Entscheidungsstichwort (Thema)
Schiffsmodelle nicht umsatzsteuerermäßigt
Leitsatz (NV)
1. Zu den zolltariflichen Begriffen Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst und Sammlungsstücke.
2. Kunsthandwerkliche Schiffsmodelle sind weder Originalerzeugnisse... noch Sammlungsstücke (1.). Lieferungen dieser Erzeugnisse sind nicht umsatzsteuerermäßigt, sondern unterliegen dem vollen Umsatzsteuersatz.
Normenkette
UStG (1986/87) § 12 Abs. 2 Nr. 1; UStG (1986/87) Anl. Nr. 47; GZT Tarifnr. 99.03; GZT Tarifnr. 99.05; GZT Vorschrift 3 zu Kap. 99
Tatbestand
Für die Lieferung von Modellen von Schiffen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, Modelle, die der Kläger und Revisionskläger im Maßstab 1:16 bzw. 1:20 gefertigt hatte, setzte das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt die Umsatzsteuer 1986/87 unter Anwendung des allgemeinen Steuersatzes fest. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger die Anerkennung des ermäßigten Steuersatzes begehrte, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, es handele sich nicht um nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. Nr. 47 der Anlage dazu und Nr. 99.03 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) steuerermäßigte Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, sondern um nicht steuerbegünstigte (kunst-)handwerkliche Erzeugnisse, und zwar um Ziergegenstände aus Holz aus Kapitel 44. Auch soweit der Kläger mangels genauer Unterlagen Teile der Modelle (insbesondere Galionsfigur und Heckspiegel) nach eigenen Entwürfen gestaltet habe, habe er nicht ausschließlich seiner Phantasie entsprungene Kunstwerke geschaffen, sondern möglichst detailgetreue Nachbildungen bestimmter Schiffe. Der Zweck der Modelle bestehe allein darin, dem Betrachter eine Vorstellung vom Aussehen der Originalschiffe zu vermitteln.
Mit seiner Revision greift der Kläger die zolltarifliche Auffassung des FG an. Die Schiffe (A, 1565, und F, 1680) seien für Museen bestimmt und schon aufgrund ihrer Größe - Länge 4 bzw. 2,62 m, Höhe 3,35 bzw. 2,08 m - nur für Ausstellungen in schiffshistorischen Museen geeignet. Sie seien keine Ziergegenstände zur Ausschmückung von Räumen. Gerade die Detailarbeit im Innenteil zeige, daß die Modelle anderen, nämlich kunsthistorischen oder auch baugeschichtlichen Zwecken dienten. Es lägen Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst (Unikate) vor, die in Ermangelung von Konkurrenzprodukten keine Handelswaren seien. Zumindest seien die Modelle als - ebenfalls steuerbegünstigte - Sammlungsstücke von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert - Tarifnrn.99.05 - einzustufen. Es wäre im übrigen verfassungsrechtlich bedenklich, würde den hier vorliegenden Gestaltungen das Steuerprivileg vorenthalten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat richtig erkannt, daß die hier zu beurteilenden Umsätze des Klägers nicht steuerermäßigt sind. Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst oder Sammlungsstücke liegen nicht vor.
