Entscheidungsstichwort (Thema)
Saldierung der Gewinne mit den Verlusten aus ausnahmebewilligten Geschäften eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens
Leitsatz (NV)
§ 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 KStG 1977/1984 und § 10 Abs. 1 Buchst. c 2. Halbsatz WGGDV enthalten kein Verbot der Saldierung von Gewinnen aus ausnahmebewilligten Geschäften mit Verlusten aus derartigen Geschäften.
Normenkette
KStG 1977/1984 § 1; KStG 1977/1984 § 5 Abs. 1 Nr. 10; WGG § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 4; WGGDV § 10
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin -- eine GmbH -- war mit Wirkung ab 1. April 1950 gemäß dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) i. d. F. vom 29. Februar 1940 (RGBl I 1940, 437, RStBl I 1940, 309) als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anerkannt worden. Die zuständige Behörde hatte ihr mehrere Ausnahmebewilligungen nach § 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen i. d. F. vom 24. November 1969 -- WGGDV -- (BGBl I 1969, 2141) unter Auflagen abgabenrechtlicher Art erteilt. Nach diesen Auflagen unterliegt die Klägerin mit den Geschäften, für die ihr die Ausnahmebewilligungen erteilt worden waren (sog. ausnahmebewilligten Geschäfte) der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Der Klägerin wurde u. a. auferlegt, die mit den ausnahmebewilligten Geschäften zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben getrennt zu erfassen und dem Beklagten (Finanzamt -- FA --) zusammen mit den jährlichen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen jeweils eine Ergebnisrechnung einzureichen, die den Gewinn aus den ausnahmebewilligten Geschäften ersehen läßt.
Im Veranlagungszeitraum 1982 (Streitjahr) erlitt die Klägerin -- wie bereits in den Vorjahren -- durch einen Teil der ausnahmebewilligten Geschäfte Verluste. Per Saldo überstiegen im Streitjahr die Verluste aus ausnahmebewilligten Geschäften die durch derartige Geschäfte erzielten Gewinne um mehrere 100 000 DM.
Bei der Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer für das Streitjahr vertrat das FA entsprechend dem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. November 1987 -- S 2730 -- 33 -- V B 4 (Der Betrieb 1987, 2388; Steuererlasse in Karteiform -- StEK --, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 5 Nr. 84) und abweichend von seiner früheren Verwaltungspraxis die Auffassung, jedes ausnahmebewilligte Geschäft sei steuerrechtlich für sich zu beurteilen, Gewinne aus ausnahmebewilligten Geschäften dürften deshalb nicht mit Verlusten aus anderen ausnahmebewilligten Geschäften verrechnet werden. Es erließ am 15. März 1990 einen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr, dem diese Rechtsansicht zugrunde liegt und durch den es die Körperschaftsteuer auf X DM festsetzte.
Die Klage gegen diesen Bescheid hatte Erfolg.
Mit seiner Revision macht das FA geltend, das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhe auf einer Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 10 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 und der aufgrund der §§ 133 und 155 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entwickelten Auslegungsgrundsätze.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. a) Nach § 1 Abs. 2 WGG galten Wohnungsunternehmen, die aufgrund des WGG als gemeinnützig anerkannt waren, als Unternehmen, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienten und deren wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb über den Rahmen einer Vermögensverwaltung nicht hinausging (zur Aufhebung des WGG mit Wirkung ab 1. Januar 1990 s. Art. 21 § 1 Nr. 1 und Art. 29 Abs. 3 des Steuerreformgesetzes -- StRefG -- 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KStG 1977/1984 waren sie von der Körperschaft steuer befreit, solange ihnen die Anerkennung nicht entzogen worden war.
Für die Anerkennung waren die Wohnungsbaubehörden der Länder zuständig. Diese entschieden durch Beschluß (§ 17 Abs. 1 WGG) über die Anerkennung mit bindender Wirkung für die Finanzbehörden (s. Urteil des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 28. November 1942 VI a 35/42, RStBl 1942, 1147; Bundesfinanzhof -- BFH -- Urteil vom 28. Juni 1989 I R 123/88, BFHE 158, 216, BStBl II 1989, 997). Im Besteuerungsverfahren für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1989 haben die Finanzbehörden lediglich zu prüfen, ob das Wohnungsunternehmen im jeweiligen Veranlagungszeitraum aufgrund des WGG als gemeinnützig anerkannt war (zur Übergangsregelung für den Veranlagungszeitraum 1990, s. § 54 Abs. 4 KStG 1991; Schreiben des Bundesministers der Finanzen -- BMF -- vom 24. Juli 1989 IV B 7 -- S 2730 -- 65/89, BStBl I 1989, 271). Dem Anerkennungsbeschluß kommt insoweit die Wirkung eines für die Steuerfestsetzung bindenden Grundlagenbescheides (§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) zu. Das WGG konstituierte ein Sonderrecht für gemeinnützige Wohnungsunternehmen, das die Anwendung der §§ 51--68 der AO 1977 ausschloß (s. Senatsurteil in BFHE 158, 216, BStBl II 1989, 997).
