Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Das Wohnungseigentum (ß 1 Abs. 2 WEG) und das Teileigentum (ß 1 Abs. 3 WEG) können im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Zur Frage, ob ein Gebäude für eigene oder fremde Rechnung errichtet wurde.
Normenkette
GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 2/3; WEG § 1 Abs. 2, § 1/3; GrEStWGBW 1/1
Tatbestand
Die Bg. erwarben durch zwei Verträge vom 4. Januar 1955 je zur Hälfte:
die Wohnungseigentumseinheit Nr. 205 an einem Wohnblock (Vertrag Nr. 31/1955),
die Teileigentumseinheit Nr. 211 an demselben Wohnblock, eine Garage betreffend (Vertrag Nr. 36/1955).
Während der zu 1. bezeichnete Vertrag als steuerfrei angesehen wurde (und zwar gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 4 des baden-württembergischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 21. September 1953), wurden die Bg. wegen des Vertrages zu 2. zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Streitig ist, ob dieser Vertrag unter eine der Befreiungsvorschriften des § 1 Abs. 1 des bezeichneten Gesetzes fällt. Das Finanzamt hat dies verneint.
Der Einspruch war ohne Erfolg. Auf die Berufung wurden die Bg. von der Steuer freigestellt. Das Finanzgericht verneinte zwar gleichfalls die Anwendbarkeit der bezeichneten Befreiungsvorschriften. Es war aber der Auffassung, daß lediglich der Erwerb des Grund und Bodens der Steuer unterworfen sei, daß jedoch insoweit die Steuerbefreiung des § 3 Ziff. 1 GrEStG zutreffe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
I. - Allerdings ist die Steuervergünstigungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 des vorerwähnten Gesetzes vom 21. September 1953 nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift ist der Erwerb eines unbebauten Grundstücks oder eines Grundstücks mit völlig zerstörten Gebäuden zur Errichtung steuerbegünstigter Wohnungen von der Besteuerung nach dem GrEStG ausgenommen. Wie der Senat in dem Urteil II 204/54 U vom 1. Dezember 1954 (BStBl 1955 III S. 47, Slg. Bd. 60 S. 122), das die Vorschrift des § 1 Ziff. 1 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 betraf, ausgesprochen hat, will das Gesetz die Steuerbegünstigung dem Grundstückserwerber gewähren, der das Grundstück - gleichgültig, ob mit fremden oder eigenen Mitteln - selbst bebaut. Im Urteil II 66/57 U vom 2. September 1959 (BStBl 1959 III S. 453) hat der Senat ergänzend ausgeführt, daß im Sinne des § 1 Ziff. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 steuerbegünstigt ist, wer das Wohngebäude im eigenen Namen errichtet. Die angeführten Urteile betreffen zwar Grundstücke, die nicht im Geltungsbereich des baden-württembergischen Gesetzes vom 21. September 1953 liegen; da die Vorschriften des niedersächsischen Gesetzes und die des nordrhein-westfälischen Gesetzes aber mit den Vorschriften des baden-württembergischen Gesetzes - soweit für den Streitfall in Betracht kommend - übereinstimmen, bestehen keine Bedenken, das baden-württembergische Gesetz entsprechend auszulegen. Unter Errichtung eines Gebäudes mit steuerbegünstigten Wohnungen ist somit, um es zu wiederholen, die Errichtung zu verstehen, die jemand im eigenen Namen vornimmt. Siehe dazu auch das Schrifttum zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, den Begriff des "Bauherrn" betreffend, insbes. Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, 1956, Anm. 3 zu § 33 (S. 437) und Ehrenforth, Kommentar zum Zweiten Wohnungsbaugesetz, 1958, Anm. 1 zu § 33 (S. 284). Im Streitfall wurde das in Betracht kommende Gebäude nicht im Namen der Bg., sondern im Namen der Voreigentümerin errichtet. Die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 des vorerwähnten baden-württembergischen Gesetzes vom 21. September 1953 ist somit schon aus diesem Grunde nicht anwendbar.
II. - Möglich ist jedoch, daß die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Ziff. 4 des vorerwähnten Gesetzes vom 21. September 1953 zur Anwendung kommt. Nach dieser Vorschrift ist der erstmalige Erwerb des Wohnungseigentums unter bestimmten Voraussetzungen von der Besteuerung ausgenommen. Richtig ist zwar, worauf das Finanzamt hinweist, daß die Teileigentumseinheit
bürgerlich-rechtlich eine besondere Einheit ist,
sich in einem anderen Gebäude befindet und
nicht für private Zwecke, sondern nahezu ausschließlich für Berufszwecke Verwendung findet.
