Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuerpflicht einer von dem früheren Arbeitgeber des Erblassers gezahlten Hinterbliebenenrente
Leitsatz (NV)
1. Nach der Rechtsprechung des BFH unterliegen neben den gesetzlich geregelten Versorgungsbezügen auch vertraglich vereinbarte Bezüge des überlebenden Ehegatten eines Arbeitnehmers nicht der Erbschaftsteuer.
2. Eine Hinterbliebenenrente beruht regelmäßig dann nicht auf einem Arbeits- oder Dienstverhältnis, wenn der Erblasser neben seiner Stellung als Arbeitnehmer auch als Gesellschafter an der Arbeitgeberin nicht nur geringfügig beteiligt war.
3. Eine Hinterbliebenenrente beruht -- unabhängig von der Höhe der Gesellschaftsbeteiligung des Erblassers -- auch dann nicht auf einem früheren Arbeitsverhältnis, wenn nach der maßgeblichen gesellschaftsvertraglichen Regelung die Rentenzahlungen an die Witwe ausschließlich zu Lasten des auf die Erben übergegangenen Gesellschaftsanteils erfolgen sollen und weder die frühere Arbeitgeberin des Erblassers noch die übrigen Gesellschafter belastet werden.
Normenkette
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Am 16. Dezember 1990 verstarb A (Erblasser). Er wurde von seinen drei Kindern beerbt; zugunsten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), seiner Frau, hatte er Vermächtnisse ausgesetzt. Daneben erhielt die Klägerin nach dem Ableben des Erblassers lebenslang einen Anspruch auf Zahlung einer Rente gegen die Firma B-KG, an der der Erblasser als Kommanditist mit einer Einlage von 625 000 DM zu 12,5 v.H. am Gesellschaftsvermögen beteiligt gewesen war.
Der Erblasser hatte 1947 bei der B-KG als Schlosser angefangen. 1948 übernahm ihn das Unternehmen als Betriebsingenieur in das Angestelltenverhältnis; vom 1. Juni 1949 bis zum 30. September 1961 war er als Betriebsleiter bei der B-KG tätig. Für seine Tätigkeit erhielt er ein Gehalt und war als Arbeiter bzw. Angestellter sozialversichert. Zum 1. März 1951 wurde der Erblasser als Kommanditist in die B-KG aufgenommen.
Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 21. Juni 1958 waren an der B-KG C als Komplementär mit einem Anteil von 75 v.H., dessen Sohn, D, sowie der Erblasser jeweils als Kommanditist mit einem Anteil von je 12,5 v.H. beteiligt. Die Geschäftsführungsbefugnis oblag ausschließlich dem persönlich haftenden Gesellschafter. In §9 dieses Vertrages hatten die Gesellschafter eine sogenannte "Gewinngarantie" vereinbart, mit der den Witwen der Gesellschafter "vom Todestage" ihrer Ehemänner ab ein "monatlich vorauszahlbarer Mindestgewinn in Höhe eines Zwölftels von 80% der Jahresbezüge des bestbezahlten Angestellten der Gesellschaft garantiert" wurde. Dieser "Mindestgewinn" sollte mit dem den Witwen jeweils zustehenden Gewinnanteil verrechnet und, soweit dieser nicht ausreichte, dem Kapitalkonto belastet werden. Sollten Guthaben nicht mehr vorhanden sein, sollte der geschäftsführende Gesellschafter die Zahlungen übernehmen.
Diese Vereinbarungen wurden in einer späteren Fassung des Gesellschaftsvertrages vom 15. Dezember 1988 modifiziert. Danach sollte die "derzeitige Ehefrau" des Erblassers (die Klägerin) nach dessen Ableben "eine monatliche ... Zahlung in Höhe des jeweiligen Bruttogehaltes, den der höchstbezahlte kaufmännische Angestellte der Tarifgruppe K 6 des für das Unternehmen maßgebenden Tarifvertrages ... bezieht", erhalten. Hierzu wurde weiter folgendes vereinbart:
"Diese Zahlung wird zu Lasten des Gewinnanteils gezahlt, der insgesamt auf die Gesellschafter des Stammes A entfällt ... Den Gesellschaftern des Stammes A wird der um die Zahlung gekürzte Gewinnanteil gutgeschrieben.
Reicht der Gewinnanteil der Gesellschafter des Stammes A nicht aus, um die Zahlung zu decken, erfolgt die monatliche Zahlung zu Lasten der Darlehenskonten der Gesellschafter des Stammes A. ... Weist ein oder weisen mehrere Darlehenskonten der Gesellschafter des Stammes A kein Guthaben auf, wird die auf sie entfallende anteilige monatliche Zahlung dem Kapitalkonto derjenigen Gesellschafter belastet, deren Darlehenskonto kein Guthaben aufweist.
Die Belastung der Kapitalkonten des Stammes A erfolgt jedoch höchstens jeweils bis zu einem Betrag von 50% der Kapitalkonten. ... Soweit nur bei einem Teil der Gesellschafter des Stammes A die Grenze von 50% erreicht ist, erfolgt die Belastung der Zahlung in vollem Umfang auf den Kapitalkonten derjenigen Gesellschafter des Stammes A, bei denen die Grenze von 50% noch nicht erreicht ist.
