Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch darin liegen, daß eine Kapitalgesellschaft, die zusammen mit ihrer Gesellschafterin an einer GmbH beteiligt ist, einer Kapitalerhöhung dieser GmbH zustimmt, bei der sie keine, ihre Gesellschafterin dagegen alle neuen Stammeinlagen übernimmt. Weitere Voraussetzung ist jedoch, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter den Vorteil, der dadurch der Gesellschafterin erwächst, einer Person, die nicht ihr Gesellschafter ist, nicht gewährt hätte.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Stpfl.) - eine AG, deren Aktien zu rd. 97% der V-AG gehören, erwarb durch notariellen Vertrag vom 18. Februar 1949 von einer anderen Tochtergesellschaft der V-AG einen Geschäftsanteil von 94 000 RM an der B-GmbH zum Preis von 30 000 RM. Der niedrige Kaufpreis wurde zum Teil mit den weitgehenden Kriegsschäden der B-GmbH, vor allem aber damit begründet, daß zwischen der B-GmbH und der V-AG der die übrigen Geschäftsanteile an der B-GmbH gehörten, ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag (EAV) bestehe. Der EAV wurde in der Gesellschafterversammlung der B-GmbH vom 22. Mai 1951 erneut bestätigt, da die Urkunde des Vertrages in Verlust geraten war. Nach diesem Vertrag wird die B-GmbH ausschließlich für Rechnung der V-AG tätig und hat unter Ausschluß eigener Gewinne und Verluste die jeweiligen Gewinne oder Verluste an die V-AG zu übertragen.
Nach der Neufestsetzung der Kapitalverhältnisse anläßlich der Währungsreform betrug die Beteiligung der Stpfl. an der B-GmbH 314 000 DM und entwickelte sich weiter wie folgt:
bis 13. 7. 1956: 314 000 DM von 1 250 000 DM = 25,12 v. H. 14. 7. 1956 bis 3. 7. 1957: 314 000 DM von 1 750 000 DM = 17,94 v. H. 4. 7. 1957 bis 22. 5. 1958: 314 000 DM von 2 250 000 DM = 13,95 v. H. ab 23. 5. 1958 314 000 DM von 3 000 000 DM = 10,46 v. H.Das Absinken des Beteiligungsverhältnisses ist darauf zurückzuführen, daß bei den Kapitalerhöhungen die V-AG mit Zustimmung der Stpfl. allein alle neuen Stammeinlagen übernahm.
Durch notariellen Vertrag vom 15. Februar 1960 veräußerte die Stpfl. die Beteiligung an der B-GmbH zum Buchwert von 300 000 DM, den sie bereits in ihre DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) angesetzt hatte, an die V-AG.
Der Revisionskläger (FA) erblickte darin, daß die Stpfl. im Jahre 1956 der Erhöhung des Stammkapitals der B-GmbH zugestimmt hatte, obwohl sie zur übernahme neuer Stammeinlagen nicht zugelassen worden waren, eine verdeckte Gewinnausschüttung in den Streitjahren 1956 und 1957 von je 50 240 DM. Die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung ermittelte das FA in der Weise, daß es eine angemessene Ausschüttung zuzüglich der darauf zu entrichtenden Steuer annahm.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Berufung führte zu einer Herabsetzung der Körperschaftsteuer für die Streitjahre. Das FG hat eine verdeckte Gewinnausschüttung verneint, weil der Stpfl. nicht zu widerlegen sei, daß sich auch ein nicht konzernabhängiger Gesellschafter der B-GmbH unter den gegebenen Umständen anläßlich der Kapitalerhöhung im Jahre 1956 ebenso verhalten hätte wie sie.
Die Rb. (Revision) des FA rügt einen Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten und die Nichtanwendung bestehenden Rechts.
Das FA sieht in dem unentgeltlichen Verzicht der Stpfl. auf die Sperrminorität bei der B-GmbH eine verdeckte Gewinnausschüttung. Hinzu komme der quotenmäßige Verlust der in ihrer bisherigen Beteiligung liegenden stillen Reserven, die Inkaufnahme einer schlechteren Verwertbarkeit der Restbeteiligung und die Inkaufnahme der steuerlichen Belastungen, die sich aus der Aufgabe der Schachtelbeteiligung ergeben hätten. Diesen Nachteilen, die die Stpfl. auf sich genommen habe, stünden die entsprechenden Vorteile bei der V-AG gegenüber. Den Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten sieht das FA darin, daß das FG einen zeitlich unbefristeten Verzicht der Stpfl. auf Gewinnbeteiligung bei der B- GmbH unterstellt habe, obgleich in dem Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 12. Mai 1948 nur davon die Rede sei, daß es sich "bis auf weiteres" um eine ertraglose Beteiligung handle. Schließlich führt das FA aus, der EAV entspreche nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen.
Das FA stellt den Antrag, das Urteil des FG aufzuheben und die Einspruchsentscheidung wiederherzustellen.
Die Stpfl. beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung aus zutreffenden Gründen verneint.
