Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Sind HGA-Leistungen im Hinblick auf einen noch einzureichenden Herabsetzungsantrag nach § 104 LAG gestundet worden, und wird eine weitere Stundung abgelehnt, weil der Herabsetzungsantrag mit der erforderlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung noch nicht eingereicht und es außerdem zweifelhaft sei, ob er Erfolg haben werde, so ist die Ablehnung der weiteren Stundung ermessensfehlerhaft, wenn nicht eindeutige Gründe gegen die Gewährung der Wiederaufbauvergünstigung sprechen und die Frist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 LAG noch nicht abgelaufen ist.
Normenkette
AO § 127; FGO § 102; LAG § 104
Tatbestand
Streitig ist, ob die Versagung der weiteren Stundung rückständiger HGA-Leistungen, die mit dem Hinweis auf einen einzureichenden Herabsetzungsantrag nach § 104 LAG begehrt wurde, ermessensfehlerhaft ist.
Auf dem Grundstück der Revisionsklägerin ruht HGA als öffentliche Last. Nach dem Abgabebescheid betragen die Jahresleistungen insgesamt 6.602,14 DM. Bei der HGA-Veranlagung war eine Kriegsschadensquote von 12 v. H. berücksichtigt worden. Die HGA-Leistungen waren vor Erlaß des HGA-Bescheides auf Antrag der Revisionsklägerin wiederholt gestundet worden, wobei stets die Einreichung eines Herabsetzungsantrages nach § 104 LAG angemahnt wurde. Gemäß der Abrechnung auf dem Abgabebescheid beliefen sich nach dem Stand vom 29. November 1962 die Leistungsrückstände auf 31.216,84 DM und 48.737,25 DM, zusammen also auf 79.954,09 DM. Auf Antrag der Revisionsklägerin stundete das Finanzamt (FA) mit Verfügung vom 7. Januar 1963 erneut die rückständigen HGA- Leistungen vorläufig und widerruflich bis zum 15. Februar 1963 und bat, bis dahin den angekündigten Antrag nach § 104 LAG einzureichen. Mit Verfügung vom 6. März 1963 teilte das FA dem Steuerbevollmächtigten der Revisionsklägerin mit, daß die am 15. Februar 1963 abgelaufene Stundung der HGA-Leistungen nicht verlängert werde; es sei überdies zweifelhaft, ob überhaupt eine Vergünstigung nach § 104 LAG in Betracht kommen könne. Mit Rücksicht hierauf erklärte das FA am 14. März 1963, eine weitere Stundung könne nur bewilligt werden, wenn auf die Rückstände bis zum 30. März 1963 eine Abzahlung von 50.000 DM geleistet werde; der Restbetrag würde dann widerruflich bis vorläufig 30. September 1963 gestundet bleiben. Erfolge die Abzahlung nicht rechtzeitig, so müßten sämtliche Leistungsrückstände "fällig gestellt werden". Am 28. März 1963 reichte der Steuerbevollmächtigte der Revisionsklägerin eine Wirtschaftlichkeitsberechnung nach § 104 LAG ein, die einen Verlust von 6.363 DM auswies, und führte dazu aus, die endgültige Wirtschaftlichkeitsberechnung könne noch nicht aufgestellt werden, weil die Schadensbeseitigung noch nicht beendet sei. Aber schon mit der überreichten Wirtschaftlichkeitsberechnung dürfte bestätigt sein, daß ein Antrag nach § 104 LAG Erfolg haben werde. Er bitte daher, die fällig gewordenen und werdenden Abgabeleistungen bis zur Entscheidung über den noch einzureichenden Antrag nach § 104 LAG zu stunden. Im weiteren Verlauf des Schriftwechsels wurde der Zahlungstermin vom FA schließlich auf den 10. April 1963 hinausgeschoben. Nachdem die bis zu diesem Zeitpunkt geforderte Zahlung von 50.000 DM nicht entrichtet worden war, verlangte das FA nunmehr die