Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Progressionsvorbehalt für das Europagehalt von Lehrern an Europäischen Schulen im Ausland
Leitsatz (NV)
- Das so genannte Europagehalt von Lehrern an Europäischen Schulen im Ausland ist nicht in die Ermittlung des Steuersatzes einzubeziehen.
- § 32b EStG enthält keinen allgemeinen Progressionsvorbehalt für steuerfreie Bezüge, sondern bildet nur unter den dort genannten Voraussetzungen und nur für die dort näher bezeichneten Leistungen bzw. Einkünfte eine (deklaratorische oder konstitutive) Rechtsgrundlage, um diese Leistungen bzw. Einkünfte bei der Berechnung des Steuersatzes zu berücksichtigen.
- Auf einen Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. i.V.m. einem DBA kommt es dann nicht an, wenn eine vom DBA unabhängige speziellere und weiter gehende Steuerbefreiung besteht. Eine solche kann sich auch aus einer Rechtsverordnung ergeben, wenn der Gesetzgeber durch die Ermächtigungsnorm das für die Steuerbegünstigung Grundlegende selbst normiert und der Verordnungsgeber sich im Rahmen der Ermächtigung gehalten hat.
Normenkette
EStG § 32b; EuSchulAuslVorRV § 1
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Im Streitjahr 1995 war die Klägerin an die Europäische Schule Brüssel I abgeordnet. Ihren Wohnsitz in Berlin behielt sie bei und mietete in der Nähe von Brüssel eine Zweitwohnung. Ihr Beamtengehalt wurde vom Landesverwaltungsamt Berlin fortgezahlt. Daneben erhielt die Klägerin nach dem Statut des abgeordneten Personals der Europäischen Schulen ein so genanntes Europagehalt.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr bezog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) das Europagehalt abzüglich damit verbundener Aufwendungen in die Berechnung des Steuersatzes nach § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage unter Hinweis auf § 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Direktoren und Lehrer bei den Europäischen Schulen im Ausland vom 18. August 1995 (im Folgenden Verordnung vom 18. August 1995, BGBl II 1995, 676, BStBl I 1995, 416) statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1475 veröffentlicht.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts (UmwStG) vom 28. Oktober 1994 (EStG a.F., BGBl I 1994, 3267, BStBl I 1994, 839, vgl. nunmehr § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG) i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und Grundsteuern vom 11. April 1967 (DBA-Belgien, BGBl II 1969, 17, BStBl I 1969, 38).
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Die von der Klägerin für ihre Tätigkeit an der Europäischen Schule Brüssel I nach dem Statut des abgeordneten Personals der Europäischen Schulen neben ihrem nationalen Gehalt bezogenen Vergütungen (so genanntes "Europagehalt" bzw. "Europazulage") sind nicht in die Berechnung des Steuersatzes einzubeziehen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 für Lehrkräfte an Europäischen Schulen im Ausland eine Befreiung des so genannten Europagehalts von der Einkommensteuer ohne Progressionsvorbehalt vorsieht und dass diese Regelung des Verordnungsgebers durch die gesetzliche Ermächtigung in Art. 3 des Gesetzes vom 22. Juni 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen i.d.F. des Gesetzes vom 16. August 1980 zu dem Übereinkommen vom 13. Februar 1946 über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen (im Folgenden Gesetz vom 16. August 1980, BGBl II 1980, 941) gedeckt ist.
1. Nach § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 sind die Zulagen, die den Lehrern der in Anwendung des Protokolls über die Gründung Europäischer Schulen vom 13. April 1962 (BGBl II 1969, 1301) im Ausland gegründeten Schulen auf Grund der Vorschriften des Statuts des Lehrerpersonals der Europäischen Schulen in der jeweils geltenden Fassung (im Folgenden Statut) gezahlt werden, von der Einkommensteuer befreit. Die Verordnung trat mit Wirkung vom 1. Januar 1995 in Kraft (§ 2 der Verordnung vom 18. August 1995).
