Leitsatz (amtlich)
Zur Tarifierung eines Spezialkraftwagens.
Normenkette
ZTG § 16
Tatbestand
Streitig ist die Tarifierung eines "Spezialkraftwagens", einer neuen amerikanischen Spezialkonstruktion. Der Kraftwagen ist hauptsächlich aus Eisen hergestellt, gelb gestrichen, gummibereift, 10,2 m lang, 3,6 m breit und 3 m hoch. Er besteht aus zwei Teilen, einem einachsigen Vorderteil mit Dieselmotor und Führersitz und aus einem ebenfalls einachsigen Fördergerät (Ladeteil), das durch Verschrauben gelenkig (drehbar) mit dem Vorderteil verbunden ist. Das sog. Fördergerät ist eine große Mulde mit einer Bodenklappe, die vom Führersitz aus elektrisch betätigt wird. Die Ladefähigkeit der Mulde beträgt 18 to. Das Fahrzeug wird durch Druckknopfschaltung elektrisch gesteuert. Es wird ausschließlich auf Baustellen eingesetzt, da es infolge seiner Breite nicht geeignet ist, auf öffentlichen Wegen zu fahren. Es dient dazu, Erdmaterialien (Kies, Sand usw.) vom Aushubplatz bis zum Schüttungsort zu befördern. Die Bodenklappe des Fahrzeugs erlaubt durch ihre Regulierbarkeit eine genau abgemessene Schüttung in kleinen Lagen und gleichmäßige Verteilung des Schüttgutes. Dieser Sachverhalt ist unbestritten.
Die Vorinstanz hat diesen Spezialkraftwagen mit der verbindlichen Zollauskunft vom 5. März 1952 und mit dem zu ihr ergangenen Einspruchsbescheid auf Grund der Erläuterungen zum Zolltarif von 1951 als Lastkraftwagen angesehen und der Tarif-Nr. 8702 A zugewiesen (Zollsatz: autonom 35 %, vertragsmäßig 30 % des Wertes).
Die Beschwerdeführerin beanstandet diese Tarifierung, weil sie dem Wesen dieses Fahrzeugs nicht Rechnung trage, und beantragt, es entweder als Motorschlepper der Tarifnr. 8701 (Zollsätze 10, 15, 20 %) oder als Spezialkraftwagen der Tarifnr. 8703 D 2 (Zollsatz 12 %) oder als Maschine für Erdarbeiten (Bodenverteiler) der Tarifnr. 8461 B (Zollsatz 15 %) zuzuweisen. Im übrigen wiederholt die Beschwerdeführerin mit der Rechtsbeschwerde im wesentlichen die Einwendungen, die sie bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen hat. Sie weist besonders darauf hin, daß unter die Tarifnr. 8702 A (Lastkraftwagen) nur karossierte und vollständige Kraftwagen gehörten und keines dieser Merkmale auf ihr Gerät zutreffe. Es sei "kein karossierter und kein vollständiger Kraftwagen", sondern es sei "ein einachsiger Schlepper, dem ein Erdbaugerät angehängt" sei. Dieses Erdbaugerät nehme nicht nur die Lasten auf, sondern diene auch der Bodenverteilung und werde besonders beim Schütten der Dämme nutzbringend verwendet. Die von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren auch verlangte Zuweisung der Ware als Landmaschine oder landwirtschaftliches Gerät zur Aufbereitung, Bearbeitung und Bestellung des Bodens der Tarifnr. 8423 B (Zollsatz 12 % des Wertes), die von der Vorinstanz zutreffend abgelehnt worden ist, hat sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Nach Ziff. 2 der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften des Zolltarifs ist für die Auslegung eines Warenbegriffes die Verkehrsanschauung maßgebend, wenn der Tarif keine Begriffsbestimmung enthält. Der Tarif enthält für die im vorliegenden Falle in Frage kommenden Warenbegriffe: Motorschlepper, Lastwagen, Spezialkraftwagen und Maschinen und Apparate für Erdarbeiten mit Ausnahme der Begriffsbestimmung für Motorschlepper keine Begriffsbestimmung. Nach der Anmerkung zur Tarifnr. 8701 sind Motorschlepper Kraftfahrzeuge, die nicht zur Beförderung von Personen oder Waren, sondern zum Ziehen oder Schleppen eingerichtet sind. Dies trifft auf den in Betracht kommenden Kraftwagen nicht zu; denn bei ihm wird, wie die Vorinstanz festgestellt hat, die Last von den beiden Achsen getragen und befördert, aber nicht gezogen. Die Vorinstanz hat infolgedessen zutreffend diese Tarifnr. nicht angewendet. Es bleibt deshalb infolge des Fehlens einer Begriffsbestimmung für die übrigen, in Betracht kommenden Warenbegriffe nur übrig festzustellen, ob der Kraftwagen nach der Verkehrsanschauung als ein Lastwagen im Sinne der Tarifnr. 