Zahlung des gesamten Rückstandes an HGA-Leistungen von "rund 80.000 DM" bis zum 30. April 1963 und drohte für den Fall des Nichteinganges der Zahlung die Einleitung von Beitreibungsmaßnahmen an. Das FA führte hierzu aus, die seit dem 1. Juli 1948 im wesentlichen gleichgebliebenen Mieterträge sprächen dafür, daß die Dauerbenutzbarkeit der insgesamt 15 Wohnungen am 20. Juni 1948 bereits wiederhergestellt gewesen sei; es werde daher nach wie vor bezweifelt, ob auf Grund dieser aktenkundigen Tatsachen ein Antrag nach § 104 LAG Erfolg haben könne. Mit der gegen diese Verfügung eingelegten Beschwerde wurde vom Steuerbevollmächtigten geltend gemacht, die Maßnahme des FA sei nicht gerechtfertigt, denn die Wirtschaftlichkeitsberechnung habe die Unwirtschaftlichkeit des Grundstücks im Sinne des § 104 LAG nachgewiesen; der vom FA geforderte Nachweis, daß Dauerbewohnbarkeit infolge der Kriegsschäden nicht vorgelegen habe, werde erbracht werden. Seiner Meinung nach sollte einer weiteren Stundung nichts im Wege stehen, nachdem das FA jahrelang stillgehalten habe. Nach dem Gutachten des Architekten A sei zur Wiederherstellung der Dauerbewohnbarkeit noch die Durchführung von Unterfangarbeiten mit Kosten in Höhe von 250.000 DM sowie verschiedener Wiederherstellungs- und Ausbesserungsarbeiten in Höhe von 122.989,98 DM erforderlich. Seine Mandantin sei nicht in der Lage, den rückständigen Betrag aufzubringen. Da ein Antrag nach § 104 LAG nicht aussichtslos sei, werde nochmals um vorläufige Stundung gebeten bis feststehe, ob und in welcher Höhe eine Zahlung zu leisten sei. Mit Verfügung vom 27. Mai 1963 stundete das FA die rückständigen Leistungen bis zur Entscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) über die Beschwerde.
Die Revisionsbeklagte (OFD) wies die Beschwerde mit förmlicher Beschwerdeentscheidung als unbegründet zurück. Der Herabsetzungsantrag könne keinen Erfolg haben. Es sei zweifelhaft, ob die Setzungsschäden an den Häusern überhaupt auf die Kriegseinwirkungen in der Nachbarschaft dieser Häuser zurückzuführen seien. Außerdem sei eine Herabsetzung auch deshalb ausgeschlossen, weil die Gebäude der Revisionsklägerin trotz der Schäden ständig benutzt worden seien; auch am Währungsstichtag sei ihre Benutzbarkeit in keiner Weise beeinträchtigt gewesen. Eine weitere Minderung der Abgabeschuld nach § 100 LAG sei ausgeschlossen, weil eine änderung der unanfechtbaren Einheitswerte nicht zulässig sei.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Revisionsklägerin habe ihren Stundungsantrag im wesentlichen darauf gestützt, daß sie von der Einreichung eines Herabsetzungsantrages gemäß § 104 LAG Entlastung bei der HGA erwarten könne. Trotz mehrfacher Aufforderung liege ein solcher Antrag jedoch nicht vor. Es könne kein Ermessensvorstoß darin gesehen werden, daß die Finanzverwaltung bei der Ablehnung des Stundungsantrages angenommen habe, die Erfolgsaussichten eines Antrages gemäß § 104 LAG seien nicht gegeben, zumindest aber sehr zweifelhaft. Die Finanzverwaltung habe eine jede Einzelheit berücksichtigende Untersuchung der tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorzunehmen brauchen; eine solche müsse vielmehr einer gesonderten Beurteilung des noch einzureichenden Antrages vorbehalten bleiben. Bei summarischer Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Antrages