Entscheidungsstichwort (Thema)
Steueranpassungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Der Erbe kann die Erschöpfungseinrede gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts geltend machen.
Orientierungssatz
Erschöpfungseinrede des Erben
Normenkette
StAnpG § 8; BGB §§ 1990, 1994, 2013
Tatbestand
Gegenstand des Streites ist die Pfändung einer Forderung des Bf. in Höhe von … DM wegen Vermögensabgabe seiner verstorbenen Schwester. Diese hatte ihn durch notarielles Testament zum alleinigen Erben ihres gesamten Vermögens eingesetzt, dieses gesamte Vermögen aber später – ohne Wissen des Bf. – durch notariellen Vertrag an Dritte veräußert. In diesem Vertrage haben die Erwerber des Vermögens u.a. die Verpflichtung übernommen, nach dem Tode der Schwester des Bf. an diesen … DM zur Abgeltung seiner künftigen Ansprüche gegen deren Nachlaß zu zahlen.
Die Vorinstanz, deren Entscheidung in der Deutschen Steuer-Zeitung Ausgabe B 1957 S. 523 abgedruckt ist, hat die Beschwerde gegen die Pfändungsverfügung als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.), mit der die Nichtanwendung bestehenden Rechtes, nämlich der nach § 350 AO anzuwendenden Vorschriften der ZPO über die Unpfändbarkeit in § 811 Ziff. 2 und Ziff. 8 und § 850 b Abs. 1 Ziff. 3, und unrichtige Anwendung des § 7 StAnpG gerügt wird, da das FG den Begriff des steuerrechtlichen Gesamtschuldverhältnisses verkannt habe. Hilfsweise wird vorgetragen, daß die in dem notariellen Vertrag enthaltene Vereinbarung bezüglich der Zahlung von … DM an den Bf. als ein Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich des Bf. angesehen werden müsse, woraus sich ergebe, daß der Betrag von … DM nicht zum Nachlaß der Erblasserin gehört habe und dem Bf. somit auch nicht als Erbe oder Vermächtnisnehmer zugeflossen sei. Der Bf. habe in dem Verfahren vor dem FG dargelegt, daß er keine Vermögensgegenstände geerbt habe. Das FG habe die rechtliche Bedeutung dieses Vorbringens als Erschöpfungseinrede im Sinne des § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB, der nach § 8 Abs. 2 StAnpG auch im Steuerrecht Anwendung finde, verkannt. Der Bf. hafte auf Grund der erhobenen Erschöpfungseinrede nur beschränkt mit dem Nachlaß, der lediglich aus Schulden bestanden habe, weil der Betrag von … DM nicht zum Nachlaß gehört habe. In Verkennung dieser Rechtslage habe das FG demzufolge auch im Ergebnis die Vorschriften der §§ 2013, 1994 BGB, deren Voraussetzungen nach dem klaren Inhalt der Akten nicht gegeben seien, weil das FA als Nachlaßgläubigerin die Errichtung eines Inventars beim Nachlaßgericht nicht beantragt habe, rechtsirrtümlich angewandt und sei deshalb zu einem rechtlich unzutreffenden Ergebnis gelangt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Ausgangspunkt der Vorentscheidung ist, daß der Bf. auf Grund des Testaments Erbe und auf Grund des notariellen Vertrags Vermächtnisnehmer sei und daß ihm aus dem Nachlaß … DM zugeflossen seien. Der Auffassung des FG über die Vermächtnisnehmereigenschaft des Bf. kann nicht gefolgt werden; sie beruht auf einer Verkennung der rechtlichen Natur der in dem notariellen Vertrag enthaltenen Vereinbarung bezüglich der Zahlung von … DM an den Bf. Wie dieser zutreffend ausführt, handelt es sich bei dieser Vereinbarung um einen Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich des Bf. Daß dieser unmittelbar das Recht erworben hat, nach dem Tode seiner Schwester die Leistung, nämlich die Zahlung von … DM zu fordern, kann, da die Vereinbarung lediglich in seinem Interesse getroffen wurde (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 20. Aufl., § 328 Anm. 2) und da die Leistung von den Übernehmern des Vermögens der Schwester zum Zwecke der Abfindung des Bf. versprochen wurde (§ 330 Satz 2 BGB), nicht zweifelhaft sein. Daraus ergibt sich aber, daß das auf solche Weise zugeflossene Recht nicht zum Nachlaß gehörte und daher auch dem Zugriff der Nachlaßgläubiger entzogen war (§§ 328, 331 BGB; Palandt, a.a.O., § 331 Anm. 1 I a, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 51 S. 404).
Der Bf. hat geltend gemacht, daß er keine Vermögensgegenstände geerbt habe. Diese seine Erklärung kann, da feststeht, daß seine Schwester ihr gesamtes Vermögen vor ihrem Tode veräußert hat, eine Nachlaßsumme also offensichtlich überhaupt nicht vorhanden war, rechtlich nur, wie der Bf. zutreffend vorträgt, als Erschöpfungseinrede im Sinne des nach § 8 StAnpG auch im Steuerrecht anzuwendenden § 1990 Abs. 1 BGB gewertet werden (vgl. auch Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 58 S. 128), die den Bf. als Erben berechtigte, die Befriedigung des FA als Nachlaßgläubiger zu verweigern, es sei denn, daß dieses, was es im Streitfall unstreitig nicht getan hat, beim Nachlaßgericht die Errichtung eines Inventars beantragt und der Bf. dieses nicht innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Frist errichtet hätte (§§ 1994, 2013 BGB).
Da die Vorentscheidung die Rechtslage verkannt hat, waren ihre Entscheidung und die Pfändungsverfügung des FA aufzuheben.
Fundstellen