b) Für bestimmte Geschäfte sahen § 6 Abs. 4 WGG und § 10 WGGDV Ausnahmebewilligungen vor, die unter Auflagen auch abgabenrechtlicher Art erteilt werden konnten (§ 10 Abs. 3 WGGDV). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 KStG 1977/1984 sollen die abgabenrechtlichen Auflagen zu der (Körperschaft-)Steuer führen, die sich ergäbe, wenn die Geschäfte i. S. des § 6 Abs. 4 WGG und § 10 WGGDV Gegenstand eines organisatorisch getrennten und voll steuerpflichtigen Teils des Unternehmens wären. Die Auflagen abgabenrechtlicher Art wurden in die Ausnahmebewilligungen aufgenommen, um Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten nicht gemeinnütziger Unternehmen zu verhindern (s. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerfG -- vom 14. November 1968 VIII C 68.64, BVerwGE 31, 35; Senatsurteil in BFHE 158, 216, BStBl II 1989, 997 m. w. N.). Sie schränkten den Umfang der auf der Fiktion des § 1 Abs. 2 WGG beruhenden Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG 1977/1984 ein und begrenzten die Wirkung des Anerkennungsbeschlusses auf die nicht in den Ausnahmebewilligungen genannten Geschäfte. Für die in der Ausnahmebewilligung genannten Tätigkeiten lebte die durch den Anerkennungsbeschluß zunächst in vollem Umfang aufgehobene Steuerpflicht wieder auf (s. Senatsurteil in BFHE 158, 216, BStBl II 1989, 997 m. w. N.).
c) Rechtsgrundlage der Körperschaftsteuerpflicht, die sich infolge der Begrenzung der steuerrechtlichen Wirkung des Anerkennungsbeschlusses ergab, ist nicht die jeweilige Ausnahmebewilligung mit der abgabenrechtlichen Auflage, sondern § 1 Abs. 1 KStG 1977/1984 (s. Senatsurteil in BFHE 158, 216, BStBl II 1989, 997; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 5 KStG Anm. 353). Die Körperschaftsteuerpflicht erstreckt sich gemäß § 1 Abs. 2 KStG 1977 auf sämtliche Einkünfte, die das als gemeinnützig anerkannte Wohnungsunternehmen durch die ausnahmebewilligten Geschäfte erzielte.
2. Die Klägerin war im Streitjahr von der zuständigen Behörde aufgrund des WGG als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anerkannt. Sie ist daher im Streitjahr nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 1 KStG 1977 von der Körperschaftsteuer befreit, soweit die abgabenrechtlichen Auflagen der ihr erteilten Ausnahmebewilligungen die Steuerbefreiung nicht einschränken.
Das FG hat die abgabenrechtlichen Auf lagen dahingehend ausgelegt, daß die Klägerin hinsichtlich ihrer Einkünfte aus den ausnahmebewilligten Geschäften der Körperschaftsteuer unterliege und es ihr nicht verboten sei, bei der Ermittlung ihres Einkommens Gewinne aus ausnahmebewilligten Geschäften mit Verlusten aus anderen ausnahmebewilligten Geschäften zu sal dieren. Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden.