nach § 104 LAG ergäbe sich jedoch, daß es keinesfalls als sicher zu gelten habe, daß die Schäden an dem Gebäude durch Kriegseinwirkungen hervorgerufen worden seien. Das Haus sei wegen des moorigen Untergrundes auf Betonpfählen errichtet worden. Das Gutachten des Architekten A stelle zwar heraus, daß die Setzungsschäden an dem Gebäude durch Kriegseinwirkungen entstanden seien; andererseits habe der Architekt B in einem bei den Akten befindlichen Gutachten für das dem Grundstück der Revisionsklägerin gegenüberliegende, in ähnlicher Weise beschädigte Gebäude festgestellt, die Setzungen seien vermutlich nicht Kriegsfolgeerscheinungen, vielmehr könne die Einwirkung von Moorsäure eine Zersetzung der Betonpfeiler bewirkt haben, deren Folge dann Senkungen und Setzungen des Gebäudes seien. Aber selbst wenn unterstellt werde, daß die Schäden auf Kriegseinwirkungen beruhten, könne die Erfolgsaussicht eines Antrages nach § 104 LAG bei summarischer Beurteilung des vorliegenden Tatsachenmaterials nicht als sicher erachtet werden. Denn die Wohnungen im Haus der Revisionsklägerin seien in der Nachkriegszeit und am Währungsstichtag uneingeschränkt benutzt worden. Das gehe vor allem daraus hervor, daß die Wohnungen in der Zeit nach dem Kriege ununterbrochen und zwar gegen Entrichtung des vollen Mietzinses zum Gebrauch überlassen worden seien. Wenn am Währungsstichtag bereits die Gefahr einer Unbenutzbarkeit des Gebäudes als Dauerbau insofern bestanden haben sollte, daß das Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt seine Dauerbaueigenschaft verlieren könnte, so rechtfertige eine solche Gefährdung noch nicht die Anwendbarkeit des § 104 LAG. Hierzu werde auf das Urteil des BFH III 118/63 S vom 23. August 1963 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bf. 77 S. 690 - BFH 77, 690 -, BStBl III 1963, 572) Bezug genommen. Die Revisionsklägerin trage selber vor, die Wiederherstellungsarbeiten seien noch nicht abgeschlossen. Ihr Einwand, die Wiederherstellung sei zeitlich nicht begrenzt, gehe fehl. Die oben dargelegten Gesichtspunkte und überlegungen habe die Finanzverwaltung zur Grundlage ihres pflichtgemäßen Ermessens gemacht. Die Kammer habe auch sonst keine Anhaltspunkte feststellen können, die einen Ermessensverstoß der Finanzverwaltung erkennen ließen. Die Gewährung einer Stundung knüpfe das Gesetz (§ 127 AO) an die Voraussetzung, daß die Einziehung der Abgaben mit einer erheblichen Härte für die Abgabepflichtige verbunden sei. Die Einziehung einer Abgabeschuld in Höhe von rund 80.000 DM bedeute sicherlich eine gewisse Härte. Diese Härte sei jedoch nicht erheblich im Sinne des § 127 AO. Die Revisionsklägerin trage selbst vor, außer einer Leibrente in Höhe von 1.000 DM monatlich noch eine Witwenrente zu beziehen. Hinzu kämen die Erträge aus der Vermietung des Wohngrundstücks, die sich nach dem eigenen Vortrag der Revisionsklägerin etwa in Höhe der festgesetzten HGA-Leistungen hielten. Wenn sie einerseits die Mietgelder für 13 Wohnungen sowie für drei Geschäftsräume vereinnahme, sei ihr andererseits auch zuzumuten, Beträge für die Abdeckung der HGA-Leistungsrückstände zurückzulegen. Eine strenge Beurteilung der Stundungsvoraussetzungen sei kein Ermessensmißbrauch. Da sich die Finanzverwaltung im Rahmen des Ermessens gehalten habe, sei die Berufung als unbegründet zurückzuweisen gewesen.
