Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflegungsmehraufwand bei Einsatzwechseltätigkeit

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Kundendienstmonteur, der eine Einsatzwechseltätigkeit ausübt und keine Dienstreisen durchführt, kann nicht deshalb im Wege der Schätzung die von der Verwaltung für Dienstreisen bestimmten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten beanspruchen, weil die in den Lohnsteuer-Richtlinien 1987 bestimmten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen in ihren Differenzierungen nicht mehr plausibel sind.

2. Die von der Verwaltung festgelegten typisierenden Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen sind für eine Übergangszeit bis zur Neubestimmung durch die Verwaltung oder den Gesetzgeber in der Regel auch von den Finanzgerichten weiter anzuerkennen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 162; LStR 1987 Abschn. 22 Abs. 4 Nr. 2, Abschn. 25 Abs. 9 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1989 als Kundendienstmonteur beschäftigt. Er machte in seiner Einkommensteuererklärung Verpflegungsmehraufwendungen wegen Dienstreisen in Höhe von insgesamt 6 566 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ging statt dessen von einer Tätigkeit an ständig wechselnden Einsatzstellen aus und erkannte Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 1 055 DM (211 Tage × 5 DM) an.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in dem beantragten Umfang statt und führte aus: Eine Bindung an die Pauschalen gemäß den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) könne nur dann gegeben sein, wenn die Schätzungsgrundlagen nachvollziehbar seien. Im Streitfall halte der Senat die niedrigeren Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen gemäß Abschn. 22 Abs. 4 Nr. 2 LStR gegenüber den erheblich höheren Dienstreisesätzen gemäß Abschn. 25 Abs. 9 Nr. 2 LStR für willkürlich und nicht nachvollziehbar. Deshalb sei der Verpflegungsmehraufwand des Klägers in mittelbarer Anwendung der Dienstreisepauschsätze zu schätzen.

Das FA stützt seine vom FG zugelassene Revision auf eine Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG kann der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur den vom FA bereits anerkannten Verpflegungsmehraufwand von 5 DM pro Arbeitstag als Werbungskosten abziehen; es können nicht im Wege der Schätzung diejenigen Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt werden, die dem Kläger nach den Regelungen in den LStR dann zustünden, wenn er arbeitstäglich Dienstreisen unternommen hätte.

1. Die Vorentscheidung ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, daß der Kläger weder in seiner Wohnung noch am Betriebssitz seines Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte gehabt und mithin bei seinen Kundendienstfahrten keine Dienstreisen durchgeführt hat. Das tatsächliche Vorbringen des Klägers in der Revisionserwiderung, sein wöchentlich einmal stattfindender Aufenthalt am Betriebssitz habe über vier Stunden gedauert, steht im Widerspruch zu dem Inhalt der Tätigkeitsbeschreibung des Arbeitgebers des Klägers, auf die das FG seine Entscheidung gestützt hat. Der Kläger hat nicht schlüssig gerügt, daß die Entscheidung des FG verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei.

2. Soweit das FG dem Kläger Verpflegungsmehraufwendungen über den vom FA anerkannten Betrag von 5 DM täglich hinaus im Wege der Schätzung zugebilligt hat, tragen seine tatsächlichen Feststellungen diese Schätzung nicht. Zwar sind die FG gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter den Voraussetzungen des § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu einer eigenen Schätzung befugt. Die im Streitfall vom FG festgestellten Tatsachen rechtfertigen jedoch nicht seine Schätzung, der Verpflegungsmehraufwand des Klägers habe 28 DM oder 35 DM pro Arbeitstag betragen. Denn das FG hat überhaupt keine Einzelfeststellungen darüber getroffen, wie der Kläger sich tatsächlich arbeitstäglich verpflegt und welche Aufwendungen er dafür getätigt hat.

Das FG hat vielmehr ungeachtet der tatsächlichen Höhe der individuellen Ver pflegungsaufwendungen des Klägers diesem die für Dienstreisen geltenden Verwaltungspauschalen für Verpflegungsmehraufwand zugebilligt. Es ist dabei davon ausgegangen, daß der von der Finanzverwaltung für Dienstreisen gewährte Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand den typischen Mehraufwand für die Fallgestaltung, die der Kläger verwirklicht hat, zutreffender erfaßt als der Pauschbetrag, den die Verwaltung für diesen Sachverhalt, nämlich die Tätigkeit an ständig wechselnden Einsatzstellen, bestimmt hat.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige "Umgruppierung" zwischen den in den LStR bestimmten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen durch die FG überhaupt vorgenommen werden darf oder ob diese damit die ihnen zustehenden Kompetenzen überschreiten. Denn der Senat teilt zwar die Auffassung der Vorinstanz, die in den LStR bestimmten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand seien in ihren Differenzierungen zum Teil nicht mehr sachlich einleuchtend und plausibel. Er hat dies in seinem Urteil vom 26. Januar 1994 VI R 118/89 (BFHE 173, 174, BStBl II 1994, 529) auch zum Ausdruck gebracht und die Finanzverwaltung zu einer Überprüfung und Neubestimmung aufgefordert. Er hat jedoch ferner erklärt, daß er vorerst aus Gründen der Kontinuität im Grundsatz die von der Finanzverwaltung für den Dienstgang und die Dienstreise sowie die Einsatzwechsel- und Fahrtätigkeit festgelegten typisierenden Pauschalen weiter anerkennen werde. Daran hält er fest. Zu dieser grundsätzlichen Anerkennung der in den LStR getroffenen Regelungen für eine Übergangszeit gehört aber auch, daß die FG bis zu einer Neubestimmung der Pauschalen durch die Verwaltung keine eigenen zusätzlichen Fallgruppen bilden, indem sie die von der Verwaltung für bestimmte Fallgruppen festgelegten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand auf solche Fallgruppen übertragen, für die die Verwaltung sie nicht bestimmt hat.

Die Vorentscheidung, die vor dem Urteil in BFHE 173, 174, BStBl II 1994, 529 ergangen ist, ist von anderen Grundsätzen aus gegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420464

BFH/NV 1995, 673

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