Die einzelnen Ausnahmebewilligungen und ihre abgabenrechtlichen Auflagen betreffen zwar -- worauf das FA zutreffend hingewiesen hat -- jeweils einzelne konkrete Geschäfte. Sie schränken die Steuerbefreiung der Klägerin somit auch nur für diese jeweiligen Geschäfte ein. Keine der Ausnahmebewilligungen enthält aber die Auflage, daß der Gewinn aus dem jeweiligen konkreten Geschäft für Zwecke der Besteuerung nicht mit Verlusten aus anderen ausnahmebewilligten Geschäften saldiert werden darf. Der Wortlaut der Auflagen zeigt vielmehr, daß die Anerkennungsbehörde im Einvernehmen mit den an der Erteilung der Ausnahmebewilligungen mitwirkenden Finanzbehörden davon ausging, für Zwecke der Besteuerung seien sämtliche ausnahmebewilligten Geschäfte als Einheit anzusehen und ihre Erträge zusammenzurechnen. So enthalten auch die Ausnahmebewilligungen, die nur ein einziges Geschäft betrafen, die Formulierungen: "Das Wohnungsunternehmen unterliegt mit den genehmigungspflichtigen Geschäften der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer ... Das Wohnungsunternehmen hat dem Finanzamt ... zusammen mit den gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen jeweils eine Ergebnisrechnung einzureichen, die den Gewinn aus den bewilligungspflichtigen Geschäften ersehen läßt ... Das Wohnungsunternehmen hat die auf die bewilligungspflichtigen Geschäfte entfallenden Steuern vom Einkommen, Ertrag und Gewerbekapital fristgemäß zu entrichten ... " Die Ausnahmebewilligungen vom 2. Mai 1974 und 7. Februar 1985, die jeweils zwei nicht miteinander zusammenhängende Geschäfte betrafen, enthalten entsprechende Formulierungen. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß bei der Formulierung der abgabenrechtlichen Auflagen lediglich die in der jeweiligen Ausnahmebewilligung aufgeführten Geschäfte als Einheit angesehen wurden.
3. Ein Saldierungsverbot ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 KStG 1977/1984.
Die Vorschrift regelt nicht die Ermittlung des Einkommens. Adressaten des § 5 Abs. 1 Nr. 10 Satz 2 KStG 1977/1984 waren vielmehr die für die Erteilung der Ausnahmebewilligungen nach § 6 Abs. 4 WGG und § 10 Abs. 1 WGGDV zuständigen Behörden. Sie wurden verpflichtet, durch Auflagen abgabenrechtlicher Art sicherzustellen, daß die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen hinsichtlich der ausnahmebewilligten Geschäfte so besteuert werden, als wären diese Geschäfte Gegenstand eines gesondert geführten und voll steuerpflichtigen Teils des Unternehmens. Die Norm entfaltete somit Rechtswirkungen gegenüber den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen nur mittelbar durch die auf ihr beruhenden Auflagen.
Im Streitfall kann ungeklärt bleiben, ob die für die Erteilung der Ausnahmebewilligungen zuständigen Behörden nach § 5 Abs. 1 Satz 2 KStG 1977/1984 berechtigt oder gar verpflichtet waren, in die Ausnahmebewilligungen eine abgabenrechtliche Auflage aufzunehmen, nach der abweichend von den allgemeinen Gewinn- und Einkommensermittlungsvorschriften die Gewinne aus ausnahmebewilligten Geschäften nicht mit Verlusten aus anderen derartigen Geschäften saldiert werden dürfen. Diese Frage würde sich im Streitfall nur stellen, wenn der Klägerin eine entsprechende Auflage gemacht worden wäre.
4. Schließlich läßt sich ein Saldierungsverbot auch nicht aus § 10 Abs. 1 Buchst. c 2. Halbsatz WGGDV herleiten.
Die Vorschrift schließt zwar die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Fälle aus, in denen durch Geschäfte der in §§ 6 bis 9 WGGDV bezeichneten Art die Gemeinnützigkeit des Wohnungsunternehmens beeinträchtigt würde. Sie wird in der Regel eingreifen, wenn durch das Geschäft insgesamt Verluste zu erwarten sind und diese Verluste durch Mittel aus dem gemeinnützigen Bereich abgedeckt werden müßten (s. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 5 KStG Anm. 349, 354; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Stand November 1993, § 5 Rz. 137). Im Streitfall hätten deshalb möglicherweise die nachträglichen Ausnahmebewilligungen vom 7. Februar und 14. Oktober 1985 nicht erteilt werden dürfen, da im Zeitpunkt ihrer Erteilung bereits bekannt war, daß durch die betreffenden Geschäfte erhebliche Verluste entstanden waren. Die etwaige Rechtswidrigkeit der Ausnahmebewilligungen ist aber nicht entscheidungserheblich. Die Ausnahmebewilligungen unterliegen weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit (s. Senatsurteil in BFHE 158, 216, BStBl II 1989, 997).
Fundstellen
Haufe-Index 419843 |
BFH/NV 1995, 69 |