Mit der nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rb. wurde zur Frage, ob es sich bei den Gebäudeschäden um Kriegsschäden handele, das Vorbringen in den Schriftsätzen der Berufungsinstanz im wesentlich wiederholt. Eine Luftmine, die in unmittelbarer Nähe des Gebäudes niedergegangen sei, habe eine Setzung des Gebäudes, Risse im Fundament und Mauerwerk, schwere Schäden am Dach sowie an Fenstern Türen und Fußböden verursacht. In die Kellerräume sei das Wasser eingesickert, so daß diese voll unter Wasser gestanden hätten. Durch das stark beschädigte Dach sowie durch die Risse in den Wänden sei die Feuchtigkeit in das Innere des Gebäudes eingedrungen, Fußböden, Fenster und Türen seien unbrauchbar geworden. Die Kosten zur Beseitigung dieser Kriegsschäden ohne die Kosten für die Unterfangarbeiten würden sich bis 1963 auf 97.992 DM belaufen. Das Gebäude sei trotz der schweren Schäden und der dadurch entstandenen Mängel bewohnt worden. Dies sei eine zwangsläufige Kriegs- und Nachkriegserscheinung in Anbetracht des Wohnungsnotstandes gewesen, aber kein Beweis dafür, daß die Dauerbenutzungsmöglichkeit des Gebäudes durch die Kriegsschäden nicht beeinträchtigt gewesen sei. Die Setzung des Gebäudes sei eine bei der Einheitsbewertung auf den 21. Juni 1948 bereits erwiesene und als Kriegsschaden anerkannte Tatsache. Die Vermutung des FG, es handle sich möglicherweise bei den Schäden am Gebäude nicht um Kriegsschäden, sei unzutreffend. Allein schon die Dachschäden ließen eine solche Vermutung nicht aufkommen. Abgesehen davon seien die Schäden am Gebäude einwandfrei als Kriegsschäden festgestellt worden. Die Verwaltung habe ohne überprüfung angenommen, die Dauerbenutzungsmöglichkeit sei durch die Kriegsschäden nicht beeinträchtigt worden. Baufachleute hätten bestätigt, daß die Dauerbenutzungsmöglichkeit des Gebäudes ohne Beseitigung der Kriegsschäden nicht gegeben wäre. Die Senkung des Gebäudes könne nach dem gegenwärtigen Stand der Untersuchungen als aufgefangen betrachtet werden, so daß die Wiederherstellung des Gebäudes beendet sei. Einer Durchführung des Verfahrens nach § 104 LAG stände nunmehr nichts mehr im Wege. Bei einer noch nicht durchgeführten Herabsetzung sei eine Stundung von Abgabeleistungen im Hinblick auf die zu erwartende Herabsetzung und die ihr entsprechende nachträgliche Leistungsminderung nicht zu versagen. Diesem Tatbestand habe die Verwaltung auch 14 1/2 Jahre Rechnung getragen. Ein Anlaß zur Versagung einer weiteren Stundung habe nach den gegebenen Umständen nicht vorgelegen.
Die Revisionsbeklagte hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es könne nicht Aufgabe dieses Verfahrens sein, die Entscheidung über den von der Revisionsklägerin angekündigten Antrag gemäß § 104 LAG vorwegzunehmen. Dies aber versuche die Revisionsklägerin offenbar zu erreichen, wenn sie auch jetzt wieder behaupte, die Voraussetzungen des § 104 LAG lägen vor, ohne bisher die dazu notwendigen Angaben gemacht zu haben. Das FG habe deshalb zu Recht darauf abgestellt, die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags nur summarisch zu betrachten. "Bedurft hätte es selbst dieser Prüfung nicht, weil unstreitig die Dauerbenutzbarkeit des Gebäudes am 21. Juni 1948 nicht aufgehoben" gewesen sei und damit schon einem Antrag nach § 104 LAG jeder Erfolg versagt bleiben müsse. Darüber hinaus habe die Revisionsklägerin nicht hinreichend überzeugend darlegen können, daß die Behaupteten Setzungsschäden nicht auf die Untergrundverhältnisse zurückzuführen seien. Das FG weise im Urteil mit Recht darauf hin, daß das hierzu vorgelegte Gutachten des Architekten A jeder Begründung entbehre. Das von der Revisionsklägerin selbst vorgelegte Gutachten des Architekten B besage für benachbarte Gebäude das Gegenteil; eingetretene Setzungsschäden seien nicht auf Kriegseinwirkungen, sondern auf die Beschaffenheit des Untergrundes zurückzuführen. Zudem habe der Architekt A festgestellt, die Setzungsschäden am Haus der Revisionsklägerin seien kaum zu beseitigen. Wenn aber eine Wiederherstellung nicht möglich sei, sei eine Herabsetzung nach § 104 LAG ebenfalls ausgeschlossen. Das FG sei bei der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse und der vorliegenden Gutachten dahin gekommen, daß die Erfolgsaussichten eines Antrags nach § 104 LAG aus mehrfachen Gründen zumindest sehr zweifelhaft seien. Unter diesen Umständen sei eine weitere Stundung der Rückstände nicht zu vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Beschwerdeentscheidung der OFD.
