Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestellung von Krankengymnastikpraktikanten an Krankenhaus dient nicht unmittelbar dem Schulzweck
Leitsatz (NV)
Führt ein Ausbilder von Krankengymnastikpraktikanten aufgrund eines von den Ausbildungsverträgen rechtlich selbständigen gegenseitigen Vertrags zugleich Leistungen an ein Krankenhaus aus, indem er diesem seine Krankengymnastikpraktikanten gegen Entgelt überläßt, so sind diese Leistungen umsatzsteuerrechtlich gesondert zu behandeln; sie sind weder Teil der gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1973/1980 steuerfreien Ausbildungsleistung noch bilden sie einen einheitlichen Vorgang mit der Ausbildung. Dies gilt selbst dann, wenn sie mit der Ausbildungsleistung gegenüber den Praktikanten verbunden und den Ausbildungszwecken dienlich sind (Anschluß an Senatsentscheidung vom 26. Oktober 1989 V R 25/84, BFHE 158, 488, BStBl II 1990, 98).
Normenkette
UStG 1973/1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1973/1980 § 4 Nr. 21 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, bildet aufgrund staatlicher Ermächtigung Praktikanten in der Krankengymnastik aus.
Die Ausbildung zum Krankengymnasten umfaßt neben einem zweijährigen mit einer Prüfung abzuschließenden Lehrgang eine sich daran anschließende praktische Tätigkeit von einem Jahr. Der Praktikant muß nach der Prüfungsordnung mindestens vier Monate auf einer chirurgischen oder orthopädischen Abteilung ableisten.
Weil die Klägerin diese Ausbildungsvoraussetzung nicht selbst erfüllen konnte, vereinbarte sie mit einem Krankenhaus, gegen Entgelt die krankengymnastische Betreuung der Patienten der chirurgischen Klinik einschließlich der unfallchirurgischen Abteilung dieses Krankenhauses durch Krankengymnasten und Krankengymnastikpraktikanten ihrer Gesellschaft zu übernehmen. Dementsprechend leisteten die Praktikanten die viermonatige praktische Tätigkeit auf einer chirurgischen oder orthopädischen Abteilung nicht bei der Klägerin, sondern aufgrund der Vereinbarung in dem Krankenhaus ab.
Die Ausbildungsverträge mit den Praktikanten waren jeweils auf ein Jahr befristet und umfaßten auch die im Krankenhaus abzuleistenden vier Monate. Die Praktikanten behielten während dieser Zeit ihren Vergütungsanspruch gegen die Klägerin. Die Klägerin erteilte dem Krankenhaus in den Streitjahren (1978 bis 1983) jeweils Rechnungen über die Gestellung von Krankengymnasten bzw. Krankengymnastikpraktikanten, die vom Krankenhaus beglichen wurden. Ihre hieraus erzielten Umsätze erklärte die Klägerin nicht.
Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung unterwarf der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die für die Überlassung der Praktikanten an die Klägerin gezahlten Entgelte der Umsatzsteuer und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung aus, die durch das Abstellen der Praktikanten erzielten Umsätze seien gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980 steuerbefreit. Unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck diene auch die Überlassung der Auszubildenden an einen Dritten zwecks Fortführung der Ausbildung. Jede die Aus- oder Fortbildung vermittelnde Tätigkeit, die erforderlich sei, um das mit Abschluß der Bildungsmaßnahmen erstrebte Bildungsziel zu erreichen, sei steuerbefreit.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision, mit der das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Es fehle - so bringt es vor - ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Entgelt und Berufsausbildung; denn das Krankenhaus zahle an die Klägerin für die Gestellung der Krankengymnastikpraktikanten. Es finde ein Leistungsaustausch zwischen Klägerin und Krankenhaus statt und nicht - wie für § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1973/1980 erforderlich - ein Leistungsaustausch zwischen Klägerin und Praktikant im Rahmen der Ausbildung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die Klägerin mit der Gestellung der Krankengymnastikpraktikanten eine steuerbare Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973/1980 an das Krankenhaus ausgeführt hat.
