Leitsatz (amtlich)
Zur Bewertung deutscher Vermögenswerte in der Schweiz für den Stichtag vom 1. Januar 1953.
Normenkette
VStR Abschn. 54
Tatbestand
Es handelt sich um die Bewertung des Anspruchs auf den Erlös aus der Beteiligung der Beschwerdeführerin (Bfin.) an der G. F. - AG Zürich (GI) bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Bfin. auf den I. Januar 1953. Das Finanzamt hat den Anspruch mit dem aus der berichtigten DM-Eröffnungsbilanz auf den I. April 1949 ersichtlichen Wert von 96.286 DM angesetzt. Die Bfin. dagegen ist der Auffassung, daß nur ein Erinnerungswert von I DM am I. Januar 1953 in Betracht komme. Es liegt folgender Sachverhalt vor: Die Bfin. hatte ihren Sitz in B. Sie befindet sich in Liquidation. Sie war die alleinige Aktionärin der GI. Ihre Beteiligung unterlag als deutsches Auslandsvermögen dem Washingtoner Abkommen vom 25. Mai 1946. Sie wurde von der Schweiz beschlagnahmt und der Verwaltung der Schweizerischen Verrechnungsstelle (SVSt) unterstellt. Diese ordnete im Januar 1950 die Liquidation der GI an. Der Liquidationserlös blieb zunächst gesperrt. Er wurde von der SVSt auf Grund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 26. August 1952 mit Verfügung vom 27. November 1954 freigegeben.
Er betrug laut Abrechnung ------------- sfrs. 158.223,80 hiervon hat die SVSt gekürzt den im Deutsch-Schweizerischen Abkommen vorgesehenen Beitrag von 33 1/3 v. H. = sfrs. 52.741,26 eine Verwaltungsgebühr von 2 v. H. = ---------------- sfrs. 2.109,64 sfrs. 54.850,90. Der verbleibende Restbetrag von ------- sfrs. 103.372,90 ist von der SVSt an das Bankhaus H. zugunsten der Bfin. überwiesen worden. Das Bankhaus hat der Bfin. den Gegenwert gutgebracht. Nach Abzug der Bankspesen verblieb aus der Beteiligung an der GI ein Liquidationserlös von 100.913,95 DM. Das Finanzamt berief sich für die von ihm vorgenommene Bewertung des Anspruchs der Bfin. auf Abschn. 86 Abs. 3 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1953, wonach die unter das Abkommen vom 26. August 1952 fallenden Vermögenswerte ab 1. Januar 1953 zur Vermögensteuer heranzuziehen seien. Die Bfin. wendet ein, daß dieses Abkommen erst im März 1953 ratifiziert und das deutsche Gesetz über die drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz, über die Regelung der Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich und zum deutschen Lastenausgleich erst am 10. März 1953 (Bundesgesetzblatt - BGBl - 1953 Teil II S. 15) in Kraft getreten sei. Die Freigabe des Vermögenswertes sei sogar von der SVSt erst am 27. November 1954 vorgenommen worden. An dem hier maßgebenden Stichtag sei weder die Ratifizierung des Abkommens noch die spätere Freigabe des Vermögenswertes sicher gewesen. Der Anspruch auf den Liquidationserlös könne deshalb erstmalig bei der Einheitsbewertung auf den I. Januar 1955 erfaßt werden. Die Sprungberufung der Bfin. gegen den Einheitswertbescheid für das Betriebsvermögen auf den 1. Januar 1953 hatte keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Bfin. habe gegen die SVSt einen Anspruch auf Auszahlung des gesperrten Liquidationserlöses gehabt. Nach Abschluß des Abkommens vom 26. August 1952 habe sie mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit mit der Verwirklichung ihres Anspruchs rechnen können. Das Vorbringen, daß die deutschen Vermögenswerte vor Ratifizierung des Abkommens nicht realisierbar gewesen seien, sei unbeachtlich, da am Stichtag bereits mit der Ratifizierung zu rechnen gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin.
Sie verbleibt bei ihrem bisher eingenommenen Rechtsstandpunkt, daß der Forderung am Stichtag kein Wert beizumessen gewesen sei. äußerstenfalls habe an diesem Tage ein aufschiebend bedingter Anspruch vorgelegen. Auf Ersuchen des Senats ist der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren beigetreten. Er hat zur Sache Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann nicht zum Erfolg führen.
