Leitsatz (amtlich)

§ 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG greift bei einem gesellschafterverbürgten Bankdarlehen nicht schon deshalb ein, weil die Bank das Darlehen zu marktüblichen Bedingungen gewährt hat. Wird durch ein solches Darlehen der Geschäftsverkehr des Gesellschafters mit der Gesellschaft finanziert, ist sowohl für die Anwendung des § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 KVStG als auch für § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG darauf abzustellen, ob und inwieweit die Finanzierung solcher Geschäfte durch den Vertragspartner marktüblich ist.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 3 Abs. 2, 4 Nr. 3

 

Tatbestand

Die X (Hauptgesellschafterin) ist seit 1962 an der Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt ein Stammkapital von 1 000 000 DM hatte, mit einem Geschäftsanteil von 800 000 DM beteiligt. Den Rest des Stammkapitals von 200 000 DM hielt die Y GmbH. Die Klägerin übernahm bis März 1964 insgesamt eine Beteiligung von 2 300 000 DM bei einem Stammkapital der Klägerin zu diesem Zeitpunkt von 3 Mill. DM. 750 000 DM des Stammkapitals waren zu diesem Zeitpunkt in Händen der Z GmbH, die bis zur Gründung der Klägerin (Juni 1960) den Vertrieb von Erzeugnissen von X übernommen hatte und die im Juli 1960 ihre Geschäftsabteilung X-Vertrieb in die Klägerin eingebracht hat. Die Klägerin ist die Absatzorganisation ihrer Hauptgesellschafterin. Die Hauptgesellschafterin verkauft ihre Erzeugnisse der Klägerin. Die Klägerin finanziert ihre Käufe u. a. mit Bankkrediten, für die die Hauptgesellschafterin die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen hat.

Der Beklagte (FA) zog nach vorangegangener Kapitalverkehrsteuerprüfung gesellschafterverbürgte Bankdarlehen in Höhe von rd. 20 Mill. DM zur Gesellschaftsteuer heran.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Gesellschaftsteuerbescheid, der ein von der Hauptgesellschafterin verbürgtes Bankdarlehen von rd. 200 000 DM gemäß § 3 KVStG zur Gesellschaftsteuer heranzieht. Das Darlehen wurde 1962 gewährt und hat eine Laufzeit von mehr als drei Jahren. Das Darlehen wurde im Jahr 1962 von einer Bank gegeben.

Nach Angabe der Klägerin betreffen auch die übrigen Darlehen stets die Einzelfinanzierung von Apparaten, die die Hauptgesellschafterin an die Klägerin geliefert und die die Klägerin weiterverkauft oder (meist) weitervermietet hat. Mit der Vermietung übernahm die Klägerin auch die damit zusammenhängenden Arbeiten (Wartung der Anlagen, Ausbildung des Bedienungspersonals, Kundenberatung, Durchführung von Betriebsuntersuchungen, Herstellung und Verkauf von ...).

Das FG hat auf die Sprungberufung der Klägerin den Gesellschaftsteuerbescheid aufgehoben. Es hat nicht geprüft, ob alle Voraussetzungen eines kapitalersetzenden Darlehens im Sinne von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KVStG vorliegen. Es hält jedenfalls die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959 für anwendbar. Für die Anwendung dieser Bestimmung mache es keinen Unterschied, ob das Darlehen unmittelbar durch einen Gesellschafter oder durch einen Dritten gegen Sicherheitsleistung des Gesellschafters gewährt werde. Eine Darlehnsgewährung zu marktüblichen Bedingungen könne angenommen werden, weil ein Kreditinstitut das Darlehen gegeben habe. Die Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft sei im Rahmen des Gewerbes der Hauptgesellschafterin erfolgt. Die Hauptgesellschafterin sei wie andere Firmen ihres Produktionszweiges zu Absatzfinanzierungsmaßnahmen gezwungen gewesen.

Das FA hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin hat beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die Aufhebung erfolgt, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um seine Entscheidung zu rechtfertigen, daß die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959 gegeben seien (unten 5.). Es handelt sich hierbei um eine Aufhebung wegen fehlerhafter Anwendung sachlichen Rechts, ohne daß zu prüfen ist, ob Verfahrensrügen erhoben sind (Entscheidung des BFH II R 36/67 vom 5. März 1968 - BFH 92, 416 -, BStBl II 1968, 610).

