Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösung eines dinglichen Wohnrechts - Erwerb eines Vermögensgegenstandes - Erwerb eines mit dinglichem Nutzungsrecht belasteten Grundstücks
Leitsatz (amtlich)
Zahlungen zur Ablösung eines dinglichen Wohnungsrechtes stellen --nachträgliche-- Anschaffungskosten des Grundstückseigentümers dar.
Orientierungssatz
1. Erwerben eines Vermögensgegenstandes bedeutet das Überführen des Gegenstandes von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht. Die wirtschaftliche Verfügungsmacht wird in der Regel dadurch erlangt, daß "Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten" auf den Erwerber übergehen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastetes Grundstück, so erhält er zunächst ein um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum (vgl. BFH-Urteil vom 10.4.1991 XI R 7, 8/84). Seine Befugnisse als Eigentümer i.S. von § 903 BGB, zu denen u.a. das Recht auf Nutzung des Vermögensgegenstandes zählt, sind beschränkt (vgl. Literatur).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4; HGB § 255 Abs. 1; BGB § 903
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute.
Die Klägerin hatte im Jahre 1978 in Ausübung eines Vorkaufsrechtes das Eigentum an einem mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstück erworben, das mit einem im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrecht an der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung belastet war. Das Wohnungsrecht war von dem Rechtsvorgänger der Verkäuferin des Grundstücks unentgeltlich mit der Maßgabe eingeräumt worden, daß die Wohnberechtigte sich --entsprechend §§ 1093 Abs.1, 1041 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)-- anteilig an den laufenden Erhaltungsaufwendungen für das Gebäude beteiligen sollte.
Nachdem es zwischen der Klägerin und der Wohnberechtigten zu Unstimmigkeiten wegen deren Beteiligung an den Erhaltungsaufwendungen gekommen war, vereinbarten beide im Jahre 1983 (Streitjahr), daß die Wohnberechtigte die Wohnung gegen Zahlung eines Zug um Zug gegen Löschung des Wohnungsrechtes zu leistenden Abfindungsbetrages von 40 000 DM räumte. Dementsprechend zahlte die Klägerin im Juli 1983 an die Wohnberechtigte 40 000 DM und übernahm zusätzlich deren Umzugskosten in Höhe von 1 939,82 DM.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger den Abfindungsbetrag zuzüglich der übernommenen Umzugskosten abzüglich des Guthabens der Wohnberechtigten an dem sog. Hauskonto in Höhe von 10 489,97 DM, mithin 31 449,85 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Abfindung sowie die übernommenen Umzugskosten als nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstücks und ließ nur die darauf entfallenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten zum Abzug zu. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erachtete ebenfalls die Aufwendungen der Klägerin zur Ablösung des Wohnungsrechtes als nachträgliche Anschaffungskosten.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 6 und 9 EStG. Das FG habe die Aufwendungen der Klägerin zu Unrecht als nachträgliche Anschaffungskosten qualifiziert; denn die Ablösezahlungen seien nicht zum Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an der Wohnung im Erdgeschoß des Zweifamilienhauses, sondern lediglich für die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Hausgrundstückes zur Erzielung höherer Einkünfte geleistet worden.
Nachdem das FA während des Revisionsverfahrens einen geänderten, hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages für vorläufig erklärten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erlassen hat, der auf Antrag der Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, beantragen die Kläger sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und weitere 30 821 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat die Zahlungen der Klägerin zur Ablösung des Wohnungsrechts zutreffend als nachträgliche Anschaffungskosten des Hausgrundstücks behandelt.
1. Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs.1 des Handelsgesetzbuches (HGB) diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Erwerben bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Überführen eines Gegenstandes von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht (Beschluß des Großen Senats vom 22.August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, 794 f., BStBl III 1966, 672). Die wirtschaftliche Verfügungsmacht wird in der Regel dadurch erlangt, daß "Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten auf den Erwerber übergehen" (BFH-Urteile vom 28.April 1977 IV R 163/75, BFHE 121, 122, 124, BStBl II 1977, 553, m.w.N.; vom 2.September 1988 III R 53/84, BFHE 154, 413, 416, BStBl II 1988, 1009).
2. Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein mit einem dinglichen Nutzungsrecht belastetes Grundstück, so erhält er zunächst ein um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum (vgl. BFH-Urteil vom 10.April 1991 XI R 7,8/84, BFHE 164, 343, 346, BStBl II 1991, 791). Seine Befugnisse als Eigentümer i.S. von § 903 BGB, zu denen u.a. das Recht auf Nutzung des Vermögensgegenstandes zählt, sind beschränkt (vgl. Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 51.Aufl. 1992, § 903 Rn.27).
Löst der Eigentümer das Nutzungsrecht ab, so beseitigt er die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse und verschafft sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück. Aufwendungen, die hierdurch entstehen, dienen entgegen der Auffassung der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht der Anschaffung des Wirtschaftsgutes "Wohnungsrecht", sondern stellen begrifflich Anschaffungskosten des Vermögensgegenstandes "Grundstück" i.S. von § 255 Abs.1 HGB dar.
Dementsprechend sind Aufwendungen zur Befreiung eines Grundstücks von dinglichen Belastungen in der Rechtsprechung des BFH auch regelmäßig als --nachträgliche-- Anschaffungskosten des Grundstücks angesehen worden (Urteile vom 21.Dezember 1982 VIII R 215/78, BFHE 138, 44, BStBl II 1983, 410: Aufwendungen zur Löschung eines Erbbaurechtes; vom 26.Juni 1991 XI R 4/85, BFH/NV 1991, 681: Zahlung zur Ablösung eines Vermächtnisnießbrauchs durch (Mit-)Erben; vom 28.November 1991 XI R 2/87, BFHE 166, 263, BStBl II 1992, 381: Kosten der Ablösung eines Wohnrechtes eines Miterben).
3. Die hiergegen erhobenen Einwendungen erachtet der Senat nicht für durchgreifend.
a) Unmaßgeblich ist zunächst, ob es sich bei dem abgelösten Nutzungsrecht um ein selbständiges ggf. seinerseits abschreibbares Wirtschaftsgut handelt, ob das Recht mit seiner Ablösung untergeht oder ob das Recht auch nach der Ablösung durch den Eigentümer fortbesteht (vgl. § 889 BGB). Entscheidend ist, daß der Steuerpflichtige Aufwendungen tätigt, um ein einem Dritten zustehendes dingliches Nutzungsrecht abzulösen und so die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse hinsichtlich des Vermögensgegenstandes "Grundstück" zu beseitigen.
b) Auch die steuerrechtliche Behandlung der Abstandszahlung an einen Mieter/Pächter für eine vorzeitige Räumung als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (BFH-Urteile vom 17.Januar 1978 VIII R 97/75, BFHE 124, 445, BStBl II 1978, 337 sowie vom 25.Februar 1975 VIII R 115/70, BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730) steht der Qualifizierung von Ablösezahlungen für dingliche Nutzungsrechte als nachträgliche Anschaffungskosten nicht entgegen; denn mit der Abstandszahlung an einen Mieter/Pächter verschafft sich der Eigentümer lediglich die Möglichkeit, das Grundstück anderweitig zu nutzen. Demgegenüber erwirbt ein Grundstückseigentümer mit der Ablösung einer dinglichen Belastung erstmals die freie Verfügungsbefugnis i.S. von § 903 BGB.
4. Hiernach sind die Aufwendungen der Klägerin für die Ablösung des dinglichen Wohnungsrechts im Streitjahr als nachträgliche Anschaffungskosten des mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks zu qualifizieren und mithin lediglich im Wege der AfA gemäß § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs.4 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Die Frage, ob ein Teil der nachträglichen Anschaffungskosten im Streitfall auf den Grund- und Bodenanteil entfällt, kann im Hinblick auf das gerichtliche Verböserungsverbot dahingestellt bleiben. Das FA hat in der angefochtenen Steuerfestsetzung AfA in Höhe von 2 v.H. von den geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 31 450 DM als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 64374 |
BFH/NV 1993, 21 |
BStBl II 1993, 488 |
BFHE 169, 386 |
BFHE 1993, 386 |
BB 1993, 776 |
BB 1993, 776 (LT) |
DB 1993, 309-310 (LT) |
DStR 1993, 198 (KT) |
DStZ 1993, 153 (KT) |
StE 1993, 62 (K) |