Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der von den Gesellschaftern einer OHG nach den Vorschriften des HGB bestellte Liquidator ist das einzige Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Abwicklungsgesellschaft. Die Zustellung von Steuerbescheiden an den Liquidator ist ausreichend; es bedarf keiner zusätzlichen Zustellung an die Gesellschafter.
Normenkette
AO §§ 219, 239, 233
Tatbestand
Der Bf. ist Gesellschafter einer OHG, die sich seit 1952 in Liquidation befindet.
Der ursprünglich zum Liquidator bestellte Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wurde durch Bescheid der Gesellschafter vom 2. Februar 1953 abberufen. An seine Stelle trat der durch Gesellschafterbeschluß vom 12. März 1953 berufene Wirtschaftsprüfer E., der als Liquidator am 30. März 1953 in das Handelsregister eingetragen wurde. Dieser reichte Anfang Februar 1955 eine Aufstellung des Betriebsvermögens der OHG zum 1. Januar 1953 ein.
Gegen diese Aufstellung erhob der Bf. mit Schreiben vom 9. Februar 1955 Einwendungen. Er erklärte: In der eingereichten Vermögensaufstellung fehle auf der Schuldenseite die von einer AG eingeklagte Forderung von rund 224.000 DM. Wenn dieser Posten berücksichtigt werde, sei für ihn kein Vermögensanteil in der vom Liquidator angegebenen Höhe vorhanden. Falls das Finanzamt die Bewertung nach den Angaben des Liquidators durchführe und er infolgedessen entsprechend zur Vermögensteuer veranlagt werde, müsse er dagegen Einspruch einlegen. Der Liquidator teilte die Ansicht des Bf. bezüglich der Schuld an die AG nicht und ließ den ihm zugestellten Einheitswertbescheid für die OHG unangefochten.
Der Bf. legte gegen die ihm bis dahin noch nicht bekannte Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens Einspruch ein. Er berief sich darauf, daß am 1. Januar 1953, also dem Stichtage der Einheitsbewertung, noch der frühere Liquidator, sein Bevollmächtigter in diesem Verfahren, eingesetzt gewesen sei. Des weiteren bestritt der Bevollmächtigte, daß die Vertretungsbefugnis des Wirtschaftsprüfers E. zu Recht bestehe. Wenn die Gesellschafter mit der Erklärung ihres Liquidators nicht einverstanden seien, hätte das Finanzamt sämtliche Gesellschafter am Verfahren beteiligen müssen. Mindestens hätte der Bescheid ihm, dem jetzigen Steuerbevollmächtigten, oder seinem Mandanten zugestellt werden müssen. Der Wirtschaftsprüfer E. sei nicht befugt gewesen, die Gesellschafter gegen deren Willen durch Steuererklärungen zu binden. Er habe damit seine Vollmacht überschritten.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, der Wirtschaftsprüfer E. sei als Liquidator der allein Bevollmächtigte der OHG gewesen; der Bf. sei als Gesellschafter nicht befugt, ein Rechtsmittel für die OHG i. L. einzulegen. Der Liquidator habe die Interessen sämtlicher Gesellschafter zu vertreten, nicht nur etwa die eines Gesellschafters. Er sei daher auch der allein berechtigte Zustellungsempfänger.