2. Entgegen der Meinung des FA, die in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten wurde, ist die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959 auch auf Sicherheitsleistungen eines Gesellschafters für Darlehen Dritter anwendbar. Der Gesellschaftsteuer unterliegt die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt (§ 3 Abs. 1 KVStG 1959). Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG gilt als Darlehen eines Gesellschafters auch das Darlehen eines Dritten, wenn ein Gesellschafter hierfür Sicherheit leistet. Ein gesellschafterverbürgtes Darlehen wird vom Gesetz so behandelt, als wenn der Gesellschafter statt der Bürgschaft das Darlehen selbst gewährt hätte. Dies führt dazu, daß auch im Sinne der Befreiungsvorschrift die Sicherheitsleistung so zu behandeln ist, als wenn die Hauptgesellschafterin selbst der Klägerin das streitige Darlehen gewährt hätte. Die Befreiungsvorschrift erfaßt bei sinngemäßer Auslegung auch die Sicherheitsleistung eines Gesellschafters.

Unter Darlehnsgewährung im Sinne der Befreiungsvorschrift sind sämtliche Finanzierungsvorgänge zu verstehen, die in § 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 KVStG 1959 gesellschaftsteuerpflichtig gestellt sind. Diese Finanzierungsvorgänge werden im folgenden auch kurz als Kreditgewährungen (Kreditierungen) oder Finanzierungen bezeichnet.

3. Die Klägerin vertritt die Ansicht, es komme bei Anwendung der Befreiungsvorschrift auf die Marktüblichkeit der Bedingungen des dem Gesellschafter zuzurechnenden Darlehens an, da das vom Gesetz unterstellte Darlehen des Gesellschafters der Steuergegenstand sei. Dieser Ansicht wird nicht beigetreten.

Sicherheitsleistungen eines Gesellschafters für Bankkredite sind dahin zu würdigen, daß einer Kapitalgesellschaft Bankkredite deshalb gewährt werden, weil die Bank in der Bürgschaft des Gesellschafters eine genügende Sicherstellung des Darlehens in bezug auf ihre Zinsforderung und ihre Rückzahlungsforderung sieht. Die Geldmittelzufuhr (auch als Kapitalzufuhr bezeichnet) als Folge der Gesellschafterbürgschaft soll nach dem Grundgedanken des Gesetzes von der Gesellschaftsteuer erfaßt werden. Mit der gesetzlichen Unterstellung, das Darlehen der Bank gelte als Darlehen des Gesellschafters, verweist das Gesetz lediglich darauf, daß auch die in § 3 Abs. 1 KVStG geforderten weiteren Voraussetzungen für die Steuerpflicht (nämlich Darlehnsgewährung als Ersatz einer durch die Sachlage gebotenen Kapitalzuführung) für das gesellschafterverbürgte Darlehen vorliegen müssen. Entscheidend für den Eintritt der Steuerpflicht ist im Falle des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG die Sicherheitsleistung des Gesellschafters als Ursache der Kapitalzufuhr, nicht die bloße Darlehnsgewährung ohne Sicherheitsleistung Es kommt daher für die Anwendung des § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959 darauf an, ob die Sicherheitsleistung des Gesellschafters im Rahmen seines Gewerbes zu marktüblichen Bedingungen gegeben wurde.

4. Durch die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959 soll vermieden werden, daß ein zu marktüblichen Bedingungen gewährtes Bankdarlehen schon dann steuerpflichtig wird, wenn die Bank nur geringfügig am Kapital ihres Darlehnsschuldners beteiligt ist, das Darlehen aber als eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung gewürdigt werden kann (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Egly, Gesellschaftsteuer-Kommentar, 2. Aufl., Abschn. 50, S. 182f. in Verbindung mit Abschn. 41 S. 157, und Abschn. 45 S. 173). Es wurde dabei zum Teil lediglich auf die bloße Gesellschaftereigenschaft und nicht - wie nach der jetzigen Rechtsprechung - darauf abgestellt, ob der Gesellschafter als solcher wegen seiner Kapitalbeteiligung als Gesellschafter das Darlehen gewährt hat (BFH-Entscheidung II 162/65 vom 3. Dezember 1969, BFH 98, 59, BStBl II 1970, 279 und I 2b).

5. Entgegen der Meinung des FG greift die Befreiungsvorschrift nicht schon dann ein, wenn die Kreditgewährung nicht in Zusammenhang mit der Kapitalbeteiligung steht und aus Gründen veranlaßt wurde, die im Gewerbe des Gesellschafters liegen. Die Befreiungsvorschrift findet nur dann Anwendung, wenn die Kreditierung selbst im Rahmen des Gewerbes des Gesellschafters liegt. Dazu genügt nicht, daß das FG es auf die Beziehungen zwischen der Klägerin als Käuferin und der Hauptgesellschafterin als Herstellerin und Verkäuferin abstellt und auch Absatzvorgänge vor Gründung der Klägerin in die Beurteilung einbezieht. Es kommt darauf an, ob allgemein im Gewerbe der Herstellung von solchen Anlagen der Absatz vom Hersteller in einer Weise finanziert wird, daß die Kreditierung dem Rahmen des Gewerbes dieses Herstellungszweiges zuzurechnen ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Entstehen und die etwa mögliche Einschaltung von sogenannten Leasing-Banken (Mietfinanzbanken) den Rahmen des Gewerbes eines Herstellers in bezug auf die Finanzierung verändern wird oder bereits verändert hat.

