Leitsatz (amtlich)
Die Forderung des typischen stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Anteils am entstandenen Gewinn gehört nicht zum Inlandsvermögen. Dies gilt auch für den stehengelassenen Gewinn, es sei denn, daß der stille Gesellschafter auch mit diesem Gewinn am Ergebnis des Handelsgewerbes beteiligt ist.
Normenkette
BewG 1965 § 121 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz. Sie war am 1. Januar 1967 und am 1. Januar 1969 als typische stille Gesellschafterin mit einer Vermögenseinlage von 15 Mio, DM bei einer Firmengruppe mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland beteiligt. Ihre Gewinnbeteiligung betrug 50 v. H. des jährlichen Gewinns der inländischen Firmengruppe; Verlustbeteiligung war ausgeschlossen.
Am 1. Januar 1967 hatte die Klägerin eine Forderung auf nicht ausgezahlte Gewinnanteile für die Jahre 1964 und 1965 in Höhe von insgesamt 6 381 712 DM nebst Zinsen. Ihr Gewinnanteil für das Jahr 1966 belief sich auf 6 018 390 DM. Am 31. Dezember 1968 bestand ein Anspruch auf nicht ausgezahlte Gewinnanteile in Höhe von 7 907 604 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte die Vermögensteuer-Jahresschuld 1967 durch Nachveranlagung endgültig auf 220 000 DM fest. Dabei ging das FA mangels einer Vermögenserklärung der Klägerin von einem geschätzten Inlandsvermögen von 22 Mio. DM aus. Dem geschätzten Vermögen liegt die Vermögenseinlage in das Gewerbe der inländischen Firmengruppe im Nennwert von 15 Mio. DM sowie stehengelassene Gewinnansprüche in Höhe von 7 Mio. DM zugrunde. Der Ansatz der Gewinnansprüche in Höhe von nur 7 Mio. DM sei dadurch gerechtfertigt, daß bezüglich der Auszahlung der für die Jahre 1964 und 1965 stehengelassenen Gewinne ein Risiko bestehe.
Zum 1. Januar 1969 veranlagte das FA die Klägerin zu einer Vermögensteuer-Jahresschuld von 225 200 DM. Dieser Steuerfestsetzung liegt ein Rohvermögen von 22 520 000 DM zugrunde, das sich aus der Vermögenseinlage von 15 Mio. DM und einem am 31. Dezember 1968 bestehenden Gewinnauszahlungsanspruch von 7 907 604 DM zusammensetzt.
Die Einsprüche gegen die Vermögensteuerbescheide waren erfolglos.
Auf die Klagen setzte das FG die Vermögensteuer-Jahresschuld 1967 auf 210 560 DM und die Vermögensteuer-Jahresschuld 1969 auf 185 430 DM fest. Es stützte seine Entscheidung im wesentlichen auf die Überlegung, daß stehengelassene Gewinne aus einer stillen Beteiligung zu den Forderungen aus der Beteiligung eines stillen Gesellschafters i. S. des § 121 Abs. 2 Nr. 7 des Bewertungsgesetzes i. d. F. vom 10. Dezember 1965 - im folgenden BewG - (BGBl I 1965, 1861, BStBl I 1966, 2) gehörten und damit Inlandsvermögen seien. Dagegen seien die jeweils erst am Tag vor dem Veranlagungszeitpunkt entstehenden Gewinnansprüche nicht Inlandsvermögen.
Die Klägerin rügt mit ihren Revisionen, das FG habe stehengelassene Gewinne, die wie die stille Beteiligung selbst zu behandeln seien, unrichtig von Kapitalforderungen abgegrenzt. Allein die Tatsache, daß Gewinne nicht ausgezahlt würden, führe nicht dazu, daß diese Gewinne Beteiligungscharakter erhielten. Es bedürfe vielmehr einer Vereinbarung zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgewerbes, daß der stehengelassene Gewinn der Beteiligung hinzugerechnet werden solle. Eine derartige Vereinbarung liege aber nicht vor. Die stehengelassenen Gewinne der Klägerin nähmen nicht am Gewinn der inländischen Firmengruppe teil, sondern sie würden unstreitig nur nach einem festen Zinssatz verzinst; z. T. würden überhaupt keine Zinsen gezahlt.
Die Klägerin beantragt, die Vermögensteuer jeweils nach einem Wert der stillen Beteiligung in Höhe von 15 Mio. DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat beschlossen, die Revisionen der Klägerin gemäß § 73 FGO zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Auf die Revisionen werden die Vorentscheidungen aufgehoben.
1. Die Klägerin ist beschränkt vermögensteuerpflichtig, weil sie weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf das Inlandsvermögen (§ 2 VStG).