Die Zahlung ... entfällt, sofern und soweit bei allen Gesellschaftern des Stammes A die Grenze von 50% erreicht ist ...
Die Regelung ... stellt einen Vertrag zugunsten Dritter (§328 BGB) dar. Sie kann nur mit schriftlicher Zustimmung der derzeitigen Ehefrau des Gesellschafters A aufgehoben werden."
Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen bezog die Klägerin nach dem Erbfall in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 1991 eine monatliche Zahlung von 3 084 DM sowie in der Zeit vom 1. Juni 1991 bis 28. Februar 1993 eine monatliche Zahlung von 3 565 DM.
Durch Vertrag vom 16. Dezember 1992/19. Februar 1993, der für den Fall der Übertragung der Kommanditbeteiligung durch die Kinder des Erblassers geschlossen wurde, verpflichtete sich die B-KG der Klägerin gegenüber in Abänderung der gesellschaftsvertraglichen Abreden eine lebenslängliche, währungsgesicherte, monatliche Rente in Höhe von 2 500 DM zu zahlen, für die der persönlich haftende Gesellschafter die selbstschuldnerische Bürgschaft übernahm.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte durch Bescheid vom 7. Juli 1994 Erbschaftsteuer in Höhe von 88 500 DM gegen die Klägerin fest. Dabei berücksichtigte das FA auch den Kapitalwert der Zahlungen der B-KG an die Klägerin, den es mit 398 476 DM ermittelte.
Mit ihrem Einspruch wandte sich die Klägerin u.a. gegen die Annahme des FA, bei den Zahlungen der B-KG handele es sich um einen steuerpflichtigen Erwerb. Der Einspruch hatte aus anderen Gründen teilweisen Erfolg. Das FA ermäßigte durch Entscheidung vom 3. April 1995 die Steuer auf 87 650 DM.
Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, die Zahlungen der B-KG als nicht steuerbare Versorgungsleistungen aus dem früheren Arbeitsverhältnis des Erblassers bei der B-KG nicht zu berücksichtigen und die Erbschaftsteuer auf 40 846 DM zu ermäßigen. Die Rente beruhe ausschließlich auf der Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes bei der B-KG. Der persönlich haftende Gesellschafter der B-KG habe ihren Ehemann durch die Verleihung der Kommanditistenstellung als Angestellten an das Unternehmen binden wollen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Zahlungen der B-KG an die Klägerin seien nicht Ausfluß der Arbeitnehmertätigkeit des Erblassers, sondern beruhten -- wie sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe -- auf seiner früheren Kommanditistenstellung. Dies werde dadurch besonders deutlich, daß die Zahlungen aus den Gewinnanteilen bzw. zu Lasten der Kapital- bzw. Darlehnskonten erfolgen sollten.
Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 356 veröffentlicht.
Mit der Revision wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Einbeziehung der Zahlungen der B-KG in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer. Es handele sich insoweit um eine Gegenleistung für die Tätigkeit des Erblassers in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der B-KG. Dieser habe angesichts seiner Beteiligung von 12,5 v.H. und der unbeschränkten Geschäftsführungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafter nur einen wirtschaftlich unbedeutenden Einfluß in der B-KG gehabt.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt die Klägerin ungenügende Sachverhaltsaufklärung durch das FG hinsichtlich der Arbeitnehmerstellung des Erblassers. Bei ausreichender Aufklärung des Sachverhalts sei zugunsten der Klägerin zu unterstellen, daß ausschließlich die Tätigkeit des Erblassers als Betriebsleiter der B-KG die Ursache für den ihr zustehenden Rentenanspruch sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheides vom 7. Juli 1994 und der Einspruchsentscheidung vom 3. April 1995 die Erbschaftsteuer auf 40 846 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Die von der Klägerin erhobene Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung durch das FG greift nicht durch. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung der Entscheidung ab (vgl. Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --).
2. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Zahlungen der B-KG an die Klägerin steuerpflichtige Vermögensvorteile auf Grund eines Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall i.S. von §3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG 1974) sind. Der Auffassung der Klägerin, die Steuerpflicht entfalle im Hinblick darauf, daß es sich um den Erwerb einer Rente durch die Witwe eines Arbeitnehmers oder einer Person handele, die einem Arbeitnehmer gleichzustellen sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfaßt §3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 nicht gesetzlich geregelte Versorgungsbezüge des überlebenden Ehegatten, z.B. Hinterbliebenenbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz oder nach den Sozialversicherungsgesetzen. Im Hinblick darauf hat der Senat unter Würdigung der historischen Entwicklung des Erbschaftsteuerrechts auch vertraglich vereinbarte Bezüge des überlebenden Ehegatten eines Arbeitnehmers von der Erbschaftsteuer freigestellt (vgl. die Senatsurteile vom 27. November 1974 II 175/64, BFHE 115, 540, BStBl II 1975, 539; vom 20. Mai 1981 II R 11/81, BFHE 133, 426, 429, unter 4., BStBl II 1981, 715; vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322). Er ist dabei davon ausgegangen, daß es nicht dem objektivierten Willen des Gesetzgebers entspreche, die auf einem Arbeits- oder Dienstvertrag beruhenden (aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter gezahlten) Renten an den überlebenden Ehegatten der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. An dieser Auffassung hält der Senat fest.