Die Kreditgewährung muß zu marktüblichen Bedingungen erfolgen. Dieser Nachweis ist nicht schon mit den Ausführungen des FG erbracht, eine Bank habe den Kredit gegeben; deshalb sei das Darlehen zu marktüblichen Bedingungen gegeben. Eine Bank wird zu marktüblichen Bedingungen ein Darlehen dann gewähren, wenn sie ihre Zins- und Rückzahlforderung für gesichert häIt. Ist die Bonität des Darlehnsschuldners anzuzweifeln, sei es, weil seine Kapitaldecke zu kurz ist, sei es, weil das Kapital durch Verluste verbraucht ist, so wird die Bank das Darlehen nicht geben. Es kommt dann entscheidend auf die Sicherheitsleistung des Gesellschafters an. Die Befreiungsvorschrift stellt darauf ab, ob die Finanzierung durch den Gesellschafter - sei es durch Eigendarlehen des Gesellschafters (§ 3 Abs. 1 KVStG), sei es durch Sicherheitsleistung des Gesellschafters (§ 3 Abs. 2 KVStG), sei es durch Stundung (§ 3 Abs. 3 KVStG) - zu marktüblichen Bedingungen erfolgt. Das erfordert eine Prüfung, ob die Hauptgesellschafterin als Sicherheitsleistende aus zureichenden, für den allgemeinen Kreditverkehr beachtlichen Gründen sich veranlaßt sehen konnte, einerseits von der Forderung eines besonderen Entgelts für ihre Sicherheitsleistung abzusehen und andererseits Anlaß hatte, auf eine etwaige marktübliche Rückdeckung für ihre Bürgschaftsverpflichtungen beim Darlehnsschuldner (der Klägerin) zu verzichten. Hierbei können die Höhe der gewährten Finanzierungshilfen, ein sich ausweitendes Geschäft mit neuem Kapitalbedarf, das von der Klägerin geübte sogenannte Leasingverfahren und der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Risiko im allgemeinen höher liegt, wenn nur ein einzelner Kunde statt vieler Kunden für den Eingang der Darlehnsforderungen und für die mit der Bürgschaftsleistung verbundenen Gegenansprüche in Anspruch genommen werden kann.

6. Kommt das FG zu dem Ergebnis, die Befreiungsvorschrift sei nicht anwendbar, so ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen, von denen § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 die Steuerpflicht abhängig macht, vorliegen. Die neue Rechtsprechung ist zu beachten, die die Tragweite des § 3 KVStG neu abgegrenzt hat (BFH-Entscheidung II 162/65, a. a. O.). Die Stellung der Bürgin als Hauptgesellschafterin der Klägerin kann nicht unbeachtet bleiben (BFH-Entscheidung II R 68/67 vom 30. Juni 1970, BFH 100, 256, BStBl II 1971, 5). Weiter wird möglicherweise zu prüfen sein, inwieweit das von der Klägerin geübte Leasingverfahren einen höheren Kapitalbedarf erfordert als sonst mögliche und gebräuchliche Absatzfinanzierungsmaßnahmen. Die Neuabgrenzung der Tragweite des § 3 KVStG durch die Entscheidung II 162/65 hat zur Folge, daß die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 4 Nr. 3 KVStG 1959 in den Fällen gegenstandslos wird, die nach der neuen Rechtsprechung im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung nicht mehr den steuerpflichtigen Tatbestand erfüllen. Steuerpflicht ist jedoch nach der neuen Rechtsprechung nicht ohne weiteres ausgeschlossen, wenn die Bürgschaftszusage bereits vor Erlangung der Gesellschafterstellung abgegeben wurde. Eine Bürgschaftszusage wird frühestens im Zeitpunkt der Hingabe des Darlehens vollzogen. Entscheidend ist auch in diesem Falle, ob der Gesellschafter als solcher die Finanzierung zur Förderung des Gesellschaftszwecks vornimmt und wegen seiner Beteiligung am Gesellschaftskapital noch weitere Eigenmittel in der Gesellschaft arbeiten lassen will, indem er das Entgelt hauptsächlich in den Gesellschaftsrechten oder gesellschaftsrechtlichen Vorteilen zu finden hofft (BFH-Entscheidung II 162/65, a. a. O., zu I 2b).

Anmerkung: Das Zahlenwerk ist geändert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412955

BStBl II 1972, 123

BFHE 1972, 8

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