Mit der Rb. werden unrichtige Rechtsanwendung und wesentliche Verfahrensmängel gerügt. Das Finanzgericht habe den Antrag auf Nachsichtgewährung nicht berücksichtigt. Der vom Finanzgericht beigezogene Vertrag vom 2. Februar 1953 sei unerfüllt geblieben. Der Beschluß des Landgerichts vom 2. November 1957 über die Abberufung des Liquidators E. sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Bescheid sei nicht ordnungsgemäß zugestellt; Wirtschaftsprüfer E. sei dem Finanzamt nicht als Zustellungsvertreter im Sinne des § 219 AO benannt worden. Der Mitgesellschafter hätte zum finanzgerichtlichen Verfahren zugezogen werden müssen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Das Finanzamt hat mit Recht die Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1953 von dem Liquidator eingefordert; dieser war verpflichtet, der Aufforderung des Finanzamts Folge zu leisten. Unstreitig ist Wirtschaftsprüfer E. durch Beschluß der Gesellschafter im März 1953 zum Liquidator bestellt und in das Handelsregister eingetragen worden. Die Aufgaben des Liquidators sind durch § 149 HGB bestimmt, der Geschäftskreis erschöpft sich aber nicht in den im Satz 1 genannten Aufgaben. Da mit der Auflösung der Gesellschaft die Befugnis der bisher dazu berufenen Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung aufhört, hat der Liquidator alle mit dem Bestehen der Gesellschaft verbundenen Aufgaben wahrzunehmen. Dazu gehört auch die Erfüllung der mit dem - wenn auch im Abbau befindlichen - Gewerbebetriebe verbundenen Pflichten, zu denen auch die Erfüllung der steuerlichen Pflichten gehört (vgl. Weipert, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Zweite Auflage, § 149 Anm. 2). Der Liquidator ist das einzige Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Abwicklungsgesellschaft; er ist der gesetzliche Vertreter, und zwar nicht der einzelnen Gesellschafter, sondern der Gesellschaft. Die Vertretungsbefugnis des Liquidators kann durch die Vereinbarung der Gesellschafter nur erweitert, nicht beschränkt werden (vgl. § 151 HGB). Diese dem Liquidator durch das Gesetz verliehene Stellung widerlegt die Ansicht des Bf., wenn er meint, der Liquidator habe mit der Einreichung der Vermögensaufstellung an das Finanzamt seine Befugnisse überschritten. Ob einer der Gesellschafter mit den Maßnahmen des Liquidators nicht einverstanden ist, hat das Finanzamt nicht zu prüfen, da nur die Erklärungen des allein vertretungsberechtigten Liquidators maßgebend sind. Die Befugnis des Liquidators zur Vertretung der Gesellschaft beruht auf seiner Berufung zum Abwickler; er bedarf daher zu seiner Tätigkeit innerhalb dieser Grenzen keiner besonderen Vollmacht - wie der Bf. mit seinem Hinweis auf § 219 AO annimmt (vgl. hierzu Staub's Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Vierzehnte Auflage, § 149 Anm. 1 und 20). Da der Liquidator für die Gesellschaft tätig wird, ist auch die Annahme des Bf. irrig, dieser vertrete unzulässigerweise die im Streit liegenden Gesellschafter. Da der Bf. selbst erklärt, eine Abberufung des Liquidators habe bisher nicht stattgefunden, durfte und mußte sich das Finanzamt an den Liquidator halten.
Das Finanzgericht hat auch bereits zutreffend ausgeführt, daß das Finanzamt sich an den Liquidator wenden mußte, der zur Zeit der Abgabe der Erklärung und der Zustellung des Bescheides für die OHG vertretungsberechtigt war und nicht an den inzwischen abgesetzten, am Bewertungsstichtage amtierenden Liquidator. Eine Zustellung an diesen wäre, da er keine Vertretungsbefugnis mehr hatte, unwirksam gewesen. Die übersendung des Einheitswertbescheides an den Wirtschaftsprüfer E. war deshalb geboten. Da der Liquidator für die OHG allein vertretungsberechtigt war, war auch die Benennung eines Zustellungsvertreters beim Finanzamt oder auch eine übersendung an die Gesellschafter nicht mehr erforderlich.
Die Zustellung an den Liquidator ist für die OHG wirksam. Der Einheitswertbescheid wurde unanfechtbar, wenn gegen ihn nicht von einem Rechtsmittelberechtigten ein Rechtsmittel eingelegt wurde. Das ist nicht geschehen.
Die Vorinstanz hat zu Recht ausgeführt, daß der Bf. zur Einlegung eines Rechtsmittels nicht berechtigt gewesen sei. Ein Gesellschafter der OHG kann gegen einen einheitlichen, die OHG betreffenden Feststellungsbescheid nur ein Rechtsmittel einlegen, wenn er die Beteiligung an dem festgesetzten Betrage und dessen Verteilung auf die Beteiligten bestreitet, oder wenn der streitige Punkt nur ihn angeht (ß 239 Abs. 1 AO). Da diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist die Schlußfolgerung des Finanzgerichts, daß nur der Liquidator zur Einlegung eines Rechtsmittels berechtigt war, nicht zu beanstanden. Der vom Bf. eingelegte Einspruch ist daher mit Recht als unzulässig verworfen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 410126 |
BStBl III 1961, 349 |
BFHE 1962, 221 |
BFHE 73, 221 |