Leitsatz (amtlich)
Eine nur zufolge § 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 der Schenkungsteuer unterliegende Schenkung eines Nicht-Inländers an einen anderen Nicht-Inländer war nicht gemäß § 13 ErbStG 1959 mit einer früheren Bargeldschenkung zu verrechnen, die zu einem Zeitpunkt ausgeführt worden war, als beide noch Inländer waren.
Normenkette
ErbStG 1959 § 8 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1
Tatbestand
Der Vater der vier Kläger hatte diesen im November 1962 je 30 000 DM geschenkt. Schenker und Beschenkte lebten damals in der Bundesrepublik. Im Dezember 1962 haben sie Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in das Ausland verlegt.
Im Dezember 1965 hat der Vater der Kläger diese unentgeltlich an zwei in der Bundesrepublik belegenen Grundstücken beteiligt. Er hat mit seinen Kindern zur Übernahme und Verwaltung dieser Grundstücke eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vereinbart und die beiden Grundstücke an sich und seine Kinder in Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelassen. Der Gesellschaftsvertrag sieht für jeden der Kläger einen Auseinandersetzungsanteil von zwei Fünfzehnteln und eine Beteiligung an den Erträgen des Gesellschaftsvermögens in gleicher Höhe vor.
Das FA (Beklagter) hat wegen der im Dezember 1965 ausgeführten Grundstücksschenkungen gegen jeden der Kläger 3 321 DM Schenkungsteuer festgesetzt. Es geht von einem Steuersatz von 4,5 v. H. und einer Besteuerungsgrundlage von je 73 800 DM aus. Diese setzt sich zusammen aus einem Einheitswertanteil von je 43 800 DM und der zugerechneten Vorschenkung im Betrag von 30 000 DM.
Für die Zusammenrechnung der Erwerbe beruft sich das Finanzamt auf § 13 Abs. 1 ErbStG 1959. Den Abzug eines Kinderfreibetrags von 30 000 DM (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959) hat es abgelehnt, weil im Dezember 1965 die persönliche Steuerpflicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 auf das Inlandsvermögen beschränkt war (§ 17 Abs. 3 ErbStG 1959), die Anrechnung der Steuer, welche auf die Vorschenkung vom November 1962 im Zeitpunkt der Schenkung vom Dezember 1965 zu erheben gewesen wäre (§ 13 Abs. 1 ErbStG 1959), dagegen deshalb, weil infolge der beschränkten Steuerpflicht im Zeitpunkt der zweiten Schenkung die erste Schenkung nicht mehr der Steuer unterlegen hätte (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959).
Das FG hat die Anfechtungsklagen der Kläger abgewiesen. Die Entscheidungsgründe entsprechen dem Standpunkt des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Der BFH hat die Revisionen der Kläger zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Revisionen der Kläger sind begründet.
Die Kläger und ihr Vater waren im Dezember 1965 keine Inländer im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959. Die in diesem Monat nach deutschem Recht vereinbarten und ausgeführten Schenkungen (§§ 516, 518 BGB) unterlagen folglich nur deshalb der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), weil sie sich auf in der Bundesrepublik belegene Grundstücke bezogen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959).
Die im November 1962 ausgeführten Barschenkungen unterlagen zwar seinerzeit der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959); wegen des Freibetrags von 30 000 DM (§ 17 Abs. 1 Nr. 1; § 10 Abs. 1 ErbStG 1959) waren sie steuerfrei. Wären sie erst im Dezember 1965 ausgeführt worden, hätten sie der deutschen Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) - als Geldschenkungen eines Nicht-Inländers an Nicht-Inländer - nicht mehr unterlegen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959). Für die Versteuerung der im Dezember 1965 ausgeführten Schenkungen lagen sie deshalb außerhalb des Anwendungsbereichs des § 13 ErbStG 1959.
Gemäß § 13 Abs. 1 ErbStG 1959 waren mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammenzurechnen, daß dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, welche für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten zu erheben gewesen wäre. Dabei sind die Worte "Vermögensvorteil" und "Erwerb" eindeutig im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes zu verstehen; ein Erwerb durch Kauf (soweit nicht im Sinne des § 3 Abs. 4 ErbStG 1959 gemischte Schenkung) bleibt außer Betracht. Maßgebend sind also allein solche Vermögensvorteile und Erwerbe, welche der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen und nicht um des Inhalts oder des Zwecks der Zuwendung willen (qualitativ) befreit sind.
Demzufolge sind selbst bei unbeschränkter Steuerpflicht des letzten Erwerbs diejenigen nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG fallenden Vorzuwendungen nicht in die Zusammenrechnung gemäß § 13 ErbStG 1959 einzubeziehen, die zu Zeitpunkten ausgeführt wurden, zu denen weder der Schenker noch der Beschenkte Inländer im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 war (Michel, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1964 S. 35; Megow/Michel, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 6. Aufl. 1974, § 14 ErbStG Anm. 4; Troll, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1975, § 14 Anm. 10). Da die Berechtigung, Schenkungen unter Ausländern zu besteuern, davon abhängt, daß entweder der Person oder der Sache nach eine Beziehung zum Inland besteht, kann umgekehrt bei beschränkter Steuerpflicht (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959) des letzten Erwerbs eine Vorschenkung, die zum Zeitpunkt der letzten Schenkung nicht mehr der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen würde, so wenig in die deutsche Erbschaftbesteuerung einbezogen werden wie diejenigen Teile einer im Zeitpunkt nur beschränkter Steuerpflicht ausgeführten Schenkung, die nicht den in § 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 beschriebenen Bezug zum Inland haben. Denn diesfalls sind die nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 fallenden Vorschenkungen im Zeitpunkt der letzten Schenkung wegen der Begrenzungen des § 8 ErbStG 1959 keine "Vermögensvorteile" und "Erwerbe" im Sinne des § 13 Abs. 1 ErbStG 1959 mehr. Der Progressionseffekt des § 13 Abs. 1 ErbStG 1959 wird vielmehr in diesen Fällen dadurch ersetzt, daß die Freibeträge des § 17 Abs. 1 ErbStG 1959 und die Freigrenze des § 17 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG 1959 entfallen (§ 17 Abs. 3 ErbStG 1959).