1. Die Vorinstanz hat die Schiffsmodelle des Klägers als (kunst-)handwerkliche Erzeugnisse beurteilt, die nach Vorschrift 3 zu Kapitel 99 GZT 1986/87 (jetzt: Anm. 3 zu Kapitel 97) nicht zu Tarifnr.99.03 GZT 1986/87 (jetzt: Position 9703) gehören. Der rechtliche Ausgangspunkt der Vorinstanz ist zutreffend (vgl. auch Senat, Urteile vom 20. Februar 1990 VII R 126/89, BFHE 160, 93, 95, BStBl II 1990, 763, und vom 28. April 1992 VII R 92/91, BFH/NV 1992, 851 - Goldschmiedearbeiten -; FG Nürnberg, Urteil vom 26. Januar 1993 II 213/91, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 547 - künstlerische Kachelöfen -), die auf tatsächlichen Feststellungen beruhende Würdigung ist, weil zumindest möglich, revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Angriffe der Revision gegen die rechtliche Beurteilung durch die Vorinstanz rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Ob die Modelle als Ziergegenstände aus Holz der Tarifnrn.44.27 GZT 1986/87, jetzt: Position 4420 (oder als andere Holzwaren der Tarifnr.44.28 = Position 4421) anzusehen sind, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein die Frage, ob unter Berücksichtigung von Vorschrift 3 zu Kapitel 99, nach der Bildhauerarbeiten mit dem Charakter einer Handelsware (z.B. Handwerkserzeugnisse) nicht zu Tarifnr.99.03 gehören, Originalerzeugnisse dieser Tarifnummer vorliegen. Diese Frage ist, wenn schon davon ausgegangen wird, daß es sich bei den Schiffsmodellen um Bildhauerarbeiten handelt (zum Begriff Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 15. Mai 1985 Rs 155/84, EuGHE 1985, 1454, 1457), zu verneinen. Richtig ist zwar, daß der EuGH (Urteil vom 18. September 1990 C - 228/89, EuGHE 1990 I, 3401, 3407) eine Abgrenzung zwischen Originalerzeugnissen der Bildhauerkunst und Bildhauerarbeiten in Gestalt von Handelswaren darin sieht, daß erstere als ganz persönliche Schöpfungen, mit denen Künstler einem ästhetischen Ideal Ausdruck verleihen, wirtschaftlich weder untereinander noch mit anderen Gegenständen in Wettbewerb stehen, während Handelswaren, auch wenn sie von Künstlern handgefertigt sind, sich in einer zumindest potentiellen wirtschaftlichen Wettbewerbssituation mit anderen ähnlichen Erzeugnissen ... handwerklicher Herstellung befinden. Hieraus kann der Kläger jedoch nichts für seine Auffassung gewinnen. Bildhauerarbeiten, die sich nicht als höchstpersönliche Schöpfung darstellen, fallen von vornherein nicht unter die Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst der Tarifnr.99.03. Sie sind somit ohne weiteres den Handelswaren zuzuordnen, und zwar auch dann, wenn es sich um Einzelstücke von bemerkenswerter kunsthandwerklicher Qualität handelt. Wie sich aus der Vorentscheidung ergibt, hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und unter Berücksichtigung auch der teilweisen eigenen Gestaltung der Modelle durch den Kläger höchstpersönliche Schöpfungen im vorbezeichneten Sinne ausgeschlossen und die Modelle als kunsthandwerkliche Erzeugnisse beurteilt. Diese tatrichterliche Würdigung ist, weil jedenfalls möglich, revisionsrechtlich unangreifbar. Der Frage, inwieweit die Modelle des Klägers mit anderen Erzeugnissen des (Schiffs-)Modellbaus konkurrieren, brauchte bei dieser Lage nicht weiter nachgegangen zu werden. Im übrigen enthält der Revisionsvortrag, es handele sich um einzigartige, keinerlei Wettbewerb ausgesetzte Gestaltungen, neues tatsächliches Vorbringen, mit dem der Kläger in der Revisionsinstanz nicht gehört werden kann.
2. Soweit die Revision geltend macht, die Modelle seien - seltene - Sammlungsstücke (i.S. von Tarifnr.99.05 GZT 1986/87, jetzt: Position 9705), kann offenbleiben, ob es sich dabei um neues, in der Revisionsinstanz unbeachtliches Vorbringen handelt. Auch eine zulässige Rüge dahin, daß das FG nicht geprüft habe, ob die Modelle Sammlungsstücke seien, könnte der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
Das FG hat über diese Frage nicht entschieden, und zwar wohl deshalb, weil es nach dem Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren, bei dem es lediglich um die etwaige Einordnung in die Tarifnr.99.03 ging, hierzu keinen Anlaß sah. Es bedarf aber nicht der Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG. Denn nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen muß es als ausgeschlossen erachtet werden, die Modelle als Sammlungsstücke zu beurteilen. Insoweit ist das Revisionsgericht nicht gehindert, aufgrund der verfahrensfehlerfrei ermittelten Tatsachen die entsprechende Schlußfolgerung selbst zu ziehen (vgl. für einen ähnlich gelagerten Fall Gräber/Ruban, FGO, 3. Aufl. 1993, § 118 Anm. 43).
