Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Die Wiederaufbauvergünstigung setzt im Falle der Wiederherstellung eines beschädigten Gebäudes - im Gegensatz zum Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes - nicht notwendig voraus, daß das beschädigte Gebäude überhaupt nicht mehr benutzbar gewesen ist; erforderlich ist vielmehr, daß das Gebäude - trotz etwaiger Weiterbenutzung - infolge der Kriegsschäden nicht mehr für eine auf die Dauer berechnete und gewährleistete Benutzung geeignet gewesen ist.

Als Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG sind alle Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dauerbenutzungsmöglichkeit eines Gebäudes anzusehen, die nach Art und Umfang über den Rahmen normaler und üblicher Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten hinausgehen. Wann dies vorliegt, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden.

Ob auch bei dem Zusammentreffen einer Mehrheit von Schäden, deren Behebung im einzelnen noch im Rahmen normaler Instandsetzungsarbeiten liegen mag, die Dauerbaueigenschaft durch die Häufung der Schäden verlorengegangen ist und daher eine Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG angenommen werden kann, hängt vom Einzelfall ab.

 

Normenkette

LAG § 104

 

Tatbestand

Das mit mehreren Grundpfandrechten belastete Grundstück der Bgin. hatte erhebliche Kriegsschäden erlitten. Während der Schadensgrad bei einer im Jahre 1951 durchgeführten Schadenserhebung bei dem Vorderhause nur 2,5 v. H. betrug, wurde der Schadensgrad bei den Quergebäuden mit 72,3 v. H. und bei den Seitenflügeln mit 83,9 v. H. ermittelt. Quergebäude und Seitenflügel dürfen infolge behördlicher Anordnung nicht wieder aufgebaut werden. Die Bgin. ist unter Zugrundelegung einer Schadensquote von insgesamt 64,67 v. H. unanfechtbar zur HGA veranlagt worden. Sie stellte nunmehr einen Antrag auf Herabsetzung der Abgabeschulden wegen Wiederaufbaues gemäß § 104 LAG. Vor Entscheidung über den Antrag bat die beauftragte Stelle um Mitteilung, in wieviel Wohnungen, obwohl sie dauernd weiter bewohnt würden, Kriegsschäden beseitigt worden seien, deren Nichtbeseitigung die dauernde Benutzbarkeit der Wohnungen eingeschränkt hätte. Die Bgin. antwortete, daß zwar ein Teil der Wohnungen kriegsbeschädigt gewesen sei; wie aber aus den Rechnungen hervorgehe, seien die Kriegsschäden nicht solche gewesen, daß ihre Nichtbeseitigung die dauernde Benutzbarkeit der Wohnungen eingeschränkt hätte. Daraufhin lehnte das Finanzamt die Herabsetzung der HGA gemäß § 104 LAG ab. Der zerstörte Gebäudeteil könne nicht wieder aufgebaut werden. Bei dem stehengebliebenen Gebäudeteil seien die Kriegsschäden nicht solche gewesen, daß ihre Nichtbeseitigung die dauernde Benutzbarkeit der Wohnungen eingeschränkt hätte.