Die Ablehnung der begehrten Stundung wegen Wiederaufbaumaßnahmen ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nach Ausschöpfung des Verwaltungsrechtsweges daraufhin nachgeprüft werden kann, ob sie rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 FGO). Gegenstand der Nachprüfung in diesem vor Inkrafttreten der FGO anhängig gewordenen Verfahren ist der Verwaltungsakt in Gestalt der letzten Verwaltungsentscheidung, die zur Anrufung des FG geführt hat, das ist die Entscheidung der OFD (vgl. auch BFH-Urteil IV 178/65 vom 10. Februar 1966, BFH 84, 477, BStBl III 1966, 174).
Begründet wird die ablehnende Beschwerdeentscheidung in erster Linie mit der Erfolglosigkeit des Herabsetzungsantrages. Daraus ist zu folgern, daß einer Stundung der HGA-Leistungen nach Ansicht der OFD nichts im Wege gestanden hätte, wenn der Herabsetzungsantrag Erfolg haben würde. Hiernach ist die Verwaltung auch sonst in den meisten Fällen verfahren; war ein Herabsetzungsantrag nach § 104 LAG zu erwarten, so wurden die Leistungen in Höhe der Auswirkungen der zu erwartenden Herabsetzung gestundet. Dies entsprach einmal der wirtschaftlichen Notwendigkeit, dem aufbauwilligen Grundstückseigentümer nicht die zum Wiederaufbau oder zur Wiederherstellung benötigten Mittel durch Einziehung der dann später doch wieder zu erstattenden HGA-Leistungen zu schmälern, und ferner dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß niemand etwas fordern dürfe, was er in unmittelbarer oder nächster Zukunft wieder zurückerstatten müsse (dolo facit, qui petit, quod redditurus est). Auch im Streitfall hatte die Verwaltung über 14 Jahre lang nach diesen Grundsätzen die Zahlungen auf die Umstellungsgrundschuld und später die HGA-Leistungen gestundet. Mit Rücksicht hierauf muß die Ablehnung der weiteren Stundung dann als ermessensfehlerhaft angesehen werden, wenn die Stundung nach den vorgenannten Grundsätzen weiter zu gewähren gewesen wäre, wenn also die Voraussetzungen für eine weitere Stundung nach diesen Grundsätzen weiterhin bestanden hätten. Die Erwägungen, auf Grund deren die Revisionsbeklagte meint, das Vorliegen dieser Voraussetzungen nunmehr verneinen zu müssen, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Vorinstanz ist allerdings darin beizupflichten, daß es sich im anhängigen Verfahren nicht bereits um eine Entscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Herabsetzung nach § 104 LAG handeln kann, diese Frage im Rahmen der Ermessensnachprüfung vielmehr nur einer summarischen Beurteilung unterliegt.
Nach der angefochtenen Beschwerdeentscheidung soll der Herabsetzungsantrag nach § 104 LAG einmal deshalb keinen Erfolg haben, weil es zweifelhaft sei, ob die Setzungsschäden an den Häusern überhaupt auf Kriegseinwirkungen zurückzuführen seien, und möglicherweise nicht die Kriegseinwirkungen, sondern der moorige Baugrund die Schäden verursacht habe. Dieser Ansicht, die auch von der Vorinstanz gebilligt wird, vermag der Senat nicht zu folgen, denn allein Zweifel daran, ob Kriegsschäden vorliegen, können eine Ablehnung des Herabsetzungsantrags nicht rechtfertigen. Die Herabsetzung wäre nur dann unzulässig, wenn die Kriegsschädeneigenschaft ohne jeden Zweifel zu verneinen wäre. Außerdem beruhen die Zweifel der Revisionsbeklagten, denen sich die Vorinstanz angeschlossen hat, auf einem Gutachten über die Beschaffenheit von Grundstücken, die nicht der Revisionsklägerin gehören, und zwar von benachbarten Grundstücken, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse möglicherweise anders gelegen haben können; auch betrifft dieses Gutachten nicht die besondere Frage, ob es sich um Kriegsschäden handelt, sondern nur die Beschaffenheit und Nutzungsdauer dieser Nachbarhäuser. Die Aussage dieses Gutachtens zu der hier allein interessierenden Frage ist im übrigen in seiner Formulierung unklar und in sich widersprüchlich, wenn es unter anderem dort heißt:
"Volltreffer haben beide Häuser nie erhalten. Ich bin der Meinung, daß die jetzigen Rissebildungen keine Kriegsschadensfolgeerscheinungen sind, obwohl durch die Bomben, die in der Nähe der Häuser einschlugen, Verschiebungen des moorigen Untergrundes eingetreten sein können.
