Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkungspflichten eines ausbildungsuchenden Kindes
Leitsatz (NV)
1. Der Registrierung des ausbildungsuchenden Kindes bei der Agentur für Arbeit kommt keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Die Bezugnahme auf die Dreimonatsfrist in § 38 Abs. 4 Satz 2 SG III und ihre entsprechende Anwendung auf Ausbildungsuchende (Meldungspflicht alle drei Monate) gibt lediglich einen Anhalt für die zeitliche Konkretisierung der kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten. Darauf, ob es sich bei der Einstellung der Vermittlung der Agentur für Arbeit um einen bekannt zu gebenden Verwaltungsakt handelt, kommt es daher nicht an.
2. Die Nichteinhaltung eines Vorsprachetermins berechtigt die Agentur für Arbeit auch vor Ablauf von drei Monaten nach der letzten Meldung des Bewerbers um einen Ausbildungsplatz dazu, die Registrierung sofort zu löschen mit der Wirkung, dass der Kindergeldanspruch ab dem Folgemonat entfällt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c; SGB III § 38 Abs. 2, 4 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) setzte für den im November 1985 geborenen Sohn (S) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ab Dezember 2003 Kindergeld fest. Grundlage war die Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom November 2003, nach der sich S am 8. Oktober 2003 zur Beratung angemeldet hatte und noch nicht vermittelter Bewerber um eine betriebliche Ausbildungsstelle war.
Nach Eingang einer weiteren Bescheinigung vom 17. März 2004, nach der S ein noch nicht vermittelter Bewerber um eine berufsvorbereitende Maßnahme war, verfügte die Familienkasse intern die Weiterzahlung des Kindergeldes bis September 2004 und forderte mit Schreiben vom August 2004 von der Klägerin eine neue Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit, dass S weiterhin als Ausbildungsuchender gemeldet sei bzw. neue Informationen über den weiteren Werdegang mit entsprechenden Nachweisen (Kopie des Ausbildungsvertrags, Ausbildungsbescheinigung usw.).
Hierauf teilte die Klägerin mit, die von S abgeschickten Bewerbungen hätten keine Rückumschläge enthalten. Daher seien die Unterlagen nicht zurückgekommen. Mit Schreiben vom Oktober 2004 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, S sei am 29. März 2004 in der Berufsberatung abgemeldet worden, weil er zu diesem Termin unentschuldigt nicht erschienen sei. Auch in der folgenden Vorsprache am 7. September 2004 habe er angegeben, dass er nicht als Bewerber in der Berufsberatung geführt werden möchte. Der Familienkasse wurden nachfolgend von der Klägerin Vermittlungsscheine der Jobbörse für Gelegenheitsarbeiten für den Zeitraum von Oktober 2003 bis Oktober 2004 vorgelegt. Die Arbeitsvermittlung teilte im November 2004 telefonisch mit, S sei bei der Bundesagentur für Arbeit nicht als arbeitsuchend gemeldet. Die Jobbörse gehöre nicht zur Bundesagentur für Arbeit.
Die Familienkasse hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 11. November 2004 ab April 2004 auf und forderte das von April bis September 2004 ohne Rechtsgrund gezahlte Kindergeld in Höhe von 924 € von der Klägerin zurück. Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2005 als unbegründet zurück. Erst durch die Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit --Berufsberatung-- sei bekannt geworden, dass die Anspruchsvoraussetzungen seit 29. März 2004 weggefallen seien, weil S dort nicht mehr registriert sei.
Mit Bescheid vom 10. März 2005 setzte die Familienkasse ab Oktober 2004 wieder Kindergeld fest.
Mit der Klage begehrte die Klägerin, die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate April bis September 2004 wieder aufzuheben.
Auf gerichtliche Anfrage teilte die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit u.a. mit, der Termin am 29. März 2004 sei aufgrund einer Vorsprache des S am 17. März 2004 im Rahmen des Bereitschaftsdienstes (Vorsprache ohne Termin) auf Wunsch von S vereinbart worden; eine gesonderte schriftliche Einladung sei nicht ergangen. Wolle der Bewerber die Hilfe der Berufsberatung in Anspruch nehmen, sei ein regelmäßiger monatlicher Kontakt erforderlich; die dem Bewerber ausgehändigte "Bewerberkarte" enthalte einen entsprechenden Hinweis.