Zum Inlandsvermögen gehören unter anderem Forderungen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter, wenn der Schuldner Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat (§ 121 Abs. 2 Nr. 7 BewG). Unter diese Vorschrift fällt nur die Beteiligung des typischen stillen Gesellschafters, denn der atypische (unternehmerische) stille Gesellschafter an einem inländischen Unternehmen hat inländisches Betriebsvermögen, das nach Nr. 3 des § 121 Abs. 2 BewG zu erfassen ist. Das FG hat von seinen Feststellungen ausgehend zutreffend Nr. 7 des § 121 Abs. 2 BewG auf die Beteiligung der Klägerin angewandt. Die bloße Behauptung der Klägerin in der Revisionsschrift, sie habe unstreitig eine atypische stille Beteiligung an der inländischen Firmengruppe, kann nicht als zulässiger Revisionsangriff auf die Feststellungen des FG angesehen werden (vgl. § 120 Abs. 2 FGO).
2. Die Klägerin ist mit ihrer stillen Beteiligung an der inländischen Firmengruppe, wie das FG zutreffend entschieden hat, im Inland zur Vermögensteuer heranzuziehen. Dem steht nicht das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 in der an den beiden Veranlagungszeitpunkten maßgebenden Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBA-Schweiz - (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006) entgegen. Denn nach Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz werden Beteiligungen an einem gesellschaftlichen Unternehmen nur in dem Staat besteuert, in dem das Unternehmen seine Betriebstätte hat. Nach der Rechtsprechung des Senats ist auch die typische stille Gesellschaft i. S. des deutschen Handelsrechts ein gesellschaftliches Unternehmen, das unter Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz fällt (Entscheidung des BFH vom 15. Januar 1971 III R 125/69, BFHE 101, 536, BStBl II 1971, 379). Maßgebende Betriebstätte ist damit die des Handelsgewerbes, in das die Vermögenseinlage erbracht wurde.
3. Zu den Forderungen aus der Beteiligung des stillen Gesellschafters gehört grundsätzlich nicht der Anspruch auf Auszahlung des Anteils am entstandenen Gewinn.
a) Der Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 3. August 1973 III R 123/72 (BFHE 110, 207, BStBl II 1973, 797) die Auffassung vertreten, daß der Wortlaut des § 121 Abs. 2 Nr. 7 BewG nicht eindeutig erkennen läßt, ob auch der Anspruch des typischen stillen Gesellschafters auf den anteiligen entstandenen Gewinn unter diese Vorschrift fällt. Aus der Verwendung des Plurals "Forderungen" kann jedenfalls nicht darauf geschlossen werden, daß damit sämtliche Forderungen gemeint sind, die ihre Wurzel in dem Gesellschaftsverhältnis haben. Denn die Vorschriften des § 121 Abs. 2 BewG gebrauchen auch zur Bezeichnung der übrigen zum Inlandsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter den Plural, soweit es sich nicht um wirtschaftliche Einheiten handelt (§ 121 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BewG i. V. m. § 214 AO). Die Auslegung nach dem Wortlaut kann damit keine Klarheit über den Inhalt der Vorschrift des § 121 Abs. 2 Nr. 7 BewG in bezug auf die typische stille Beteiligung bringen. Unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, in dem diese Vorschrift steht, und ihrer Entstehungsgeschichte ergibt sich nach Auffassung des Senats, daß der mögliche Wortsinn einschränkend verstanden werden muß.
Das Inlandsvermögen umfaßt nach der Aufzählung in § 121 Abs. 2 BewG Wirtschaftsgüter, die eine besonders enge Beziehung zum Inland haben. Diese Beziehung ergibt sich entweder aus der Belegenheit im Inland (Nr. 1, 2 und 6), aus der Zugehörigkeit zu einer inländischen Betriebstätte (Nr. 3 und 5) oder aus der Eintragung in ein inländisches Buch oder Register (Nr. 4 und 6). Die stille Beteiligung an einem inländischen Handelsgewerbe gehört erst seit der Geltung des Bewertungsgesetzes 1934 zum Inlandsvermögen. Die Erweiterung des Inlandsvermögens durch dieses Gesetz wurde damit begründet, "daß möglichst alles im Inland belegene Vermögen auch von der Vermögensteuer erfaßt werden soll". Danach erscheine es gerechtfertigt, unter anderem auch Forderungen aus der Beteiligung an einem inländischen Unternehmen als stiller Gesellschafter als Inlandsvermögen zu behandeln (Begründung zum Reichsbewertungsgesetz 1934, RStBl 1935, 161 [181]).