Der Begriff "Zulagen" i.S. des § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 umfasst nicht nur die im Statut ausdrücklich als "Zulagen" bezeichneten Vergütungen, sondern sämtliche Bestandteile der von den Europäischen Schulen gezahlten Gehälter, welche die Lehrkräfte zusätzlich neben ihrem nationalen Gehalt beziehen. Dies ergibt ein Vergleich mit § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Europäischen Schulen in Karlsruhe und München vom 12. August 1985 (BGBl II 1985, 999), Art. 6 Abs. 1 des Abkommens vom 16. Dezember 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Rat der Europäischen Schulen über die Europäischen Schulen in Karlsruhe und München (Zustimmungsgesetz vom 26. August 1998, BGBl II 1998, 2060) und dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 15. Januar 1986 Rs. 44/84 (EuGHE 1986, 47). Dort wird das Merkmal "Zulagen" jeweils in einem umfassenderen Sinn als nach dem Wortlaut des Statuts verstanden, um für Zwecke der Besteuerung zwischen den nationalen Bezügen und den von den Europäischen Schulen gezahlten zusätzlichen Vergütungen zu differenzieren. Dieses weite Verständnis des Begriffs "Zulagen" hat der Verordnungsgeber in § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 übernommen.
Entgegen der Ansicht des FA setzt die Anwendung des § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 auf die so genannten Europagehälter auch nicht voraus, dass die entsprechenden Einkünfte ohne Berücksichtigung dieser Norm steuerpflichtig, d.h. in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen wären. Vielmehr kann sich die Steuerfreiheit der Europazulagen aus zwei unterschiedlichen Vorschriften ergeben, etwa wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) das Besteuerungsrecht insoweit dem anderen Staat zuweist. Grundsätzlich ist dann die weiter gehende Befreiung maßgebend (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 1997 I R 152/94, BFHE 182, 527, BStBl II 1997, 358). Diese Beurteilung steht nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach eine Steuerbefreiung aufgrund des bis zum 31. Dezember 1983 gültigen Montageerlasses (gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25. Juli 1975, BStBl I 1975, 944) nicht eingreift, wenn die ausländischen Einkünfte gleichzeitig nach einem DBA unter Progressionsvorbehalt steuerbefreit sind (BFH-Urteile vom 11. September 1987 VI R 19/84, BFHE 151, 50, BStBl II 1987, 856; vom 27. März 1991 I R 180/87, BFH/NV 1992, 248). Die letztgenannte Rechtsprechung beruht auf den Besonderheiten des Montageerlasses und der diesem zugrunde liegenden Ermächtigungsnorm (§ 34c Abs. 3 EStG 1975).
2. § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 schließt die Berücksichtigung der Europagehälter auch bei der Berechnung des Steuersatzes aus, weil weder diese Verordnung noch eine andere Norm einen auf diese Steuerbefreiung bezogenen Progressionsvorbehalt enthalten.
Die Einbeziehung steuerfreier Einkünfte in die Bestimmung des Steuersatzes bedarf einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272). Entgegen der Auffassung des FA lässt sich dem § 32b EStG kein allgemeiner Progressionsvorbehalt für steuerfreie Bezüge entnehmen. § 32b EStG bildet nur unter den dort genannten Voraussetzungen und nur für die dort näher bezeichneten Leistungen bzw. Einkünfte eine (deklaratorische oder konstitutive) Rechtsgrundlage, um diese Leistungen bzw. Einkünfte bei der Berechnung des Steuersatzes zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil in BFHE 182, 527, BStBl II 1997, 358). Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem Auslandstätigkeitserlass vom 31. Oktober 1983 (BStBl I 1983, 470) einen Progressionsvorbehalt in Fällen vorsieht, die von § 32b Abs. 1 EStG nicht erfasst werden. § 32b EStG schließt einen Progressionsvorbehalt aufgrund anderweitiger Vorschriften oder Billigkeitsmaßnahmen zugunsten des Steuerpflichtigen, die sich an einer Steuerbefreiung unter Progressionsvorbehalt orientieren, nicht aus.
Im Streitfall kann die Anwendung eines besonderen Steuersatzes nicht auf § 32b Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative EStG a.F. (jetzt Nr. 3) gestützt werden. Diese Norm betrifft Steuerbefreiungen nach zwischenstaatlichen Übereinkommen, die keine DBA sind. Ob darunter auch Steuerbefreiungen gefasst werden könnten, die nicht unmittelbar in dem zwischenstaatlichen Übereinkommen selbst vorgesehen sind, sondern vom nationalen Gesetzgeber zur Förderung der mit den zwischenstaatlichen Absprachen verfolgten Zwecke angeordnet werden, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls setzt § 32b Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative EStG a.F. voraus, dass die Befreiung der Einkünfte ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Ermittlung des Steuersatzes erfolgt. Daran fehlt es in § 1 der Verordnung vom 18. August 1995.