In der mündlichen Verhandlung stellte die Familienkasse den angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 11. November 2004 hinsichtlich des Monats September 2004 "unstreitig".
Das Finanzgericht (FG) wies die --nur noch Kindergeld für die Monate April bis August 2004 betreffende-- Klage als unbegründet ab. Es könne nicht festgestellt werden, dass S im Zeitraum April bis August 2004 mangels eines Ausbildungsplatzes gehindert gewesen sei, eine Ausbildung zu beginnen. Nach der Rechtsprechung müsse sich ein Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen. Der Nachweis der ernsthaften Bemühungen könne z.B. durch die Bescheinigung der Agentur für Arbeit über die Meldung des Kindes als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle, durch Suchanzeigen in der Zeitung, durch direkte Bewerbungen an Ausbildungsstätten usw. geführt werden. Derartige Bemühungen seien für den streitigen Zeitraum nicht objektiv feststellbar. Das Vorbringen, die Unterlagen seien nicht zurückgekommen, entlaste die Klägerin nicht. Die Aussage des --als Zeugen vernommenen-- S zu Vorsprachen bei der Berufsberatung sei insgesamt unbestimmt. Zeitliche Angaben habe er --auch zur Auseinandersetzung mit der Vermittlerin-- nicht gemacht. Sein Vorbringen, er sei im noch streitigen Zeitraum sehr oft in der Berufsberatung gewesen, stehe im Widerspruch zu deren Auskünften. Anhaltspunkte für eine Beweismittelunterdrückung seien nicht ersichtlich, zumal die Vorsprachen im März --für den wohl dann für den 29. März 2004 vereinbarten Termin-- und auch die Vorsprache im September 2004 sehr wohl erfasst worden seien.
Mit der Revision trägt die Klägerin vor, entgegen der Auffassung des FG sei ein Ausbildungsplatzmangel dann hinreichend belegt, wenn das Kind bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit als Bewerber für einen Ausbildungsplatz geführt werde. Aus der Registrierung folge eine Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit nach § 35 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Ausbildungsuchenden eine Ausbildungsvermittlung anzubieten. Die Vermittlung umfasse alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet seien, Ausbildungsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses zusammenzuführen. Nach § 38 Abs. 2 SGB III könne die Bundesagentur die Vermittlung (nur) dann einstellen, wenn der Ausbildungsuchende nicht ausreichend mitwirke. Bei der Abmeldung als registrierter Bewerber handle es sich um einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt. Da die Abmeldung als Bewerber um einen Ausbildungsplatz S nicht bekanntgegeben worden sei, sei sie nicht wirksam.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, den Aufhebungsbescheid vom 11. November 2004 i.d.F. des Änderungsbescheids vom 17. Juli 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2005 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet, sie wird nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin kein Kindergeldanspruch für S zusteht, da sich dieser im Streitzeitraum (April bis August 2004) nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes in der Fassung für das Jahr 2004 (EStG) besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Der Senat hat bereits in seinem zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05 (BFH/NV 2008, 1740) dargelegt, wie diese Voraussetzungen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen sind.
a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich di eses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).
b) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).
Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).
c) Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Die Registrierung bei der Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit gilt jedoch nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis für die Ausbildungswilligkeit, sondern ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt. Nach Ablauf der Frist muss sich das Kind erneut als Ausbildungsuchender melden, da sonst der Kindergeldanspruch ab dem Folgemonat entfällt. Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf sein Urteil in BFH/NV 2008, 1740.
d) Versäumt das Kind schuldhaft einen von der Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit festgesetzten Vorsprachetermin und wird deshalb aus der Bewerberliste gestrichen, entfällt die Indizwirkung der Registrierung schon vor Ablauf von drei Monaten.