Diese Leistung beruhte nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, auf einem gegenseitigen Vertrag mit dem Krankenhaus. Die Klägerin stellte dem Krankenhaus ihre Praktikanten zur Verfügung, um die vereinbarte Gegenleistung - das Entgelt - zu erhalten (vgl. zu den Voraussetzungen Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495).
Dabei kann der Senat unerörtert lassen, ob es sich bei diesem gegenseitigen Vertrag um eine echte Arbeitnehmerüberlassung i.S. von Art. 1 § 1 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - AÜG - (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 199/83, BFH/NV 1987, 756 m.w.N.) oder einen drittbezogenen Personaleinsatz aufgrund eines Dienstvertrags mit dem Krankenhaus zwecks krankengymnastischer Betreuung durch die Klägerin handelt (vgl. zur Abgrenzung Bundesarbeitsgericht - BAG -, Urteil vom 30. Januar 1991 7 AZR 497/89, AP Nr. 8 zu § 10 AÜG, Der Betrieb - DB - 1991, 2342 m.w.N.); denn es liegt in jedem Fall ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vor, aufgrund dessen die Klägerin die vom Krankenhaus geschuldeten Entgelte im eigenen Namen und für eigene Rechnung und damit nicht als durchlaufende Posten vereinnahmt hat (zu den Voraussetzungen durchlaufender Posten im einzelnen Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz. 155ff. m.w.N.).
2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil die umsatzsteuerbaren Leistungen der Klägerin entgegen der Auffassung des FG steuerpflichtig sind. Die Umsätze sind nicht gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1973/1980 steuerfrei.
Nach dieser Vorschrift sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit.
Nach der Senatsentscheidung vom 26. Oktober 1989 V R 25/84 (BFHE 158, 488, BStBl II 1990, 98) setzt die Unmittelbarkeit i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1973/ 1980 eine Leistung voraus, durch die der Zweck gefördert oder erfüllt wird, ohne daß eine Leistung dazwischengeschaltet ist. Der Schul- und Bildungszweck muß gerade durch die in Frage stehende Leistung erfüllt werden (vgl. BFH-Urteile vom 17. März 1981 VIII R 149/76, BFHE 133, 557, BStBl II 1981, 746; vom 12. Dezember 1985 V R 15/80, BFHE 146, 181, BStBl II 1986, 499).
Ausbildungsleistungen erbringt die Klägerin an ihre Praktikanten; denn sie verschafft ihnen im Rahmen ihrer Ausbildung die Möglichkeit, vier Monate auf einer chirurgischen oder orthopädischen Abteilung abzuleisten. Um diese unmittelbar dem Schulzweck dienenden Leistungen geht es im Streitfall indes nicht; die Klägerin führt darüber hinaus aufgrund eines von den Ausbildungsverträgen rechtlich selbständigen gegenseitigen Vertrags zugleich Leistungen an das Krankenhaus aus, indem sie diesem ihre Krankengymnastikpraktikanten gegen Entgelt überläßt. Diese Leistungen sind auch umsatzsteuerrechtlich gesondert zu behandeln; sie sind weder Teil der Ausbildungsleistung noch bilden sie einen einheitlichen Vorgang mit der Ausbildung. Dem Krankenhaus sollte der Nutzen dieser Leistungshandlung zukommen. Es mußte nicht selbst seine Patienten krankengymnastisch betreuen und ersparte sich hierdurch Kosten. An dieser selbständig zu beurteilenden Leistung gegenüber dem Krankenhaus ändert sich auch nichts dadurch, daß sie mit der Ausbildungsleistung gegenüber den Praktikanten verbunden und den Ausbildungszwecken dienlich ist (vgl. dazu im einzelnen Senatsurteil in BFHE 158, 488, BStBl II 1990, 98).
3. Der Senat kann die Sache selbst entscheiden. Die Klage gegen die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide war abzuweisen.
Fundstellen