Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Entnahmen im Sinne des § 167 Abs. 4 Ziff. 2b LAG gehören auch Kapitalherabsetzungen bei Erwerbsgesellschaften und Rückzahlungen von Geschäftsguthaben bei Genossenschaften.

Die Aufzählung der Zurechnungen zum und Kürzungen am Einheitswert des Betriebs vom 1. Januar 1940 in § 167 Abs. 4 LAG ist erschöpfend. Es ist daher nicht zulässig, Alle nicht durch den betriebsbedingten Ablauf eingetretenen Vermögensveränderungen zwischen dem 1. Januar 1940 und dem 21. Juni 1948 durch Zu- und Abrechnungen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

LAG § 167 Abs. 4; KStDV § 15; EStG § 4 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die der Kreditgewinnabgabe unterliegende Firma, eine eingetragene Genossenschaft mbH, weist einen Gewinnsaldo im Sinne des § 162 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG - (Mehrbetrag an Schuldnergewinnen gegenüber den Gläubigerverlusten und den Betriebsverlusten) von 68 965 DM aus. Sie will diesen Gewinnsaldo um die Rückgangsquote nach § 167 Abs. 3 LAG gekürzt wissen und gibt den Wertrückgang ihres Betriebsvermögens zum 21. Juni 1948 gegenüber dem Betriebsvermögen am 1. Januar 1940 mit 58 865 DM auf Grund folgender Berechnung an:

Einheitswert 1. Januar 1940 --------------------- 21 000 RM/DM + Gewinnsaldo (ß 167 Abs. 4 Ziff. 10 LAG) ----- 68 965 RM/DM Plus Einlagen ( § 167 Abs. 4 Ziff. Ic LAG) ---- 7 700 RM/DM

--------------------------------------------- 97.665 RM ./. Entnahmen (ß 167 Abs. 4 Ziff. 2b LAG) ---------- 0 RM/DM dem Vermögensvergleich zugrunde zu legender Wert auf 1. Januar 1940 ----------------------- 97 665 RM/DM Wert auf 21. Juni 1948 ---------------------------- 38 800 RM/DM Wertrückgang ------------------------------------ 58.865 RM/DM