8702 A oder als ein Spezialkraftwagen im Sinne der Tarifnr. 8703 oder als eine Maschine oder Apparat für Erdarbeiten im Sinne der Tarifnr. 8461 anzusehen ist. Die Vorinstanz hat diese Feststellungen nicht getroffen, sondern den Kraftwagen auf Grund der Erläuterungen zum Zolltarif, die für die Vorinstanz als Verwaltungsanweisung bindend sind, als Lastkraftwagen der Tarifnr. 8702 A unterstellt. Für den Bundesfinanzhof als oberstes Steuergericht sind aber die Erläuterungen nicht bindend, sondern nur die Vorschriften des Zolltarifs selbst, weil die Erläuterungen noch nicht Gesetzeskraft haben. An dieser Rechtslage wird auch dadurch nichts geändert, daß auch die Erläuterungen zum Zolltarif die Verkehrsanschauung berücksichtigen sollen, und daß sie neben anderen Gründen auch aus diesem Grunde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und den beteiligten Wirtschaftsverbänden nach eingehenden Erörterungen herausgegeben worden sind. Die Erläuterungen sind, wie dem Senat bekannt ist, deshalb nicht sofort als verbindliche Durchführungsvorschriften gemäß § 18 des Zolltarifgesetzes durch Rechtsverordnung, sondern nur als innere Verwaltungsanweisung erlassen worden, damit es möglich ist, im Verwaltungswege Begriffsbestimmungen zu ändern oder zu ergänzen, wenn sich z. B. bei ihrer praktischen Anwendung Schwierigkeiten ergeben oder neue Warentypen festgestellt werden sollten oder die Verkehrsanschauung, die sich infolge des Fortschritts von Technik und Verkehr und aus anderen Gründen im Laufe der Zeit ändern kann, nicht zutreffend wiedergegeben sein sollte.
Selbst wenn die Erläuterungen aber gelten würden, so würden Bedenken bestehen, den Kraftwagen auf Grund der Erläuterungen der Tarifnr. 8702 zuzuweisen. Nach den Erläuterungen zur Tarifnr. 8702 umfaßt diese Tarifnr. nur "karossierte und vollständige Kraftwagen". Unter karossiert versteht man mit Karosserien versehene Kraftwagen. Das dürfte bei dem in Betracht kommenden Kraftwagen nicht der Fall sein (vgl. Erläuterungen zur Tarifnr. 8705 Ziff. 1). Es kann dies aber dahingestellt bleiben, denn maßgebend ist, wie oben ausgeführt, allein die Verkehrsanschauung. Es wird zunächst zu prüfen sein, ob der Kraftwagen, was naheliegt, nach der Verkehrsanschauung als ein Spezialkraftwagen im Sinne der Tarifnr. 8703 anzusehen ist. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist weiter zu prüfen, ob er nach der Verkehrsanschauung ein Lastkraftwagen im Sinne der Tarifnr. 8702 A oder eine Maschine oder ein Apparat für Erdarbeiten im Sinne der Tarifnr. 8461 ist. Sollte er nach der Verkehrsanschauung auch unter keinen dieser beiden Begriffe fallen, so würde er als eine im Zolltarif weder genannte noch inbegriffene Ware nach § 16 des Zolltarifgesetzes zu tarifieren sein.
Die angefochtene Entscheidung mußte aus diesem Grunde aufgehoben und die nicht spruchreife Sache zur erneuten Prüfung der Tariffragen (Feststellung der Verkehrsanschauung) an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Bei der Feststellung der Verkehrsanschauung sind von der Vorinstanz die grundsätzlichen Ausführungen des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 25. Juni 1953 V z 150/52 S, Bundessteuerblatt 1953 Teil III S. 254 zu beachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 318 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO), die Entscheidung über die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 320 Abs. 3 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 407777 |
BStBl III 1953, 355 |
BFHE 1954, 167 |
BFHE 58, 167 |