Auch kann die Einwirkung der Moorsäure eine Zersetzung der Betonpfeiler hervorgerufen haben, wodurch Senkungen und Setzungen die Folge sind."
Da der Kriegsschädenbegriff bei der HGA ein weitergehender ist als bei der Vermögensabgabe und gemäß § 95 LAG ausdrücklich auch sogenannte Kriegsfolgeschäden darunter fallen, erscheint die Verwendbarkeit dieses Gutachtens im Streitfall sehr bedenklich. Die Vorinstanz hat dies ebenfalls verkannt, wenn sie ausführt, in dem vorerwähnten Gutachten sei "festgestellt", daß die Setzungen "vermutlich" nicht Kriegsfolgeerscheinungen seien; eine Vermutung ist keine Feststellung. Die OFD hat darüber hinaus den Umstand unberücksichtigt gelassen, daß die HGA gemäß § 100 LAG gemindert worden ist, und zwar mit einer Schadensquote von 12 v. H. Insoweit sind also Kriegsschäden unstreitig am 21. Juni 1948 noch vorhanden gewesen, deren Beseitigung ohnehin schon eine Wiederherstellungsvergünstigung nach § 104 LAG rechtfertigen könnte, sofern die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. Die Behandlung der Kriegsschadensfrage seitens der Verwaltung, insbesondere seitens der Revisionsbeklagten, rechtfertigt nach alledem nicht die Schlußfolgerung der OFD, ein Herabsetzungsantrag könne keinen Erfolg haben.
Nach der Beschwerdeentscheidung soll dem Herabsetzungsantrag ferner deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil die Benutzbarkeit des Gebäudes für den Zweck, für den es vorgesehen war, nicht verlorengegangen sei, denn die Gebäude seien trotz der Schäden immer benutzt worden und ihre Benutzbarkeit sei am Währungsstichtag in keiner Weise beeinträchtigt worden. Dieses Argument steht mit der Rechtsprechung des Senats in Widerspruch (vgl. Urteil III 118/63 S., a. a. O.), was von der Vorinstanz bereits erkannt worden ist. Die Vorinstanz hat jedoch dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, daß die Gebäude am Währungsstichtag uneingeschränkt gegen Entrichtung des vollen Mietzinses benutzt worden seien, und hat daraus gefolgert, daß zu diesem Zeitpunkt die Dauerbaueigenschaft noch nicht verloren gewesen sei, sondern allenfalls die Gefahr bestanden habe, die Gebäude könnten später einmal ihre Dauerbaueigenschaft verlieren. Ob die Dauerbaueigenschaft am Währungsstichtag bereits verloren gewesen ist oder nicht, kann nicht danach beurteilt werden, ob zu diesem Zeitpunkt die Benutzung der Gebäude uneingeschränkt oder nur eingeschränkt möglich gewesen ist. Der Grad der Benutzbarkeit kann einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Dauerbaueigenschaft abgeben, muß dies aber nicht. Ist infolge eines Kriegsschadens die Dauerbaueigenschaft eines Gebäudes verlorengegangen, so hat dies häufig auch die Beeinträchtigung seiner Benutzbarkeit zur Folge. Der Gesetzgeber hätte deshalb, wenn ihm dies richtiger erschienen wäre, die Wirkungen des § 104 LAG auch an das Begriffsmerkmal der Benutzbarkeit anknüpfen können. Er hat dies aber nicht getan, sondern hat die Dauerbaueigenschaft als das gesetzliche Begriffsmerkmal für maßgeblich bezeichnet. Dies hat das FG verkannt. Darüber zu urteilen, ob im Fall von Kriegseinwirkungen die Gebäude durch Beschädigung ihre Dauerbaueigenschaft am Währungsstichtag bereits verloren hatten oder nicht, wird im Zweifel den Sachverständigen vorbehalten bleiben müssen; der Verwaltung und dem FG wird eine eigene Beurteilung dieser bautechnischen Fragen nur in ganz klarliegenden Fällen möglich sein. Die in den Akten befindlichen Gutachten haben zu dieser Frage nicht ausdrücklich und eindeutig Stellung genommen und dürften daher nicht ausreichen, dem Gericht die fehlende eigene Sachkunde zu ersetzen. Aber selbst diese unzureichenden Gutachten dürften mehr für als gegen den Verlust der Dauerbaueigenschaft sprechen.