Mit dem Einspruch wurde geltend gemacht, die Wiederaufbauvergünstigung des § 104 LAG setze nicht den Verlust bzw. die Wiedergewinnung von Nutzraum voraus. Im übrigen seien aber hier so erhebliche Kriegsschäden vorhanden gewesen, daß Wohnräume nicht mehr dauernd benutzbar gewesen seien. Das ergebe sich aus den Bauhandwerkerrechnungen über die Instandsetzung der Toiletten, aus den Glaserrechnungen, den Dachdeckerrechnungen und den Bautischlerrechnungen über Anfertigung neuer Fensterflügel und Fußbodenerneuerung. Durch die Kriegseinwirkung sei das Dach wasserdurchlässig geworden. Regen und Schmelzwasser seien in die einzelnen Flurtoiletten eingedrungen und hätten die Toilettenfußböden verfaulen lassen. Auch die unter dem Dach liegenden Wohnungen seien in Mitleidenschaft gezogen worden. Durch die Ausbombung der Nachbarhäuser und der eigenen Seitenflügel und Quergebäude seien auch erhebliche Schäden durch Luftdruck an den Decken, Wänden, Fenstern und Türen entstanden, was auch aus den eingereichten Handwerkerrechnungen hervorgehe. Infolge Zerstörung des ersten rechten Seitenflügels, der an das stehengebliebene Vorderhaus anschloß, seien die Zimmer, die an diesen Seitenflügel angrenzten, durch Witterungseinflüsse beeinträchtigt worden, da die zur Außenwand gewordenen Trennwände durch die Witterung mehr und mehr beschädigt worden seien. Dies habe dazu geführt, daß die Wände begradigt und verputzt werden mußten, anderenfalls wäre die Nässe ungehindert weiter in diese Zimmer eingedrungen und hätte sie auf die Dauer unbenutzbar gemacht. Diese Tatsachen ergäben sich aus der schriftlichen Erklärung eines Angestellten der Bgin., der das in Frage stehende Grundstück seit der Währungsreform bis 1955 in baulicher Hinsicht betreut habe.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt führte aus, Wiederaufbau oder Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG seien nur gegeben, wenn Wohnraum oder sonstiger Nutzraum durch Kriegsereignisse für eine Dauerbenutzung verlorengegangen und durch die Schadensbeseitigung für eine dauernde Nutzung wiedergewonnen und im Sinne der Ersten Berechnungsverordnung (I. BVO) von neuem bezugsfertig geworden seien. Es handle sich dagegen nicht um einen Wiederaufbau oder eine Wiederherstellung, sondern um eine bloße Instandsetzung, wenn die dauernde Benutzbarkeit von Wohnraum oder von sonstigem Raum für den Zweck, für den er vorgesehen war, durch den entstandenen Kriegsschaden nicht verlorengegangen sei. Entgegen ihrer Darstellung in der Einspruchsbegründung hätte die Bgin. im Schreiben vom 22. November 1960 auf Anfrage ausgeführt, die Kriegsschäden im Vordergebäude wären so gering gewesen, daß ihre Nichtbeseitigung die dauernde Benutzbarkeit der Wohnungen nicht eingeschränkt hätte. Anhand der vorgelegten Unterlagen hätte nicht nachgewiesen werden können, daß Wohn- oder sonstiger Nutzraum infolge der Kriegsschäden verlorengegangen und durch Maßnahmen der Bgin. wiederhergestellt worden sei, da sämtliche Wohnungen benutzbar geblieben seien. Die nachgewiesenen Kosten beträfen, abgesehen von der Dachinstandsetzung, nur solche Schäden, die zur Erhaltung des bestimmungsmäßigen Gebrauches aufgewendet worden seien, um die durch Abnutzung, Alterung und Witterungseinwirkungen entstandenen baulichen oder sonstigen Mängel ordnungsmäßig zu beseitigen. Bei der Dachinstandsetzung handle es sich um Arbeiten, die verhältnismäßig schnell und mit geringem Kostenaufwand behebbar gewesen seien, weshalb dauernder Verlust der Raumnutzung nicht anerkannt werden könne. Eine Mietminderung - außer durch den Wegfall der in dem zerstörten Gebäudeteil befindlichen Waschküche - sei nicht eingetreten. Auch seien Unterlagen der Bau- oder Gesundheitsaufsicht darüber, daß etwa eine dauernde der Zweckbestimmung entsprechende Benutzung der Wohnungen nicht gestattet sei, nicht vorgelegt worden.

Die Berufung hatte Erfolg. Die Vorinstanz setzte die HGA mit Wirkung vom 1. Juli 1948 auf 0 DM herab. Sie sah als erwiesen an, daß auch das Vorderhaus durch Kriegshandlungen beschädigt und im Sinne des § 104 LAG als Dauerbau wiederhergestellt worden sei. Ob durch die Beschädigung bereits nutzbarer Raum verlorengegangen wäre, der durch die Beseitigung des Kriegsschadens wiedergewonnen worden sei, sei ohne Bedeutung. Allerdings genüge für die Gewährung der Wiederaufbauvergünstigung nicht die Beseitigung jedes durch Kriegsereignisse entstandenen Gebäudeschadens; vielmehr sei Voraussetzung, daß vor der Wiederherstellung das Gebäude so beschaffen gewesen sein müsse, daß es nicht mehr als Dauerbau habe angesehen werden können. Zwar habe der Bundesfinanzhof im Urteil III 311/61 U vom 27. April 1962 (BStBl 1962 III S. 317, Slg. Bd. 75 S. 133) ausgeführt, ein Fall der Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG hätte deshalb nicht angenommen werden können, weil die betreffenden Wohnräume ohne Unterbrechung bewohnt worden seien. Jedoch könne allein auf Grund der Tatsache, daß im Zeitpunkt der Kriegsschadensbeseitigung nicht ein einziger Raum unbenutzbar gewesen sei, nicht zwingend eine Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG verneint werden. Die Benutzbarkeit des Gebäudes für den Zweck, für den es vorgesehen war, sei auch dann durch Kriegsschaden auf die Dauer verlorengegangen, wenn sämtliche Räume zur Zeit der Kriegsschadensbeseitigung ihrem Zweck entsprechend noch tatsächlich genutzt worden seien, der eingetretene Kriegsschaden aber adäquat kausal sei für den Eintritt der Unbenutzbarkeit in absehbarer Zeit, die Gefahr der Unbenutzbarkeit dem Gebäude also schon unmittelbar angehaftet habe. Es sei sinnwidrig, bei solchen Schäden erst solange zuzuwarten, bis sie ein solches Ausmaß erreicht hätten, daß den Anforderungen der Finanzverwaltung hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Wiederaufbauvergünstigung Genüge getan sei, also der Verlust von Räumen nachgewiesen werden könne. Durch die Vorlegung der Rechnungen von beteiligten Handwerkerfirmen, durch die Erklärungen des Angestellten der Bgin. sowie des Inhabers der Baufirma und durch das Gutachten eines Grundstückssachverständigen sei der Nachweis erbracht, daß das Vorderhaus durch Kriegseinwirkung stark beeinträchtigt worden sei und es sich bei den ausgeführten Arbeiten um die Beseitigung von Kriegsschäden gehandelt habe. Es liege auf der Hand, daß die Schäden am Vorderhaus, wären sie nicht beseitigt worden, innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Frist bis zum 31. Dezember 1962 den Verlust von Wohn- und Nutzräumen zur Folge gehabt hätten. Da die Wirtschaftlichkeitsberechnung einen Fehlbetrag ergebe, habe dem Antrag auf Herabsetzung der HGA auf 0 DM stattgegeben werden müssen.

Mit der Rb. des Vorstehers des Finanzamts wird vorgetragen, eine Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG sei nicht gegeben, wenn die Wohngebäude ohne Unterbrechung bewohnt worden seien, es sei denn, sie seien nur notdürftig bewohnbar gewesen. Der Auffassung der Vorinstanz müsse schon darum entgegengetreten werden, weil sonst auch nur die kleinste Beschädigung des Daches, wie sie fast jeder Grundstückseigentümer aufzuweisen habe, eine Wiederaufbauvergünstigung rechtfertigen würde. Die Vorentscheidung stehe auch im Gegensatz zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 311/61 U vom 27. April 1962.