Sammlungsstücke der Tarifnr.99.05 müssen den in der Rechtsprechung des EuGH und des Senats (z.B. Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90, 92 - Oldtimer - m.w.N.) aufgestellten Anforderungen genügen und von -z.B. - geschichtlichem Wert sein. Zu diesen Anforderungen gehört die Eignung zur Aufnahme in eine Sammlung; dafür geeignet sind Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind und einen hohen Wert haben. Es können schon von vornherein Bedenken bestehen, bloße Anschauungobjekte den Sammlungsstücken im vorbezeichneten Sinne zuzurechnen (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 2. April 1987 VII R 105/84, BFHE 150, 97, 99 - zoologische Anschauungsstücke -). Die Frage kann indessen auf sich beruhen. Entscheidend ist, daß die Schiffsmodelle des Klägers, wie sich aus den Feststellungen des FG zum Zweck der Erzeugnisse ergibt, nicht anders als zu ihrem ursprünglichen Verwendungszweck benutzt werden. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Zweckentfremdung ein kennzeichnendes Merkmal der Sammlungsstücke im zolltariflichen Sinne. Soweit es nach der Rechtsprechung nur normalerweise heranzuziehen ist, liegt darin lediglich der Hinweis, daß bestimmte Sammlungsstücke ihren Charakter nicht durch gelegentliche Nutzung entsprechend ihrem ursprünglichen Zweck verlieren (z.B. bei Sonderveranstaltungen gefahrene Oldtimer, vgl. BFHE 148, 90, 93; alte Musikinstrumente, auf denen gespielt wird, Urteil des FG Bremen vom 8. Juni 1993 292 047 K 2, EFG 1993, 753). Schiffsmodelle, wie sie hier vorliegen, dienen jedoch nur einem, nämlich dem ihrer Art nach vorgegebenen (Anschaungs-) Zweck. Das gilt unabhängig von ihrer Größe, unter Umständen sogar für Modelle in Originalgröße. Allein dieser Umstand schließt es aus, sie als Sammlungsstücke im zolltariflichen Sinne anzuerkennen. Auf die Frage, ob gegebenenfalls die übrigen Voraussetzungen für eine Anerkennung vorliegen, kommt es nicht an.
Da eine Position des Kapitels 99 hiernach nicht anwendbar ist, besteht auch keine Normenkonkurrenz, die zugunsten dieses Kapitels zu lösen wäre (vgl. Vorschrift 4a zu Kapitel 99).
3. Offenbleiben kann, welcher - anderen - Zolltarifposition die Modelle zuzuordnen sind. In Betracht kommt insoweit außer einer Einreihung in das Stoffkapitel (44) - vorstehend Nr. 1 - nur die Tarifnr.90.21 GZT 1986/87 (jetzt: Position 9023 00) - Modelle, zu Vorführzwecken (z.B. ... in Ausstellungen), nicht zu anderer Verwendung geeignet -, die auch (Schiffs-)Modelle in verkleinertem Maßstab, z.B. aus Holz, nicht zur Dekoration, erfaßt (Erläuterungen zu Tarifnr.90.21 Teil I Rz. 10, jetzt zu Position 9023 - Harmonisiertes System - Rz. 11.0; vgl. im übrigen Allgemeine Tarifierungs-Vorschrift 3a). Für die Umsätze von Waren der in Betracht kommenden Tarifposition gilt keine Steuerermäßigung. Ihre Nichtbegünstigung gegenüber Waren z.B. der Tarifnr.99.05 begegnet, wie der Senat bereits entschieden hat (BFH/NV 1992, 851), keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die zolltarifliche Beurteilung, wie vorstehend, steht mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang. Zweifel bei der Auslegung der maßgebenden zolltariflichen Vorschriften ergeben sich nicht. Es ist somit nicht veranlaßt, zu ihrer Auslegung eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen