Entscheidungsstichwort (Thema)

Motorschaden auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

 

Leitsatz (NV)

1. Ein außergewöhnlicher, die Anwendung der Kilometerpauschale ausschließender Vorgang liegt nicht vor, wenn ein gebraucht erworbener Sportwagen bei einer Fahrleistung von 108 000 km auf dem Weg zur Arbeitsstätte infolge eines Schaltfehlers einen Motorschaden erleidet.

2. Auch wenn der Revisionskläger lediglich einen Verfahrensfehler gerügt hat, kann der BFH die Vorentscheidung auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfen, wenn das FG von einer einschlägigen Rechtsprechung des BFH abgewichen ist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4; FGO § 118

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die beide nichtselbständig tätig sind und für das Streitjahr 1983 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Der Kläger hatte am . . . 1983 - also innerhalb des Streitjahres - ein Kfz Marke Porsche bei einem Kilometerstand von 95 000 km gebraucht erworben. Der Verkäufer hatte ihm zur Vorlage beim Finanzamt bestätigt, daß er dieses Fahrzeug 2 Jahre vorher bei einem Kilometerstand von ca. 75 000 km habe generalüberholen lassen. Dabei sei der Motor vollständig zerlegt und komplett neu gelagert worden.

Mit diesem Fahrzeug - so trägt der Kläger vor - habe er am . . . 1983 auf der morgendlichen Fahrt zur Arbeitsstätte infolge eines Schaltfehlers einen Motorschaden erlitten, für dessen Behebung er 6 800 DM aufgewandt habe. Obwohl der erstmals 1975 zugelassene, im Zweitbesitz befindliche PKW bei Eintritt des Schadens bereits 108 000 km gelaufen sei, beruhten die Reparaturkosten nicht auf Verschleiß, sondern auf einem außergewöhnlichen Vorgang. Als Folge des Schadens sei der PKW fahruntüchtig liegengeblieben und habe abgeschleppt werden müssen. Der Schaden sei unvorhergesehen eingetreten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte den begehrten Abzug von 6 800 DM als Werbungskosten versagt, weil die Aufwendungen durch die Inanspruchnahme der Kilometer-Pauschbeträge abgegolten seien.

Mit der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage hatten die Kläger jedoch Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die Reparaturkosten für außergewöhnlich und nicht durch die Kilometer-Pauschbeträge nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgegolten. In seiner Begründung führt das FG aus, daß der in Frage stehende PKW in der Regel sportlich gefahren werde. Das bedeute aber nicht, daß jener Schaltfehler, der ursächlich für den Eintritt des Motorschadens gewesen sei, die Annahme ausschließe, die Kosten seien ihrer Natur nach außergewöhnlich und entzögen sich einer Pauschalierung.

Mit seiner hiergegen erhobenen Revision rügt das FA unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das FG.

Es beantragt, das angegriffene Urteil des FG aufzuheben und die Sache nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen demgegenüber, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, und zwar im wesentlichen aus den Gründen des FG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind die normalen, voraussehbaren Kosten, die bei dem Arbeitnehmer bei Benutzung des eigenen privaten PKW für berufliche Zwecke entstehen, durch die dort genannten Werbungskosten-Pauschbeträge abgegolten. Daneben sind nur solche Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar, die ihrer Natur nach außergewöhnlich sind und sich einer Pauschalierung entziehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Januar 1982 VI R 133/79, BFHE 135, 200, BStBl II 1982, 325, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Das FG hat hier dadurch einen Rechtsfehler begangen, daß es in dem Schaltfehler des Klägers einen dergestalt außergewöhnlichen Vorgang gesehen hat. Zwar ist das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Beweiswürdigung des FG auf einer Verkennung eines Rechtsbegriffs beruht (vgl. dazu Näheres Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 118 FGO Tz. 8 ff.) wie hier der des Begriffs ,,außergewöhnlicher Vorgang".

Die vom FG als Schadensursache angesehene falsche Schaltung des Getriebes durch den Kläger ist kein derartiger Vorgang, daß die zur Behebung dieses Schadens erforderlichen Aufwendungen als ,,außergewöhnlich" neben den Kilometer-Pauschbeträgen als Werbungskosten abgezogen werden dürfen. Denn einmal hat es sich zum Schadenszeitpunkt um ein Fahrzeug gehandelt, das einen Kilometerstand von über 100 000 km aufgewiesen hat. Darüber hinaus hat das FG unberücksichtigt gelassen, daß der Kläger das Fahrzeug als Zweiteigentümer erworben hatte. Außerdem hatte der Voreigentümer dem Kläger bescheinigt, daß er den PKW bei einem Kilometerstand von 75 000 km bereits generalüberholt habe, das Fahrzeug also deshalb schon hinsichtlich seiner Gebrauchsfähigkeit stark risikobelastet gewesen war. Wenn man sodann hinzunimmt, daß es sich hier um einen Porsche gehandelt hat, der regelmäßig schnell gefahren zu werden pflegt, so steht das alles der Annahme eines außergewöhnlichen Schadens entgegen.

Obwohl das FA lediglich einen Verfahrensfehler gerügt hat, war der Senat nicht gehindert, die Vorentscheidung umfassend zu überprüfen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O. § 118 FGO, Tz. 66, 71). Denn das FG ist mit seiner Entscheidung von der einschlägigen Rechtsprechung des BFH abgewichen (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1973 VI R 214/72, BFHE 111, 67, BStBl II 1974, 188).

Der Senat sieht die Sache als entscheidungsreif an. Es war daher nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423039

BFH/NV 1990, 572

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