Folglich kann bei beschränkter Steuerpflicht im Zeitpunkt des letzten Erwerbs diesem auch ein solcher Vorerwerb nicht zugezählt werden, der zwar seinerzeit der deutschen Erbschaftsteuer unterlag, ihr im Zeitpunkt des letzten Erwerbs aber nicht mehr unterlegen hätte. Denn ein solcher Erwerb hat die Qualität verloren, "Erwerb" im Sinne des § 13 Abs. 1 ErbStG 1959 zu sein. So wenig er im Zeitpunkt des letzten Erwerbs geeignet wäre, für sich allein eine Steuerpflicht auszulösen, so wenig ist er geeignet, die Besteuerungsprogression eines anderen, der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbs zu erhöhen.
Der vorliegende Fall ist demnach - obwohl es hier wie dort um eine Veränderung der persönlichen Verhältnisse zu gehen scheint - nicht dem vergleichbar, daß sich zwischen der vorangegangenen Schenkung und dem nunmehr der Besteuerung unterliegenden Erwerb - etwa wegen Adoption, Heirat oder Scheidung - die Steuerklasse ändert (§ 10 Abs. 1 ErbStG 1959) und demzufolge andere Freibeträge oder Freigrenzen (§§ 16, 17 ErbStG 1959) und andere Steuersätze (§ 11 Abs. 1 ErbStG 1959) eintreten. Näher liegt vielmehr ein Vergleich mit einer zwischenzeitlichen Änderung der Steuertatbestände. Hier wäre § 13 ErbStG 1959 weder dann anwendbar gewesen, wenn der frühere Vorgang nach dem damals geltenden Recht nicht der Erbschaftsteuer unterlegen hätte, wohl aber nach dem zur Zeit des späteren Erwerbs geltenden Recht, noch dann, wenn der frühere Erwerb zwar nach dem damals geltenden Recht der Steuer unterlegen hätte, nicht aber nach dem zur Zeit des späteren Erwerbs geltenden Recht der Steuer unterliegt. Im erstgenannten Fall greift die Zusammenrechnungsvorschrift nicht ein, weil der frühere Erwerb keine Schenkung im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes war und nicht rückwirkend zu einer solchen gemacht worden ist. Im zweitgenannten Fall greift sie deshalb nicht ein, weil sich die Besteuerung des letzten Erwerbs nach dem zu dessen Zeitpunkt geltenden Recht bestimmt und zu diesem Zeitpunkt der Erwerbsbegriff des Gesetzes - und damit auch der der Zusammenrechnungsvorschrift - diesen Vorgang nicht mehr erfaßt.
Demzufolge waren die angefochtenen Urteile und die in diesen bestätigten Einspruchsentscheidungen aufzuheben. Die festgestellten Sachverhalte erlauben die ersetzenden Entscheidungen unter Abänderung der Steuerbescheide. Die Schenkungsteuer war für jeden der Kläger auf 1 752 DM festzusetzen.
Dieser Steuerbetrag entspricht bei Steuerklasse I (§ 10 Abs. 1 ErbStG 1959) einem Steuersatz von 4 v. H. bei einer Besteuerungsgrundlage von 43 800 DM (§ 11 Abs. 1 ErbStG 1959) ohne Abzug eines Freibetrags (§ 17 Abs. 3 ErbStG 1959).
Die Schenkungen vom November 1962 waren nicht gemäß § 13 ErbStG 1959 in die Steuerberechnungen einzubeziehen, da ihnen als bloßen Barschenkungen bei nur beschränkter Steuerpflicht (§ 8 ErbStG 1959) bei Entstehen der Steuerschuld im Dezember 1965 (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959) nicht mehr die Qualität einer dem deutschen Erbschaftsteuerrecht unterliegenden Schenkung zukam. Da deshalb auch eine gleichzeitig ausgeführte Barschenkung unerheblich gewesen wäre (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959), kann die Grundstücksschenkung vom Dezember 1965 auch nicht nach Art des § 8 Abs. 4 ErbStG 1959 in eine höhere Stufe der Progression gehoben werden. Vielmehr ist dem Umstand, daß bei beschränkter Steuerpflicht eine Zusammenrechnung gemäß § 13 ErbStG 1959 nur hinsichtlich der in § 8 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 beschriebenen Gegenstände stattfindet, bereits dadurch abschließend Rechnung getragen, daß bei nur beschränkter Steuerpflicht sämtliche nicht gegenstandsbezogenen Freibeträge und höheren Freigrenzen entfallen (§ 16 Abs. 3, § 17 Abs. 3 ErbStG 1959) und nur eine Besteuerungsgrenze von 1 000 DM gilt (§ 17 Abs. 3 Satz 1 ErbStG 1959).
Fundstellen
Haufe-Index 425965 |
BStBl II 1977, 662 |