Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Fotografen einschließlich der Labortätigkeit gehört nicht zum verarbeitenden Gewerbe.
Normenkette
BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) betreiben in Berlin (West) in der Form einer BGB-Gesellschaft ein Fotoatelier. Sie beschäftigen sich mit der Industriefotografie. Im Jahr 1971 erwarben sie Anlagegüter im Wert von ... DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) gewährte den Klägern dafür eine Investitionszulage von 10 v. H. der Anschaffungskosten. Die Kläger begehren dagegen die erhöhte Investitionszulage von 25 v. H. der Anschaffungskosten mit der Begründung, daß ihr Betrieb zum verarbeitenden Gewerbe - ausgenommen Baugewerbe - gehöre.
Der Einspruch blieb erfolglos. Dagegen hatte die Klage Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, daß sämtliche Laborarbeiten, wie z. B. das Anfertigen von Vervielfältigungen und Reproduktionen, dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen seien. Es nahm darüber hinaus an, daß auch in dem Fotografieren selbst ein Bearbeitungsvorgang insofern zu sehen sei, als dadurch Negativmaterial belichtet werde. Das FG kam somit zu dem Ergebnis, daß die Tätigkeit der Kläger insgesamt einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes darstelle.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Die Herstellung von Fotografien könne nicht in dem Bearbeiten von Papier (dem Belichten von Filmmaterial) gesehen werden, sondern sie beruhe auf einer Summe von Dienstleistungen gestalterischer und technischer Art. Die wirtschaftliche Tätigkeit eines Fotografen bestehe daher in erster Linie in seiner persönlichen Leistung. Zu dem handwerklichen Beherrschen fotooptischer und fotomechanischer Kenntnisse müßten noch psychologisches Einfühlungsvermögen und eine individuelle Wahl der gebotenen Ausdrucksmittel hinzukommen. Dementsprechend sei in dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes das fotografische Gewerbe nicht in Abt. 2 - Verarbeitendes Gewerbe -, sondern in Abt. 7 - Dienstleistungsgewerbe - ausgewiesen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen die Revision zurückzuweisen. Sie machen unter Wiederholung früheren Vorbringens geltend: Im Gegensatz zu anderen fotografischen Tätigkeitsbereichen habe der Fotograf in der Industriefotografie einen sehr geringen Gestaltungsspielraum. Die Form der Fotos werde ihm durch sogenannte Lay-outs (Skizzen oder Fotos als Vorlagen) weitgehend vorgeschrieben. Auch bei technischen Fotos habe er keine besonderen Gestaltungsmöglichkeiten. Darüber hinaus stellten sie in ihrem Betrieb in beträchtlichem Umfang Vervielfältigungen und Reproduktionen her. Der Schwerpunkt dieser Tätigkeit liege also nicht im Aufnahme-, sondern im Laborbereich. Die Laborarbeiten machten im wesentlichen den Umsatz ihres Betriebes aus. Im Labor würden die meisten Investitionen getätigt und fielen die meisten Arbeitslöhne an. Dieser Gesichtspunkt müsse bei der Entscheidung den Ausschlag geben. Reine Fotokopieranstalten würden von der Finanzverwaltung dem verarbeitenden Gewerbe zugerechnet, während Betriebe, die sowohl Fotografien als auch Reproduktionen und Vervielfältigungen herstellen, die erhöhte Investitionszulage nicht bekämen. Darin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG erhöht sich für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in einem Betrieb (Betriebstätte) des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe - unmittelbar oder mittelbar der Fertigung dienen, die Investitionszulage auf 25 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Die Rechtsprechung legt den Begriff des verarbeitenden Gewerbes in engster Anlehnung an das Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes aus (vgl. Urteil des BFH vom 25. Juni 1976 III R 165/73, BStBl II 1976, 612, mit weiteren Nachweisen). Dieses Verzeichnis beruht auf der Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise über die Gruppierungen wirtschaftlicher Institutionen. Es spiegelt also die maßgebende Verkehrsauffassung wider. Auch der Gesetzgeber hat sich bei der Aufnahme der hier streitigen Regelung in das Gesetz auf das statistische Verzeichnis gestützt.
Das fotografische Gewerbe ist in dem Verzeichnis insgesamt unter dem Dienstleistungsgewerbe (Nr. 7187 der Grundsystematik) aufgeführt - fotografisches Gewerbe, Fotoatelier usw. -. Der Werbefotograf wird unter Nr. 71405, also ebenfalls innerhalb des Dienstleistungsgewerbes, geführt. Offenbar sehen die beteiligten Wirtschaftskreise im Vordergrund der Tätigkeit eines Fotografen mehr seine persönliche Leistung und weniger die Bearbeitung von Material (in diesem Fall von Papier durch das Belichten von Negativfilmen und das Herstellen von Abzügen). Diese Einordnung gilt für alle Bereiche der Fotografie. Der Senat sieht deshalb keine Möglichkeit, für die Industriefotografie eine Ausnahme zu machen, weil bei ihr nach dem Vortrag des Klägers die Gestaltungsmöglichkeiten des Fotografen besonders gering sein sollen.
Die Einordnung in das Dienstleistungsgewerbe gilt nicht nur für das eigentliche Fotografieren, sondern auch für die ihm nachfolgenden, mehr technischen Vorgänge, wie z. B. das Entwickeln der Filme, das Herstellen von Abzügen, Vergrößerungen, Reproduktionen usw.; denn hierbei handelt es sich "regelmäßig" nur um eine zusätzliche Tätigkeit des Fotografen, die Ausfluß seiner Haupttätigkeit, nämlich des Fotografierens, ist. Im übrigen sind die Entwicklungsanstalt, die Reproduktionsanstalt und die Vergrößerungsanstalt in Nr. 7187 des statistischen Verzeichnisses auch ausdrücklich mit aufgeführt.
In Nr. 2687 des Verzeichnisses, also innerhalb des verarbeitenden Gewerbes, werden im Zusammenhang mit Druckerei und Vervielfältigung die Licht- und Fotopauserei (Herstellung von Fotokopien, Fotopausen und Lichtpausen) genannt. Auf diese Eingruppierung können sich die Kläger jedoch nicht berufen. Denn die dort genannten Tätigkeiten stellen Haupttätigkeiten dar, während die Laborarbeiten im Betrieb der Kläger lediglich ein notwendiger und unselbständiger Teil ihrer Tätigkeit als Fotograf sind. Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, daß man den vergleichsweise einfach zu handhabenden Vorgang etwa des Fotokopierens nicht mit den ungleich schwierigeren Vorgängen in einem fotografischen Labor vergleichen kann. Eine unterschiedliche Einordnung beider Bereiche in dem statistischen Verzeichnis ist deshalb von der Sache her gerechtfertigt, so daß auch ihre unterschiedliche investitionszulagerechtliche Behandlung keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung darstellt.
Da die Vorentscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif; die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71951 |
BStBl II 1976, 661 |
BFHE 1977, 547 |