Rechtlich bestehen zwar keine Bedenken gegen die Auffassung, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung auch darin liegen könnte, daß die Stpfl. der Kapitalerhöhung bei der B-GmbH im Jahre 1956 zugestimmt hat. Denn durch dieses Verhalten sank ihre Beteiligungsquote bei der B-GmbH von 25,12 v. H. auf 17,94 v. H. Bei ihrer Gesellschafterin, der V-AG, stieg die Beteiligungsquote entsprechend. Die Vermögensverschiebung zwischen der Gesellschaft und der Gesellschafterin, die Tatbestandsmerkmal einer verdeckten Gewinnausschüttung ist und die in den Fällen des Urteils RFH VI 320-324/37 vom 18. November 1937 (Steuer und Wirtschaft II 1938 Nr. 71) und des Urteils des BFH I 2/52 U vom 1. April 1952 (BFH 56, 380, BStBl III 1952, 148) fehlte, ist somit im Streitfall gegeben. Der vorliegende Sachverhalt gleicht auch nicht dem Fall, daß die Gesellschaft bei der Kapitalerhöhung den Gesellschaftern die neuen Anteile zu einem unter ihrem Wert liegenden Ausgabepreis überläßt ( RFH-Gutachten I D 4/20 vom 14. Dezember 1920, Sammlung der Entscheidungen den Reichsfinanzhofs Bd. 4 S. 222; BFH-Urteil I 165/54 S vom 17. September 1957, BFH 65, 437, BStBl III 1957, 401). Weitere Voraussetzung der verdeckten Gewinnausschüttung ist aber, daß die übertragung eines Vermögenswerts von der Gesellschaft auf den Gesellschafter ihre wirtschaftliche Ursache in dem Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG 1965, § 43 Abs. 1 GmbHG) einer Person, die nicht Gesellschafter ist, den Vorteil nicht gewährt hätte.
Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, daß diese Feststellung nach den gesamten Umständen nicht getroffen werden könne. Daran ist der Senat gebunden, da die tatsächlichen Erwägungen des FG keinen Rechtsfehler erkennen lassen ( § 118 Abs. 2 FGO). Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß sich die Stpfl. in einer gewissen Zwangslage befand. Die Stpfl. konnte einerseits, da es bei der GmbH ein Bezugsrecht wie bei der Aktiengesellschaft (§ 186 AktG 1965) nicht gibt, nicht erzwingen, zur übernahme neuer Stammeinlagen zugelassen zu werden (§ 55 Abs. 2 GmbHG). Andererseits war sie infolge einer Beteiligung von 25,12 v. H. rechtlich in der Lage, die Kapitalerhöhung zu verhindern (§§ 55, 53 Abs. 2 GmbHG). Damit hätte sie aber die Zuführung des neuen Kapitals an die B-GmbH unterbunden und damit sich selbst geschädigt, da die finanzielle Stärkung der B-GmbH durch die Kapitalerhöhung in gewissem Umfange auch der Stpfl. zugute kam. Soweit eine Beteiligung der Stpfl. an der übernahme der neuen Stammeinlagen der V-AG gegenüber hätte durchgesetzt werden können, sprachen, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, gewichtige Gründe gegen die Beteiligung an der Kapitalerhöhung. Die Stpfl. hätte einen Geldbetrag anlegen müssen, der ihr auf Grund des EAV zwischen der B-GmbH und der V-AG wenn auch nicht für alle Zeiten, wie dem FA zuzugeben ist, so doch auf längere Sicht keinen Ertrag gebracht hätte. Es ist zwar nicht richtig, daß durch den EAV auch die Beteiligung der Stpfl. an dem Vermögen der B-GmbH, soweit es über die Buchwerte beim Inkrafttreten des EAV hinausging, ausgeschlossen sei. Aber es erscheint doch wirtschaftlich verständlich, wenn die Stpfl. darauf verzichtet hat, finanzielle Mittel, die sie im eigenen Betrieb brauchte, lediglich zur Erhöhung des Vermögenswerts ihrer Beteiligung an der B-GmbH in dieser Gesellschaft anzulegen, ohne in absehbarer Zeit mit einem Ertrag rechnen zu können. Anhaltspunkte dafür, daß das Entgelt für die übernahme der neuen Anteile im Vergleich zu ihrem Wert unverhältnismäßig niedrig und die Beteiligung an der Kapitalerhöhung deshalb trotz der Ertragslosigkeit der Anteile wirtschaftlich geboten gewesen sei, sind nicht vorhanden.
Somit kann, wie das FG mit Recht angenommen hat, nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, daß die Zustimmung der Stpfl. zur Kapitalerhöhung bei der B-GmbH ohne übernahme neuer Stammanteile in dem Gesellschaftsverhältnis der Stpfl. und der V- AG ihren Grund gehabt habe. Der Vorgang kann daher nicht als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden.
Daß der EAV zwischen der B-GmbH und der V-AG nicht den Erfordernissen der Rechtsprechung genüge, hat das FA nicht näher begründet. Der Senat sieht daher keinen Anlaß auf diese Frage einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 412527 |
BStBl III 1967, 626 |
BFHE 1967, 208 |
BFHE 89, 208 |
DB 1967, 1659 |
DStR 1967, 616 |