Das Finanzamt hat abweichend von dieser Berechnung die Auffassung vertreten, daß die Auszahlung von Geschäftsguthaben durch die Genossenschaft in der Zeit vom 1. Januar 1940 bis 20. Juni 1948 in Höhe von 6 000 RM dazu führen müsse, dem für den Vermögensvergleich maßgeblichen, d. h. durch die Zurechnungen und Kürzungen bereinigten Einheitswert zum 1. Januar 1940 diesen Betrag als "Entnahme" nach § 167 Abs. 4 Ziff. 2b LAG zuzurechnen, und zwar unbeschadet des Umstandes, daß diese "Entnahme" die Voraussetzung der Zurechnung nach der genannten Vorschrift, "soweit sie die steuerlichen Gewinne dieses Zeitraums übersteigt", nicht erfüllt. Das Finanzgericht hat auf Berufung der Genossenschaft die vom Finanzamt vorgenommene Zurechnung als nicht dem Gesetz entsprechend bezeichnet und die Berechnung, wie sie die Genossenschaft vorgenommen hatte, wiederhergestellt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, der - wie schon im früheren Verfahren - geltend macht, bei Körperschaften könne im Falle der Verminderung des nominellen Kapitals die Vorschrift des § 167 Abs. 4 Ziff. 2b LAG nicht in vollem Umfang angewendet werden. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Kapitalrückzahlungen von Körperschaften, die unabhängig von den erzielten Gewinnen erfolgten, keine Verminderung der am 1. Januar 1940 vorhandenen Substanz darstellten und den Entnahmen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht gleichgestellt werden dürften. Da es sich also bei der Rückzahlung von Geschäftsguthaben der Genossenschaft, die eine Kapitalrückzahlung darstelle, um keine "Entnahme" im Sinne des § 167 Abs. 4 Ziff. 2b LAG gehandelt habe, hätte bei wörtlicher Auslegung dieser Vorschrift auch keine entsprechende Kürzung des Einheitswerts zum 1. Januar 1940 vorgenommen werden dürfen. Nach der Zielsetzung des § 167 Abs. 4 LAG müsse aber angenommen werden, daß alle nicht durch den betriebsbedingten Ablauf eingetretenen Veräußerungen des Betriebsvermögens vom 1. Januar 1940 gegenüber dem Betriebsvermögen zu Beginn des 21. Juni 1948 unberücksichtigt zu lassen seien. Die Genossenschaft hat sich in der Gegenerklärung zur Rb. in erster Linie gegen die unterschiedliche Behandlung von Einzelpersonen und Personengesellschaften einerseits und von Körperschaften andererseits hinsichtlich der "Entnahmen" gewandt, die weder nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften noch der Sache nach gerechtfertigt sei. Im übrigen sei auch die Auffassung des Finanzamts über die Verringerung des "nominellen" Kapitals durch Kapitalrückzahlungen jedenfalls hinsichtlich der Genossenschaften nicht richtig, da die Geschäftsguthaben der Genossen - im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften mit einem festen Grund- oder Stammkapital - den Charakter eines festen Eigenkapitals nach dem Genossenschaftsgesetz (und nach ihrer Satzung) überhaupt nicht hätten; diese Geschäftsguthaben der Genossen befänden sich vielmehr in einer ständigen Fluktuation. Aus ihrem Wesen folge zwingend, daß es sich bei ihrer Auszahlung um nicht anderes handele als um einen die eigentliche Gewinnausschüttung technisch fortsetzenden Akt der Entnahmen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG über die Entnahmen nach § 15 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung auch bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer anzuwenden ist, der Gesetzgeber also hinsichtlich der Entnahmen einer Körperschaft grundsätzlich keinen Unterschied gegenüber den Entnahmen einer der Einkommensteuer unterliegenden natürlichen Person macht. Nun mag zwar bei einer Körperschaft ein gewisser Unterschied zwischen einer Gewinnausschüttung und einer Kapitalrückzahlung bestehen. Das kann aber nicht dazu führen, Kapitalrückzahlungen überhaupt nicht als Entnahmen anzusehen und ihre Zurechnung zum Einheitswert 1940 - entgegen dem Wortlaut des § 167 Abs. 4 Ziff. 2b LAG - auch dann vorzunehmen, wenn sie zusammen mit anderen Entnahmen die steuerlichen Gewinne des maßgebenden Zeitraums (1. Januar 1940 bis 20. Juni 1948) nicht übersteigen. Auch der Bundesminister der Finanzen macht keinen Unterschied zwischen der einen und der anderen Art der Entnahmen. Dazu führt Abschnitt 108 des 2. Kreditgewinnabgabe-Sammelerlasses (Bundessteuerblatt 1954 I S. 350) aus: "Die Berücksichtigung von Einlagen und Entnahmen gilt nicht nur für Einzelbetriebe und Personengesellschaften, sondern auch sinngemäß für Körperschaften (z. B. Kapitalerhöhungen, freiwillige Einlagen der Gesellschafter ohne entsprechende Gegenleistung der Gesellschaft; Kapitalherabsetzungen, verdeckte Gewinnausschüttungen)". Das stimmt mit der Auffassung des Senats überein. Im übrigen handelt es sich bei den Zurechnungen und Kürzungen nach § 167 Abs. 4 LAG um eine erschöpfende Aufführung, so daß es nicht zulässig erscheint, die Bestimmung von Fall zu Fall auszudehnen. Der Gesetzgeber hat hier die schwierige Frage zwischenzeitlicher Vorgänge in einigermaßen übersehbarer und durchführbarer Weise abschließend geregelt (vgl. Ring, Rundschau für den Lastenausgleich 1954 S. 316). Damit ist die Auffassung des Finanzamts nicht vereinbar, die Zielsetzung des § 167 Abs. 4 a. a. O. ginge dahin, die - also wohl alle - nicht durch den betriebsbedingten Ablauf eingetretenen Vermögensveränderungen durch Zu- und Abrechnungen zu berücksichtigen.

Hiernach mußte die Rb. mit der Kostenfolge des § 309 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408371

BStBl III 1956, 23

BFHE 1956, 61

BFHE 62, 61

DB 1956, 80

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