Die Bgin. weist demgegenüber darauf hin, daß es sich bei dem in Frage stehenden Kriegsschaden keineswegs um einen geringfügigen Dachschaden gehandelt und sie auch den Verlust von Wohnraum (Flurtoilette) nachgewiesen habe. Darüber hinaus bittet die Bgin., zu der Rechtsfrage Stellung zu nehmen, ob § 104 LAG den Dauerverlust von Wohn- oder sonstigem Nutzraum voraussetzt, oder ob auch solche an anderen Gebäudeteilen eingetretenen Schäden die Dauerbaueigenschaft der Baulichkeiten beseitigt haben können.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Gemäß § 104 LAG wird die Wiederaufbauvergünstigung, sofern die Voraussetzungen hinsichtlich des Ergebnisses der Wirtschaftlichkeitsberechnung vorliegen, in zwei Fällen gewährt, und zwar einmal dann, wenn auf dem belasteten Grundstücke ein Gebäude durch Kriegsschäden im Sinne des § 95 LAG zerstört und bis zu einer bestimmten Zeit als Dauerbau wiederaufgebaut worden ist, und ferner in dem Fall, daß auf dem belasteten Grundstücke ein Gebäude durch Kriegseinwirkungen im oben bezeichneten Sinne nur beschädigt und bis zu einer bestimmten Zeit als Dauerbau wiederhergestellt worden ist. Während die Feststellung der Zerstörung und des Wiederaufbaues eines Gebäudes als Dauerbau im Sinne des § 104 LAG - von Sonderfällen abgesehen - im allgemeinen keine Schwierigkeiten bereiten wird, ist die Feststellung, wann ein Gebäude im Sinne des § 104 LAG als beschädigt und als Dauerbau wiederhergestellt anzusehen ist, oft schwierig. Wie der Senat im Urteil III 25/58 U vom 15. Januar 1960 (BStBl 1960 III S. 143, Slg. Bd. 70 S. 381) ausgesprochen hat, findet § 104 LAG auch bei Schäden Anwendung, die unter der durch § 100 Abs. 5 LAG bezeichneten Grenze (Bagatellschäden) liegen. Andererseits kann eine Wiederaufbauvergünstigung dann nicht gewährt werden, wenn die Kriegsschäden - wie in dem Fall, über den der Senat durch Urteil III 311/61 U vom 27. April 1962 entschieden hat - ihrer Art und ihrem Umfang nach so beschaffen waren, daß das Gebäude einer Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG nicht bedurfte und daher auch ohne Einschränkungen seiner bisherigen Zweckbestimmung gemäß weiterbenutzt werden konnte. Was unter einer Wiederherstellung als Dauerbau im Sinne des § 104 LAG zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt. Wie im Urteil des Bundesfinanzhofs III 311/61 U ausgeführt, kann dieser Begriff nicht dem gleichlautenden Begriff in § 2 Abs. 3 der I. BVO gleichgesetzt und dessen Erläuterung nicht für die Voraussetzungen des § 104 LAG übernommen werden. Eine Beschädigung ist dem allgemeinen Sprachgebrauch nach gegenüber der Zerstörung das geringere. Wie auch sonst eine nur beschädigte Sache - im Gegensatz zur zerstörten Sache - einer weiteren Benutzung fähig sein kann, so wird auch ein nur beschädigtes Gebäude noch effektiv benutzt werden können. Die Wiederherstellung eines beschädigten Gebäudes setzt daher - im Gegensatz zum Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes - nicht notwendig voraus, daß das beschädigte Gebäude überhaupt nicht mehr benutzbar gewesen ist. Man würde der vom Gesetzgeber in § 104 LAG getroffenen Unterscheidung in zerstörte Gebäude, die wieder aufzubauen sind, und beschädigte Gebäude, die einer Wiederherstellung bedürfen, nicht gerecht werden, wenn man in beiden Fällen die Nichtbenutzbarkeit als Voraussetzung annehmen würde; denn damit würde die Unterscheidung insoweit gegenstandslos sein. Eine Beeinträchtigung in der Benutzung des Gebäudes wird zwar mit der Beschädigung häufig verbunden sein, sie ist aber nicht entscheidend. Notwendige Voraussetzung für die Annahme einer Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG ist vielmehr, daß das Gebäude durch die Kriegsschäden in einen Zustand versetzt worden ist, der eine Wiederherstellung als Dauerbau erforderlich macht. Dies bedeutet einmal, daß das Gebäude trotz seiner tatsächlichen Weiterbenutzung infolge der Kriegsschäden nicht mehr als Dauerbau anzusehen und in diesem Zustand daher nicht mehr für eine auf die Dauer berechnete und gewährleistete Benutzung geeignet ist, die Dauerbaueigenschaft und damit die Dauerbenutzbarkeit vielmehr erst wiederhergestellt werden muß, und ferner, daß die Maßnahmen zur Wiederherstellung selbst nicht provisorischer Art sein dürfen, sondern geeignet sein müssen, das Gebäude als Dauerbau wiederherzustellen. Wann der Charakter als Dauerbau infolge der Kriegsschäden als verloren anzusehen ist, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Von einem Verlust der Dauerbaueigenschaft kann jedoch dann nicht gesprochen werden, wenn die Schäden nur der Art waren, daß ihre Beseitigung sowohl nach Art als auch nach Umfang über den Rahmen von normalen und üblichen Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten nicht hinausgeht. Denn die laufenden Instandsetzungsarbeiten dienen nicht der Wiederherstellung der Dauerbenutzungsmöglichkeit eines Gebäudes, sondern deren Erhaltung. Wiederherstellung eines Gebäudes in diesem Sinn ist also alles das, was noch nicht als Wiederaufbau anzusehen ist, aber nicht mehr den üblichen und laufenden Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten gleichgesetzt werden kann. Die Entscheidung darüber, was im einzelnen zu den Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten zu rechnen und was als Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG anzusehen ist, kann nur von Fall zu Fall getroffen werden. Damit scheiden die Fälle aus, in denen die Kriegsschäden so gering gewesen sind, daß ihre Beseitigung Art und Umfang normaler Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten nicht überschritten hat. Ob auch bei dem Zusammentreffen einer Mehrheit von Schäden, deren Behebung im einzelnen noch im Rahmen normaler Instandsetzungsarbeiten liegen mag, durch die Häufung die Dauerbaueigenschaft verlorengegangen und daher eine Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG angenommen werden kann, hängt vom Einzelfall ab. Ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen ein als Dauerbau errichtetes Gebäude durch Kriegsschäden in dem Maße beschädigt worden, daß es dadurch nicht mehr für eine auf die Dauer berechnete Benutzung geeignet ist, so führt die in der Zeit vom 21. Juni 1948 ab erfolgte Wiederherstellung des Gebäudes als Dauerbau nach Maßgabe des § 104 LAG zur Gewährung der Wiederaufbauvergünstigung.