Die besondere Beziehung eines Steuerausländers zum Inland aufgrund einer stillen Beteiligung an einem inländischen Unternehmen, die es rechtfertigt, seine Vermögenseinlage als Inlandsvermögen zu behandeln, besteht nicht darin, daß er Geld an einen inländischen Betrieb gibt; denn sonst müßten sämtliche vom Ausland in das Inland gegebene Darlehen an Gewerbebetriebe als Inlandsvermögen behandelt werden. Unter Berücksichtigung der übrigen zum Inlandsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter kann die besondere Beziehung zum Inland nur darin gesehen werden, daß der stille Gesellschafter über die sich aus seiner Vermögenseinlage ergebende Forderung auf Rückzahlung dieser Einlage (vgl. § 340 Abs. 1 HGB) hinaus eine Bindung zu einem inländischen Unternehmen nach Art des Betriebstättenprinzips eingegangen hat. Damit ergibt sich aber unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs und der Entstehungsgeschichte, daß ein entstandener Anspruch des stillen Gesellschafters auf Auszahlung des anteiligen Gewinns grundsätzlich nicht Inlandsvermögen sein kann. Denn dieser Anspruch ist eine gewöhnliche Geldforderung. Sie hat mit der "Beteiligung als stiller Gesellschafter" nur soviel zu tun, daß das Gesellschaftsverhältnis die Wurzel für die Entstehung des Anspruchs ist; der verselbständigte Anspruch ist aber kein gesellschaftsrechtlicher, sondern eine reine Gläubigerforderung. Dies ergibt sich aus § 337 Abs. 3 HGB. Danach vermehrt ein Gewinn, den der stille Gesellschafter im Unternehmen stehenläßt, seine Einlage nicht, sofern nichts anderes vereinbart ist. Der stehengelassene Gewinn berührt deshalb auch nicht die gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten des stillen Gesellschafters, sondern er begründet lediglich eine reine Gläubigerforderung (siehe Schlegelberger-Gessler, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 337 Anm. 20; Schilling in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 337 Anm. 21).
Die Forderung des stillen Gesellschafters auf Auszahlung des ihm zustehenden Anteils an einem entstandenen Gewinn ist allerdings nicht schlechthin aus dem Inlandsvermögen auszuscheiden. Sie gehört vielmehr dann zum Inlandsvermögen, wenn zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes und dem stillen Teilhaber eine die Regelung des § 337 Abs. 3 HGB, wonach der nicht erhobene Gewinn die Einlage nicht vermehrt, ausschließende Vereinbarung getroffen wurde. Eine solche Vereinbarung kann auch stillschweigend zustande kommen (siehe Schlegelberger-Gessler, a. a. O.). Ein Beweisanzeichen dafür ist es, wenn der stehengelassene Gewinn ebenfalls am Betriebserfolg des Handelsunternehmens beteiligt ist, das Gegenstand der stillen Gesellschaft ist. Bei stillschweigenden Vereinbarungen über den nicht erhobenen Gewinn des stillen Gesellschafters können die Grenzen zwischen einer Gläubigerforderung und einer Forderung mit Beteiligungscharakter fließend sein.
a) Soweit der stehengelassene Gewinn in einer Höhe tatsächlich verzinst wird, die nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Zinsvereinbarung als marktgerecht anzusehen ist, handelt es sich bei der Forderung auf Auszahlung des Gewinns um ein Gläubigerrecht, das nicht zum Inlandsvermögen gehört.
b) Nimmt der stehengelassene Gewinn am Betriebsergebnis des Handelsunternehmens teil, wenn auch in anderer Weise als die ursprüngliche Vermögenseinlage, so gehört die Forderung auf Auszahlung des Gewinns wegen ihres Beteiligungscharakters zum Inlandsvermögen.
c) Wird der stehengelassene Gewinn nicht verzinst und besteht auch keine Vereinbarung über dessen Beteiligung am Betriebsergebnis, so wird häufig in Höhe des nicht entommenen Gewinns eine verdeckte Erhöhung der Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters gegeben sein. Denn der stille Gesellschafter wird nach der Lebenserfahrung dem Unternehmen, an dessen Gewinn er beteiligt ist, nur dann ein unverzinsliches Darlehen geben, wenn dieses Unternehmen, z. B. wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, einer Verstärkung seines Kapitals bedarf. Damit führt aber der nicht verzinste, stehengelassene Gewinn selbst dann zu einer Beteiligung des stillen Gesellschafters am Betriebsergebnis, wenn die Gewinnverteilungsabrede nicht geändert wird.
Macht der stille Gesellschafter in diesem Fall eine von Erfahrungssätzen abweichende Gestaltung dahin geltend, daß der stehengelassene Gewinn doch eine reine Gläubigerforderung sei, so trifft ihn an der Aufklärung des Sachverhalts eine erhöhte Mitwirkungspflicht.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; seine Entscheidungen waren deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif; sie wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Das FG brauchte von seiner Rechtsauffassung ausgehend nicht aufzuklären, inwieweit bezüglich des nicht entnommenen Gewinns an den beiden Veranlagungszeitpunkten Tatsachen gegeben waren, die nach obiger Rechtsauffassung zur Annahme oder zur Verneinung von Inlandsvermögen führen müssen. Es hat diese Feststellungen nachzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 71773 |
BStBl II 1976, 275 |
BFHE 1976, 55 |