Am 1. Januar 1953 bestand in der Schweiz noch die Sperre des der Bfin. zustehenden Vermögenswertes. Der Sperrbeschluß der Schweizer Regierung stellte jedoch keine Enteignung der Bfin. dar. Die Aussicht auf Realisierung dieses Vermögenswertes hatte sich bereits vor dem Stichtag entscheidend zugunsten der Bfin. gewendet. Grund hierfür war das Abkommen vom 26. August 1952 (BGBl 1953 Teil II S. 17). Nach diesem Abkommen werden die in der Schweiz beschlagnahmten deutschen Vermögenswerte nach Maßgabe der in dem Abkommen enthaltenen Vereinbarungen freigegeben. Es ist richtig, daß das deutsche Gesetz vom 7. März 1953 über die Abkommen mit der Schweiz erst am 10. März 1953 verkündet worden und damit in Kraft getreten ist. Auch weist die Bfin. zutreffend darauf hin, daß das Abkommen zwischen der Deutschen Bundesrepublik und der Schweiz erst mit Austausch der Ratifikationsurkunden am 19. März 1953 in Kraft getreten ist. Schließlich ist auch die Freigabe des Vermögenswertes der Bfin. durch die SVSt erst im November 1954 erfolgt. Gleichwohl kann der Senat der Rechtsauffassung der Bfin. nicht folgen, daß steuerlich am 1. Januar 1953 entweder überhaupt noch kein Anspruch auf den Liquidationserlös entstanden gewesen sei oder höchstens ein aufschiebend bedingter Anspruch, der nach § 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) außer Betracht bleibe. Es trifft zwar zu, daß am Stichtag ein Rechtsanspruch der Bfin. auf Auszahlung des Liquidationserlöses noch nicht existent war. Andererseits war jedoch alsbald nach Abschluß des Abkommens zwischen den beiden Staaten mit einer Verwirklichung des Anspruchs der Bfin. in nicht ferner Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Bei einem für den Stichtag zu unterstellenden Verkauf ihres Vermögens würde die Bfin. für ihren Vermögenswert in der Schweiz sicherlich ein Entgelt gefordert und erhalten haben. Wirtschaftlich war daher der Anspruch auf den Liquidationserlös bereits am 1. Januar 1953 zu berücksichtigen. Es handelte sich um eine am Stichtag der Höhe nach noch unbestimmte Forderung, die daher mit einem geschätzten Betrag anzusetzen war. Die Vorbehörden haben den Betrag von 96.286 DM angesetzt. Es ist dies der Betrag, den die Bfin. in ihrer DM-Eröffnungsbilanz auf den 1. April 1949 und in ihren Bilanzen vom 31. Dezember 1949 und 31. Dezember 1950 angesetzt hat. Gegen die Höhe dieses Wertes hat die Bfin., abgesehen von ihrer grundsätzlichen Einstellung, daß eine Bewertung überhaupt nicht in Frage komme, keine besonderen Einwendungen erhoben. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die diesen Wertansatz als unzutreffend erscheinen lassen. Der Wertansatz ist daher der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Bfin. hat sich für ihre Rechtsauffassung über den Nichtansatz ihres Vermögenswertes noch auf Abschn. 85 Abs. 4 VStR 1953 bezogen, während sich die Vorbehörden auf Abschn. 86 Abs. 3 a. a. O. stützen. Die VStR enthalten keine die Steuergerichte bindenden Rechtsnormen. Im übrigen stehen die genannten Bestimmungen, insbesondere Abschn. 85 Abs. 4 der hier vom Senat vertretenen Auffassung nicht entgegen. Denn Abschn. 85 Abs. 4 a. a. O. enthält eine allgemeine Richtlinie über das beschlagnahmte deutsche Auslandsvermögen. Für die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz ist jedoch, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht hervorgehoben hat, mit dem mehrfach erwähnten Abkommen eine wesentliche änderung der Verhältnisse eingetreten, die den Erlaß besonderer Bestimmungen rechtfertige. Diese besondere Bestimmung ist im Abschn. 86 a. a. O. enthalten. Hier ist insbesondere Abschn. 86 Abs. 3 a. a. O. bedeutsam, wonach vom 1. Januar 1953 an die unter das Abkommen fallenden Vermögenswerte nach Abzug des freiwilligen Beitrags oder der Ersatzvermögensabgabe mit den sich nach den Vorschriften des BewG ergebenden Werten zur Vermögensteuer heranzuziehen sind. Demgemäß ist der Abspruch auf den Liquidationserlös bei der Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1953 zutreffend berücksichtigt worden. Die Auffassung der Bfin., daß der Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1953 die Bilanz vom 31. Dezember 1952 zugrunde liege, und Abschn. 86 Abs. 3 a. a. O. daher nicht anwendbar sei, ist unrichtig. Abschn. 86 Abs. 3 a. a. O. behandelt die Heranziehung zur Vermögensteuer ab 1. Januar 1953. Keinesfalls könnte aus Abschn. 86 Abs. 3 a. a. O. der Schluß gezogen werden, daß bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1953 der Anspruch auf den Liquidationserlös außer Betracht bleiben solle.
Fundstellen
Haufe-Index 424100 |
BStBl III 1956, 378 |
BFHE 1957, 472 |
BFHE 63, 472 |