In der Vorentscheidung ist der Sachverhalt im wesentlichen zutreffend gewürdigt. Nicht gebilligt werden könnte jedoch, wenn die Vorinstanz der Meinung sein sollte, es genüge als Voraussetzung für die Annahme einer Wiederherstellung im Sinne des § 104 LAG, daß vor Beginn der Arbeiten zur Beseitigung der Kriegsschäden nur die Gefahr einer Unbenutzbarkeit des Gebäudes als Dauerbau bestanden habe, das Gebäude also erst zu einem späteren Zeitpunkt seine Dauerbaueigenschaft verlieren könnte. Erforderlich ist vielmehr, daß das Gebäude - wie oben dargetan - infolge der Kriegsschäden seine Dauerbaueigenschaft und damit seine Eignung für eine auf die Dauer berechnete Benutzung vor dem 21. Juni 1948 (für Berlin vor dem 25. Juni 1948) - wenn man von den sogenannten Kriegsfolgeschäden und den übrigen in § 95 Satz 2 LAG angeführten Schäden absieht - bereits eingebüßt und am 21. Juni 1948 (für Berlin am 25. Juni 1948) noch nicht wiedererlangt hat. Dies ist aber nach den von der Vorinstanz im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Bundesfinanzhof nach Lage des Falles gebunden ist, zu bejahen. Das allein stehengebliebene Vordergebäude ist durch Zerstörung seiner Seitenflügel und Quergebäude praktisch zu einem frei stehenden Haus geworden. Wenn die dadurch zur Außenwand gewordene Trennwand des Vorderhauses zum weggefallenen Seitenflügel begradigt und verputzt werden mußte, so konnte die Vorinstanz hierin eine Maßnahme sehen, die mit dazu diente, die dem Gebäude infolge der Vielzahl der Schäden verlorengegangene Dauerbaueigenschaft wiederzugeben. Das gleiche gilt für die Reparaturen am wasserdurchlässig gewordenen Dach, an den Regenrinnen, an den Fenstern, in den Flurtoiletten und am Außenputz, die die Vorinstanz zutreffend ebenfalls als Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dauerbaueigenschaft im Sinne des § 104 LAG angesehen hat. Diese Feststellungen in der Vorentscheidung sind im Hinblick auf die erheblichen Kriegsschäden, die das gesamte Grundstück erlitten hat, nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz konnte daher zu der Feststellung kommen, daß die Beseitigung der Kriegsschäden am Vordergebäude zur Wiederherstellung der Dauerbaueigenschaft dieses stehengebliebenen Gebäudeteiles notwendig gewesen war. Dies genügt aber, um die Wiederaufbauvergünstigung gemäß § 104 LAG zu gewähren sofern die übrigen Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Wirtschaftlichkeitsberechnung, erfüllt sind. Da die Wirtschaftlichkeitsberechnung nach den seitens des Beschwerdeführers unwidersprochen gebliebenen Feststellungen sowohl der beauftragten Stelle als auch der Vorinstanz zu einer Herabsetzung auf 0 DM führt, hat die Vorinstanz mit Recht die Herabsetzung auf 0 DM mit Wirkung vom 1. Juli 1948 ausgesprochen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410925

BStBl III 1963, 572

BFHE 1964, 690

BFHE 77, 690

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