Der Senat hat eine Hinterbliebenenrente regelmäßig dann nicht als auf einem Arbeits- oder Dienstverhältnis beruhend angesehen, wenn der Erblasser neben seiner Stellung als Arbeitnehmer auch als Gesellschafter an der Arbeitgeberin nicht nur geringfügig beteiligt war (vgl. hierzu Urteil in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322). Im Streitfall kann offenbleiben, ob der Senat der Auffassung des FG folgen könnte, daß allein schon die Gesellschafterstellung des Erblassers (Kommanditbeteiligung in Höhe von 12,5 v.H.) ausreicht, um die Steuerpflicht des Rentenanspruchs der Klägerin zu begründen. Denn dieser beruht im Streitfall schon deshalb nicht auf dem früheren Arbeitsverhältnis des Erblassers zur B-KG, weil nach der maßgeblichen gesellschaftsvertraglichen Regelung die Rentenzahlungen an die Klägerin ausschließlich zu Lasten des auf die drei Kinder übergegangenen Gesellschaftsanteils erfolgten und weder die frühere Arbeitgeberin des Erblassers noch die übrigen Gesellschafter belasteten.
Auf einem Arbeits- oder Dienstvertrag des Erblassers beruhen Bezüge Hinterbliebener nur dann, wenn sie durch die Arbeitsleistung des Erblassers als Angestellter oder Bediensteter erdient wurden, so daß sie nachträglich gezahltes Arbeitsentgelt darstellen. Allein aus dem Umstand, daß die frühere Arbeitgeberin des Erblassers zur Zahlung der Rente verpflichtet ist, folgt noch nicht ohne weiteres, daß damit Ansprüche des Erblassers aus dem früheren Arbeitsverhältnis erfüllt werden. Dies erfordert vielmehr, daß die Rente an die Hinterbliebenen das Vermögen des früheren Arbeitgebers des Erblassers auch tatsächlich belastet. Kann -- wie im Streitfall -- die rechtlich zur Zahlung verpflichtete frühere Arbeitgeberin des Erblassers sich ihrerseits Ausgleich zu Lasten der in die Gesellschafterstellung eingerückten Erben -- durch Verrechnung mit Gewinnauszahlungs- oder Darlehnsforderungen oder mit den Kapitalkonten -- verschaffen und ist sie nur zur Zahlung verpflichtet, soweit die Gesellschaftsanteile der Erben einen solchen Ausgleich zulassen, erfüllt sie keine Verpflichtungen aus dem früheren Arbeitsverhältnis mit dem Erblasser. Die Rentenzahlungen stammen vielmehr aus dem auf die Erben übergegangenen Vermögen des Erblassers, der sich hinsichtlich der Auszahlung der Rente zu Lasten der Gesellschaftsanteile der Erben lediglich seiner früheren Arbeitgeberin bedient.
Im Streitfall beruhen danach die Zahlungen der B-KG an die Klägerin nicht auf einem Arbeits- oder Dienstverhältnis, sondern sind Ausfluß der -- auf die Erben übergegangenen -- Gesellschafterstellung des Erblassers. Denn sie sollten nach der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblichen Fassung des Gesellschaftsvertrages der B-KG vom 15. Dezember 1988 "zu Lasten des Gewinnanteils bzw. zu Lasten der Darlehns- bzw. Kapitalkonten" erbracht werden und gänzlich entfallen, wenn 50 v.H. der Kapitalkonten aufgezehrt sind. Danach brauchte die B-KG zu Lasten ihres eigenen Vermögens Zahlungen an die Klägerin nicht zu erbringen. Dieser Umstand schließt -- wie oben dargelegt -- die Annahme aus, bei diesen Zahlungen handele es sich um durch Arbeitsleistung des Erblassers erdiente Versorgungsbezüge.
Für diese Beurteilung allein maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). Deshalb kommt weder der früheren Fassung des Gesellschaftsvertrages der B-KG vom 21. Juni 1958, die noch bezüglich der dort vereinbarten "Gewinngarantie" eine Eintrittspflicht des persönlich haftenden Gesellschafters vorsah, noch der späteren Vereinbarung zwischen der B-KG und der Klägerin vom 16. Dezember 1992/19. Februar 1993 Bedeutung zu.
Auch der Hinweis der Klägerin, dem Erblasser sei der Kommanditanteil an der B-KG ausschließlich im Hinblick auf seine Stellung als Arbeitnehmer übertragen worden, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Entscheidend kann vielmehr nur sein, daß die Kommanditbeteiligung Vermögen des Erblassers darstellte, aus dem die Rentenzahlungen an die Klägerin vorgenommen werden sollten. Auf die Motive für den Erwerb des Kommanditanteils kommt es insoweit nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 55241 |
BFH/NV 1999, 311 |
DStRE 1999, 401 |
HFR 1999, 186 |
ZEV 1999, 115 |