Auf einen eventuellen Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 2, 1. Alternative EStG a.F. i.V.m. dem DBA-Belgien kommt es nicht an, weil § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 nicht an die Regelungen eines DBA anknüpft, sondern davon unabhängig eine speziellere und weiter gehende Befreiung normiert. Der Progressionsvorbehalt eines DBA gebietet nicht die Einbeziehung der entsprechenden Einkünfte in die Ermittlung des Steuersatzes, sondern lässt deren Berücksichtigung lediglich zu (BFH-Urteile vom 17. Oktober 1990 I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136; vom 9. Juni 1993 I R 81/92, BFHE 171, 388, BStBl II 1993, 790). Entgegen der Ansicht des FA geht eine Steuerbefreiung unter Progressionsvorbehalt nach einem DBA i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 2, 1. Alternative EStG a.F. der Steuerbefreiung ohne Progressionsvorbehalt gemäß § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 nicht deshalb vor, weil das Zustimmungsgesetz zum DBA ein formelles Gesetz ist und deshalb in der Normenhierarchie höher steht als eine Verordnung. Vielmehr sind auch gesetzesändernde Verordnungen zulässig (Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz. 70), wenn der Gesetzgeber durch die Ermächtigungsnorm das für die Steuerbegünstigung Grundlegende selbst normiert und der Verordnungsgeber dieses vorgegebene "Programm" lediglich konkretisiert, sich also im Rahmen der Ermächtigung gehalten hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 19. April 1978 2 BvL 2/75, BVerfGE 48, 210).
3. § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 ist durch die gesetzliche Ermächtigung in Art. 3 des Gesetzes vom 16. August 1980 gedeckt.
Nach der Ermächtigungsnorm kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit dies im Interesse der Pflege internationaler Beziehungen erforderlich ist, Rechtsverordnungen über die Anwendung des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen von Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 auf andere zwischenstaatliche Organisationen und über die Gewährung diplomatischer Vorrechte und Immunitäten an die genannten Organisationen sowie deren Bedienstete erlassen.
Die Institution Europäische Schulen ist eine zwischenstaatliche Einrichtung (vgl. Satzung der Europäischen Schule vom 12. April 1957, BGBl II 1965, 1041 i.V.m. dem Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen vom 13. April 1962, BGBl II 1969, 1301, nunmehr abgelöst durch die Vereinbarung vom 21. Juni 1994 über die Satzung der Europäischen Schulen, BGBl II 1996, 2558; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 29. Oktober 1992 2 C 2.90, BVerwGE 91, 126). Deren Bediensteten durften aufgrund der Ermächtigungsnorm "diplomatische Vorrechte und Immunitäten" eingeräumt werden. Zur Auslegung dieser Begriffe bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob bzw. für welchen Personenkreis und in welchem Umfang eine Steuerbefreiung ohne Progressionsvorbehalt nach den Regeln des Völkerrechts bzw. nach dem Wiener Übereinkommen über die diplomatischen Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl II 1964, 959) zwingend geboten ist. Denn die hier zu beurteilende Ermächtigungsnorm orientiert sich an dem Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen von Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947. Sie lässt deshalb zumindest die Übertragung der dort bezeichneten Vorrechte und Befreiungen auf das Personal anderer zwischenstaatlicher Organisationen zu. In diesem Rahmen hält sich § 1 der Verordnung vom 18. August 1995. Er räumt den Bediensteten der Europäischen Schulen im Ausland nur solche Vorrechte ein, wie sie das vorgenannte Abkommen vom 21. November 1947 auch für die Bediensteten der Sonderorganisation der Vereinten Nationen vorsieht, nämlich die Steuerbefreiung der von der Organisation gezahlten Bezüge (Art. VI § 19 Buchst. b des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947, BGBl II 1954, 639 i.V.m. Art. V Abschn. 18 Buchst. b des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13. Februar 1946, BGBl II 1980, 941).