Was die Einwendungen zu 1. und 2. betrifft, so ist jedoch zu berücksichtigen, daß Wohnung und Garage sachlich und räumlich eng zusammengehören, sowie ferner, daß Wohnung und Garage offenbar im Verhältnis von Haupt- und Nebensache zueinander stehen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG werden mehrere Grundstücke als ein Grundstück behandelt, wenn sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören. Eine solche wirtschaftliche Einheit ist auch denkbar, wenn derselben Person zugleich ein Wohnungseigentum im Sinne des § 1 Abs. 2 und ein Teileigentum im Sinne des § 1 Abs. 3 des Wohnungseigentumgsgesetzes (WEG) zustehen. Ist es zulässig, ein Einfamilienhaus und das getrennt hiervon auf einem anderen Grundstück desselben Eigentümers errichtete Garagengebäude als wirtschaftliche Einheit anzusehen (ß 2 des Bewertungsgesetzes), so muß, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind, das gleiche zutreffen, wenn eine Wohnungseigentumseinheit (ß 1 Abs. 2 WEG) und eine Teileigentumseinheit (ß 1 Abs. 3 WEG) wirtschaftlich zusammengehören. Bilden Einfamilienhaus und Garage, wenn sie derselben Person zu Eigentum gehören, eine wirtschaftliche Einheit, so kann nichts anderes gelten, wenn es sich, wie im Streitfall, um Eigentum im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 WEG handelt.
Richtig ist auch, daß nicht ein Rechtsvorgang, sondern zwei getrennte Rechtsvorgänge, nämlich die Verträge Nr. 31/1955 und 36/1955, vorliegen. Der Senat hat jedoch keine Bedenken, dennoch einen Rechtsvorgang im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu erblicken, wenn alle Beteiligten trotz der mehreren Verträge beabsichtigen, eine einheitliche Regelung zu treffen, und wenn zwischen den mehreren Verträgen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht.
Der Umstand, daß die Garage fast ausschließlich beruflichen Zwecken dient (Einwendung zu 3.), schließt in Fällen, in denen das Wohngebäude und das Garagengebäude eine wirtschaftliche Einheit darstellen, die Steuerfreiheit gleichfalls nicht aus. Erforderlich ist allerdings, daß mehr als 80 v. H. der anrechenbaren Wohn- und Nutzflächen aller Räume auf Wohnungen und Wohnräume entfallen (ß 3 des vorerwähnten baden-württembergischen Gesetzes vom 21. September 1953).
Die Angelegenheit bedarf daher weiterer Aufklärung, und zwar auch dahingehend, ob die sonstigen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Ziff. 4 des vorerwähnten Gesetzes vorliegen.
III. - Sollte die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Ziff. 4 a. a. O. auch bei erneuter Prüfung verneint werden, so bedarf es noch der Nachprüfung, ob das Finanzgericht mit Recht davon ausgegangen ist, daß den Bg. die Garage wirtschaftlich schon gehörte. Es käme also darauf an, ob die Voreigentümerin die Garage, wie das Finanzamt meint, für eigene Rechnung oder, wie das Finanzgericht entschieden hat, für Rechnung der Bg. errichtete. Im erstgenannten Fall würden sowohl der Erwerb des Sondereigentums an der Garage als auch der des Miteigentumsanteils am Grund und Boden der Steuer unterliegen; im letztgenannten Fall, den das Finanzgericht annimmt, wäre nur der Erwerb des Miteigentumsanteils am Grund und Boden der Steuer unterworfen. Lediglich der Umstand, daß die Bg. der Voreigentümerin die zur Finanzierung erforderlichen Mittel zur Verfügung stellten, reicht nicht aus, um die Garage bereits den Bg. wirtschaftlich zuzurechnen. Es kommt darauf an, ob zwischen den Bg. und der Voreigentümerin ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB abgeschlossen wurde oder nicht (das heißt ein Vertrag, wonach die Voreigentümerin die Garage im Auftrage der Bg. im eigenen Namen, aber für Rechnung der Bg. zu errichten hatte). Dazu wäre auch erforderlich, daß der Voreigentümerin die Pflichten aus §§ 665, 666, 667, 668, 672 BGB oblagen und daß ihr die Rechte aus §§ 665, 669, 670 BGB zustanden. Ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB nicht gegeben (wurde also die Voreigentümerin nicht für Rechnung der Bg. tätig), so könnte ein wirtschaftlicher Erwerb der Garage durch die Bg. nicht anerkannt werden. In diesem Falle hätte der Voreigentümerin bis zum Abschluß des Vertrages vom 4. Januar 1955 die in Betracht kommende Garage sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich gehört. Für diese Auffassung spricht der Wortlaut des § 1 Satz 1 des Vertrages vom 4. Januar 1955 ("Der Wohnblock ist von der Genossenschaft im Jahre 1952/1953 als Bauherrin für eigene Rechnung erstellt worden"). Ob aus dem Satz 2 dieses Paragraphen ("Dieses Treuhandverhältnis der Genossenschaft gegenüber dem übernehmer in bezug auf den übernahmepreis wird hiermit als für uns verbindlich bestätigt") bereits gefolgert werden kann, daß die Voreigentümerin das Gebäude für Rechnung der Bg. errichtete, ist zweifelhaft. Insbesondere kann aus dem Wort "Treuhandverhältnis" wohl kaum ohne weiteres geschlossen werden, daß die Beteiligten ein Treuhandverhältnis im Sinne des § 11 Ziff. 2 oder 3 des Steueranpassungsgesetzes gemeint haben, zumal nur von einem Treuhandverhältnis "in bezug auf den übernahmepreis" gesprochen wird. Empfehlenswert dürfte sein, die Voreigentümerin zu hören.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409501 |
BStBl III 1960, 5 |
BFHE 1960, 10 |
BFHE 70, 10 |