Gemäß § 38 Abs. 3 SGB III ist die Ausbildungsvermittlung zwar grundsätzlich durchzuführen, "bis der Ausbildungsuchende in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit einmündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt hat oder solange der Ausbildungsuchende dies verlangt". Nach § 38 Abs. 2 SGB III kann die Ausbildungsvermittlung jedoch die Vermittlung einstellen, solange der Ausbildungsuchende nicht ausreichend mitwirkt. § 38 Abs. 2 SGB III setzt wegen der bestehenden Eigenverantwortung des Ausbildungsuchenden bei der Vermittlung von Ausbildungsstellen auch nicht voraus, dass der Betroffene über die Rechtsfolgen fehlerhafter Mitwirkung belehrt wird (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).
e) Der Senat misst der Registrierung des Ausbildungsuchenden bei der Bundesagentur für Arbeit keine (echte) Tatbestandswirkung bei. Eine positive Bescheinigung der Agentur über die Registrierung reicht in aller Regel als Nachweis der Ausbildungswilligkeit aus. Die Bezugnahme auf die Dreimonatsfrist in § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III und ihre entsprechende Anwendung auf Ausbildungsuchende gibt lediglich einen Anhalt für die zeitliche Konkretisierung der kindergeldrechtlichen Mitwirkungspflichten, bei deren Verletzung der Kindergeldanspruch entfällt (Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740). Darauf, ob es sich bei der Einstellung der Vermittlung eines Ausbildungsplatzes um einen bekannt zu gebenden Verwaltungsakt handelt, kommt es daher nicht an.
f) Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann außer durch Meldung bei der Ausbildungsvermittlung auch glaubhaft gemacht werden durch Suchanzeigen in der Zeitung, durch direkte schriftliche Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. darauf erhaltene Zwischennachrichten oder Absagen. Dabei können Bewerbungen und Absagen durch E-Mails ebenfalls zu berücksichtigen sein. Telefonische Anfragen können im Einzelfall als Nachweis ausreichen, wenn detailliert und glaubhaft dargelegt wird, mit welchen Firmen, Behörden usw. zu welchen Zeitpunkten (erfolglos) Gespräche geführt worden sind (siehe im Einzelnen Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1740, m.w.N.).
g) Das FG hat die Entscheidung, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, unter Berücksichtigung der vorgenannten Beweisanzeichen zu treffen; ggf. ist das Kind anzuhören. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, die durch den Bundesfinanzhof nur eingeschränkt überprüfbar ist.
2. In Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Kindergeldanspruch für die Monate April bis August 2004. Nach der Gesamtwürdigung des FG sind für diesen Zeitraum ernsthafte Bemühungen des S um einen Ausbildungsplatz nicht nachweisbar. Das FG ist darüber hinaus im Rahmen der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aussage des S zu den Vorsprachen bei der Arbeitsvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit insgesamt zu unbestimmt sind; zeitliche Angaben hat er nicht gemacht. Das FG hat ferner ausgeführt, dass Anhaltspunkte für eine Beweismittelunterdrückung nicht ersichtlich seien, zumal die Vorsprachen im März --für den wohl dann für den 29. März 2004 vereinbarten Termin-- und auch die Vorsprache im September 2004 sehr wohl erfasst worden seien. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG hat S im Übrigen bestätigt, dass die Beraterin ihm bei den Vorsprachen jeweils den nächsten Termin mitgeteilt habe. Es ist daher davon auszugehen, dass S beim Aufsuchen der Bundesagentur für Arbeit am 17. März 2004 im Rahmen des Bereitschaftsdienstes (Vorsprache ohne Termin) den --nicht wahrgenommenen-- Termin vom 29. März 2004 zur Vorsprache erhalten hat. Die Nichteinhaltung eines Vorsprachetermins berechtigt die Ausbildungsvermittlung auch vor Ablauf von drei Monaten nach der letzten Registrierung des Bewerbers um einen Ausbildungsplatz dazu, die Meldung als Ausbildungsuchender sofort zu löschen und die Vermittlung einzustellen, so dass ab dem Folgemonat der Kindergeldanspruch entfällt.
Fundstellen
Haufe-Index 2108012 |
BFH/NV 2009, 368 |