Die Entscheidung des Verordnungsgebers, § 1 der Verordnung vom 18. August 1995 im Interesse der Pflege internationaler Beziehungen für erforderlich zu halten, ist nicht zu beanstanden.
Zutreffend weist das FA zwar darauf hin, dass der Gesetzgeber steuerfreie Einkünfte vielfach in die Ermittlung des Steuersatzes einbezieht, um eine Besteuerung nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit zu gewährleisten (vgl. auch BFH-Urteil vom 27. September 1990 I R 181/87, BFHE 162, 284, BStBl II 1991, 84). Gleichwohl durfte der Verordnungsgeber es als notwendig ansehen, die Europagehälter der Lehrkräfte an Europäischen Schulen im Ausland ohne Progressionsvorbehalt von der Einkommensteuer zu befreien. Wie das FG festgestellt hat, sieht das Statut des abgeordneten Personals der Europäischen Schulen eine Ausgleichszulage vor, die den Unterschied kompensiert, um den die nationale auf das Gehalt erhobene Abgabe die Steuerabzüge übersteigt, die auf das europäische Gehalt in Anwendung der für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften geltenden Vorschriften zugunsten der Gemeinschaft zu erheben wären. Nach dem EuGH-Urteil in EuGHE 1986, 47 verbietet die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit und Unterstützung, die den Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft obliegt, den Mitgliedstaaten, die den Lehrern der Europäischen Schulen von diesen gezahlten Bezüge zu besteuern, wenn die aus der Erhebung der nationalen Steuern folgende Belastung den Haushalt der Gemeinschaft trifft. Dass auch ein Progressionsvorbehalt Einfluss auf die Höhe der den Lehrkräften an Europäischen Schulen zu zahlenden Europazulage haben könnte, erscheint zumindest nicht ausgeschlossen. Denn zu Art. 11 Buchst. b des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vom 18. April 1951 (BGBl II 1952, 479), der die von der EGKS an ihre Beamten gezahlten Bezüge von den innerstaatlichen Steuern befreit, hat der EuGH durch Urteil vom 16. Dezember 1960 Rs. 6/60 (EuGHE 1960, 1163) entschieden, ein Progressionsvorbehalt sei als mittelbare Besteuerung der von der EGKS gezahlten Gehälter anzusehen und deshalb unzulässig (ebenso zum nachfolgenden Art. 13 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965, BGBl II 1965, 1482: Klinke, Internationales Steuerrecht 1995, 217, und Schmidt in v.d. Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl., Art. 218 Rn. 44; vgl. auch EuGH-Urteil vom 24. Februar 1988 Rs. 260/86, EuGHE 1988, 966). Ob diese Beurteilung des Progressionsvorbehalts als mittelbare Besteuerung des Gehalts auch für die von den Europäischen Schulen zu zahlenden Bezüge zwingend ist, kann der Senat offen lassen. Da sich das Statut des abgeordneten Personals der Europäischen Schulen an der Besteuerung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften orientiert, durfte der Verordnungsgeber es jedenfalls aufgrund seines Beurteilungsspielraums für erforderlich halten, im Interesse der Pflege internationaler Beziehungen auch die von den Europäischen Schulen gezahlten Zulagen ohne Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen.
Dieser Entscheidung steht das Urteil des Senats in BFHE 162, 284, BStBl II 1991, 84 nicht entgegen. Danach sind steuerfreie Einkünfte aus einer Tätigkeit beim Europäischen Patentamt in die Berechnung des Steuersatzes einzubeziehen. Bestandteil des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973 (BGBl II 1976, 826) ist jedoch das Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation (BGBl II 1976, 985). Dessen Art. 16 Abs. 1 Satz 3 erlaubt den Vertragsstaaten ausdrücklich, die befreiten Gehälter und Bezüge bei der Festsetzung des auf Einkommen aus anderen Quellen zu erhebenden Steuerbetrags zu berücksichtigen. Die zwischenstaatlichen Vereinbarungen betreffend die Europäischen Schulen enthalten hingegen keinen derartigen Progressionsvorbehalt.
Fundstellen
BFH/NV 2000, 832 |
DStRE 2000, 526 |
HFR 2000, 577 |
IStR 2000, 266 |
IWB 2000, 1205 |
EStB 2000, 190 |