur wenige Personen als Kunden in Betracht kommen, hindert die Annahme einer Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr nicht. (Urteil des Bundesfinanzhofs I 349/61 U vom 24. Februar 1965, BStBl 1965 III S. 263).
Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411686 |
BStBl III 1965, 556 |
BFHE 1966, 151 |
BFHE 83, 151 |