Zur Stützung der Beschwerdeentscheidung wird in der Vorentscheidung darauf hingewiesen, die Revisionsklägerin habe selbst vorgetragen, die Wiederherstellungsarbeiten seien noch nicht abgeschlossen. Dabei gehe ihr Einwand, die Wiederherstellung sei zeitlich nicht begrenzt, fehl. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats III 118/63 S, a. a. O., worin hervorgehoben ist, daß gemäß § 104 LAG die Wiederaufbauvergünstigung nur gewährt wird, wenn das Gebäude innerhalb einer bestimmten Zeit als Dauerbau wiederhergestellt ist, meint das FG, dieser Zeitpunkt sei durch § 104 LAG auf den "31. März 1956, verlängert bis 31. Dezember 1962" bestimmt. Die Vorinstanz hat dabei übersehen, daß dieser Zeitpunkt bereits 1/4 Jahr vor Ergehen der Beschwerdeentscheidung durch das Sechzehnte Gesetz zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes (16. ändGLAG) vom 23. Mai 1963 (BGBl I S. 360; BStBl I S. 479) auf den 31. Dezember 1965 verlegt worden ist, die Revisionsklägerin also die Möglichkeit hatte, bis 31. Dezember 1965 die Wiederherstellung der Häuser als Dauerbau durchzuführen. Die Antragstellung war der Revisionsklägerin im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung mithin nicht etwa durch Nichteinhaltung der Wiederherstellungsfrist verwehrt. Andererseits kann ein Herabsetzungsantrag mit der erforderlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung auch nicht vor Abschluß des Wiederaufbaus bzw. der Wiederherstellung gestellt werden. Die Ausführungen der Vorinstanz am Ende des Urteils, weil der bereits im Jahre 1962 angekündigte Herabsetzungsantrag trotz mehrfacher Aufforderung noch nicht eingereicht worden sei, könne es der Finanzverwaltung bei einer gerechten Interessenabwägung nichtzugemutet werden, einen so hohen Betrag praktisch auf ungewisse Zeit zu stunden, ohne daß ein Antrag nach § 104 LAG eingereicht werde, gehen daher fehl. Denn solange die Möglichkeit der Wiederaufbauvergünstigung nach § 104 LAG besteht und nicht eindeutige Gründe gegen eine Gewährung der Wiederaufbauvergünstigung sprechen, muß aus den eingangs genannten Gründen die Stundung der HGA-Leistungen aufrechterhalten werden. Die Vorinstanz hat den Sinn und Zweck der Wiederaufbauvergünstigung nicht zutreffend gewürdigt, wenn in der Vorentscheidung ausgeführt wird, die Revisionsklägerin hätte "durch geeignetes Disponieren" die Nachforderung in voller Höhe vermeiden können, auch wäre die Aufnahme eines Bankkredits usw. zumutbar gewesen. Durch die Wiederaufbauvergünstigung und durch die Aussicht, die HGA nicht oder nicht in der vollen Höhe zahlen zu müssen, sollte den abgabepflichtigen Grundstückseigentümern mit kriegsgeschädigten Häusern ja gerade ein Anreiz zum Wiederaufbau gegeben werden, wobei sie die für die HGA bereitzustellenden Gelder eben nicht zurücklegen, sondern für den Wiederaufbau verwenden konnten. Der Wiederaufbau stand nach dem Willen des Gesetzgebers im Vordergrund des öffentlichen Interesses. Die Vorentscheidung, die diese Gesichtspunkte verkannt und den fehlerhaften Ermessensgebrauch der Revisionsbeklagten nicht erkannt hat, war daher aufzuheben. Dem Senat erschien es angezeigt, gleichzeitig auch die nach den obigen Ausführungen ermessensfehlerhafte Beschwerdeentscheidung aufzuheben. Die OFD wird unter Beachtung der Entscheidungsgründe erneut über die Beschwerde zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 412270 |
BStBl III 1967, 49 |
BFHE 1967, 113 |
BFHE 87, 113 |