Anglo-amerikanischer Trusts als Nachlassvermögen

Hat sich der Errichter einer ausländischen Vermögensmasse solche umfassenden Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber darüber nicht tatsächlich und frei verfügen kann, bleibt dieses Vermögen solches des Errichters.

Hintergrund: Vermögensübertragung auf einen Trust

Streitig war, ob das in einen Trust eingebrachte Vermögen auf diesen übergegangen ist oder ob die Erblasserin weiterhin Inhaberin des Vermögens geblieben ist und dieses als zum Nachlass gehörend der ErbSt zu unterwerfen ist.

X ist Miterbe zu ½ nach seiner in 2005 verstorbenen Mutter (Erblasserin), die im Inland wohnhaft war.

Der Trust war 1997 nach den gesetzlichen Regeln von Guernsey (britische Kanalinsel) errichtet worden. Gründer waren X und dessen vorverstorbener Bruder. Errichterin war die Erblasserin, mit deren Vermögen der Trust ausgestattet wurde. Die Trustmanagerin hatte ihren Sitz auf Guernsey. Der Trust beteiligte sich zu jeweils 100 % an zwei Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht der British Virgin Islands gegründet waren, ihren Verwaltungssitz in 2005 auf Guernsey hatten und Vermögenswerte in der Schweiz hielten.

Das FA setzte für die ErbSt den Anteil des X an dem Trust als Besitzposten an. Der Trust sei eine unselbständige/transparente Vermögensmasse gewesen und in den Nachlass gefallen.

Dem folgte das FG und wies die Klage ab. Die Vertragsregelungen und die bis zum Tod gelebte Vertragspraxis seien auf eine Kapitalanlage der Erblasserin im Mantel eines Trusts gerichtet gewesen. Sollte die (formal-)rechtliche Vermögensinhaberschaft schon zu Lebzeiten der Erblasserin auf den Trust übergegangen sein, sei die Vermögensübertragung als rechtlich unbeachtliches Scheingeschäft zu qualifizieren.

Entscheidung: Vermögen intransparenter Trusts unterliegt nicht der ErbSt

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zwecks weiterer Feststellungen zum ausländischen Recht an das FG zurück.

Gleichbehandlung von Stiftungen und Trusts

Ist einer Stiftung vor dem Erbfall tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist es nur noch der Stiftung zuzuordnen. Der Tod des Stifters ist insoweit erbschaftsteuerrechtlich nicht von Bedeutung (BFH v. 5.12.2018, II R 9/15, BStBl II 2020, S. 655). Sind jedoch dem Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse vorbehalten, ist das Vermögen weiterhin dem Stifter zuzurechnen. Diese Grundsätze gelten auch für Vermögensmassen ausländischen Rechts einschließlich anglo-amerikanischer Trusts. Hat sich der Errichter der Vermögensmasse derart umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber über das Vermögen nicht tatsächlich und frei verfügen kann, bleibt dieses Vermögen solches des Errichters und steht einem eigenen Bankguthaben gleich (transparenter Trust).

Vorbehalt von Herrschaftsbefugnissen

Die Frage, ob wirksam Herrschaftsbefugnisse vorbehalten wurden, beurteilt sich nach der Rechtsordnung, die die Verhältnisse der Vermögensmasse regelt. Dasselbe gilt für die Frage, ob mit dem Tod des Errichters diese Befugnisse fortbestehen oder ob sie erlöschen und damit der Erbe des Errichters die Rechtszuständigkeit am Vermögen verliert (BFH v. 5.12.2018, II R 9/15, BStBl II 2020, S. 655). Die maßgebende Rechtsordnung bestimmt sich nach dem Internationalen Privatrecht. In Betracht kommen grundsätzlich das Recht des Verwaltungssitzes oder das Recht des Staates, nach dem die Gründung vollzogen wurde. Stellt sich danach heraus, dass eine transparente Vermögensmasse auch über den Tod des Errichters hinaus transparent bleibt, können die einzelnen Vermögensgegenstände auf den Erben übergehen.

Ermittlung des ausländischen Rechts

Das maßgebende ausländische Recht ist nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln (BFH v. 7.12.2017, IV R 23/14, BStBl II 2018, S. 444). Dabei sind nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch deren Anwendung in der Rechtspraxis zu berücksichtigen. Auch die Auslegung richtet sich nach dem ausländischen Recht. §§ 133, 157 BGB sind nicht anwendbar.

Zurückverweisung an das FG

Auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, ob das Vermögen des Trusts zum Nachlass der Erblasserin und damit zur Hälfte zum steuerpflichtigen Erwerb des X gehörte. Soweit das Recht von Guernsey den Trust bestimmt, fehlen Feststellungen, unter welchen Voraussetzungen nach dieser Rechtsordnung dem Errichter (hier der Erblasserin) wirksam Herrschaftsbefugnisse vorbehalten wurden und ob unter diesem Recht etwaige fortbestehende Herrschaftsbefugnisse mit dem Tod des Errichters (hier: Erblasserin) fortbestehen oder erlöschen. Haben die Herrschaftsbefugnisse und damit die Transparenz des Trusts den Tod der Erblasserin überdauert, konnte das im Trust vorhandene Vermögen vererbt werden. Das FG hat diese Festsetzungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Hinweis: Feststellung des ausländischen Rechts

Das ausländische Recht ist als Ganzes, d.h. in seinem systematischen Kontext, mit Hilfe der im ausländischen Rechtssystem gebräuchlichen Methoden und unter Einbeziehung der ausländischen Rechtsprechung und Rechtslehre zu erfassen. Das FG kann dazu amtliche Auskünfte bei Behörden des betreffenden Staates oder bei deutschen Botschaften, Konsulaten und Ministerien einholen oder ein Sachverständigengutachten (z.B. eines wissenschaftlichen Instituts) in Auftrag geben (BFH v. 7.12.2017, BStBl II 2018, S. 444).

Ermessen des FG

Wie das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem Ermessen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen, aber auch den Vortrag der Beteiligten (BFH v. 17.12.2020, VI R 22/18, BFH/NV 2021, S. 758). Die Komplexität ausländischen Rechts entbindet das FG nicht von seiner Ermittlungspflicht. Auch eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Feststellungslast ist in diesem Bereich nicht möglich. Die ausländischen Rechtssätze werden nicht zu Tatsachen (BFH v. 13.6.2013, III R 10/11, BStBl II 2014, S. 706).

Damit erlegt der BFH dem FG sehr weitreichende Pflichten im Hinblick auf die Ermittlung des ausländischen Rechts auf. Die Pflichten treffen entsprechend auch das FA. Da die FÄ häufig nicht über ausreichende Erkenntnisquellen verfügen, dürfte es sich in der Praxis für die Steuerpflichtigen empfehlen, die ihnen eher zugänglichen Unterlagen dem FA zur Verfügung zu stellen.

In zwei Urteilen gleichen Datums (Az. II R 31/19 und im Wesentlichen inhaltsgleich II R 32/19) bekräftigt der BFH ebenfalls die Anwendbarkeit der für Stiftungen geltenden Grundsätze hinsichtlich Transparenz und Intransparenz auf anglo-amerikanische Trusts.

BFH Urteil vom 25.06.2021 - II R 13/19 (veröffentlicht am 07.04.2022)

Alle am 07.04.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.


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