Leitsatz
1. Hat sich der Errichter einer ausländischen Vermögensmasse solche umfassenden Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber darüber nicht tatsächlich und frei verfügen kann, bleibt dieses Vermögen solches des Errichters.
2. Die Ermittlung ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. In welchem Umfang das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen und ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig; der Vortrag der Beteiligten ist zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 8, § 12, § 37 Abs. 1 ErbStG, § 11, § 151 Abs. 4 BewG, § 90 Abs. 2, § 179 AO, § 76 Abs. 1, § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 293, § 560 ZPO
Sachverhalt
Der Kläger ist Miterbe zu ½ nach seiner im Jahr 2005 verstorbenen Mutter, die im Inland wohnhaft war und im Jahr 1997 nach den gesetzlichen Vorschriften von Guernsey einen Trust errichtet hatte. Der Trust war mit ihrem Vermögen ausgestattet worden. Gründer des Trusts waren der Kläger sowie dessen vorverstorbener Bruder. Die Trustmanagerin hatte ihren Sitz auf Guernsey. Der Trust beteiligte sich zu jeweils 100 % an zwei Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht der British Virgin Islands gegründet waren, ihren Verwaltungssitz im Jahre 2005 auf Guernsey hatten und Vermögenswerte in der Schweiz hielten.
Nachdem das FA davon Kenntnis erlangt hatte, rechnete es den Trust dem Nachlass zu und erhöhte die gegenüber dem Kläger festgesetzte ErbSt. Die Klage blieb erfolglos (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23.1.2019, 3 K 41/17, Haufe-Index 13116087, EFG 2019, 982).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers verwies der BFH die Sache an das FG zurück. Das FG sei von unzutreffenden Grundsätzen zur Anwendung ausländischen Rechts ausgegangen. Zur Entscheidung der Frage, ob zu dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb des Klägers auch das seinem Erbteil entsprechende hälftige Vermögen des Trusts gehöre, bedürfe es ergänzender Feststellungen zu den dafür maßgebenden Rechtsordnungen.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der schwierigen Frage, unter welchen Voraussetzungen ein vom Erblasser errichteter ausländischer Trust in den Nachlass fällt und daher der ErbSt unterliegt.
1. Unterliegt ein Erbfall dem deutschen Erbstatut und führt er daher zur Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB, bezieht sich diese auf das vererbbare Vermögen des Erblassers. Ob ein Recht im Todeszeitpunkt noch vorhanden ist und einen Nachlassgegenstand darstellt, ist eine vom Erbstatut zu unterscheidende und kollisionsrechtlich gesondert anzuknüpfende Vorfrage.
a) Hat der Erblasser Vermögen in eine wirksam gegründete, rechtlich selbstständige und intransparente Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.d. §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG ausgegliedert, ist es ihm nicht mehr zuzurechnen und gehört folglich nicht in die Erbmasse. Kann jedoch der Erblasser aufgrund vorbehaltener Befugnisse über das Vermögen weiterhin frei verfügen, ist die Vermögensmasse rechtlich als transparent zu betrachten und das Vermögen dem Erblasser weiter zuzurechnen. Es fällt beim Tod des Erblassers in den Nachlass und ist der Gesamtrechtsnachfolge zugänglich.
b) Das Vermögen einer intransparenten, wirksam gegründeten und rechtlich selbstständigen Stiftung i.S.v. §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen und unterliegt schon deshalb nach inländischem Erbrecht – unabhängig von dem ausländischen Personalstatut der Stiftung – nicht mehr der gesetzlichen Erbfolge oder einer Verfügung von Todes wegen. Ist einer Stiftung vor dem Erbfall tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist es nur noch der Stiftung zuzuordnen. Der Tod des Stifters ist insoweit erbschaftsteuerrechtlich nicht von Bedeutung.
Sind jedoch nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen dem Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen einer ausländischen Stiftung vorbehalten, sodass die Stiftung gehindert ist, über das ihr übertragene Vermögen dem Stifter gegenüber tatsächlich und frei zu verfügen, ist das Vermögen weiterhin dem Stifter zuzurechnen. Herrschaftsbefugnisse in diesem Sinne ergeben sich z.B. durch den Vorbehalt des Stifters in Bezug auf die Entscheidungen über die Anlage und Verwendung des Vermögens, die Möglichkeit, ganz oder teilweise die Rückübertragung des Vermögens zu verlangen, und die Weisungsunterworfenheit der Stiftung und ihrer Organe gegenüber dem Stifter. Der Stifter kann aufgrund seiner Befugnisse über das Vermögen der Stiftung wie über ein eigenes Bankguthaben verfügen. Dies gilt mangels Änderungen der Vereinbarungen oder anderweitiger Zwischenverfügungen bis zum Todeszeitpunkt.
c) Diese Rechtsgrundsätze gelten auch für Vermögensmassen ausländischen Rechts einschließlich anglo-amerikanischer Trusts. Hat sic...