Leitsatz (amtlich)
Hat sich die Alleingesellschafterin einer GmbH anläßlich einer Kapitalerhöhung zur Einbringung von Wertpapieren verpflichtet und ist dadurch Börsenumsatzsteuer entstanden, so entsteht für diese Wertpapiere nicht erneut Börsenumsatzsteuer, wenn das Ausmaß der Kapitalerhöhung aus Kostengründen vor, Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingeschränkt wird, ohne daß sich an der (bereits erfüllten) Einlageverpflichtung etwas ändert. Dies gilt auch dann, wenn zunächst alle früheren Erklärungen und Beschlüsse (formal) aufgehoben und im Anschluß daran erneut sämtliche für eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen erforderlichen Erklärungen abgegeben werden.
Normenkette
KVStG1959 § 18
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kommanditgesellschaft A war alleinige Gesellschafterin der B-GmbH (GmbH). In der Gesellschafterversammlung der GmbH vom 25. Februar 1970 wurde die Erhöhung des Stammkapitals der GmbH von 20 000 DM auf ... DM beschlossen. Die neue Stammeinlage wurde von der Alleingesellschafterin der GmbH übernommen. Als Einlagen hatte sie einzubringen: einen Teilbetrieb mit allen Aktiven und Passiven sowie die voll in ihrem alleinigen Eigentum stehenden Aktien der C-AG zum Buchwert und Geldwert von ... DM. Die notarielle Urkunde enthielt darüber hinaus die Erklärung, die Beteiligten seien darüber einig, daß die Werte per 1. März 1970 Eigentum der GmbH würden. Die Übergabe sei erfolgt. Rechte und Forderungen seien per 1. März 1970 abgetreten.
Vor der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister fand am 14. Mai 1970 eine weitere Gesellschafterversammlung statt auf der eine Erhöhung des Stammkapitals auf nur noch 30 Mio DM 1) beschlossen wurde. Die neue Stammeinlage wurde wiederum von der Alleingesellschafterin der GmbH übernommen.
Ihre Einlageverpflichtungen blieben die gleichen wie sie am 25. Februar 1970 beurkundet worden waren.
Vor der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 1970 hatten die Vertreter der GmbH und der Alleingesellschafterin der GmbH an diesem Tage zu notariellem Protokoll gegeben, daß sämtliche Beschlüsse und Erklärungen vom 25. Februar 1970 aufgehoben würden.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat die Auffassung vertreten, daß sich durch die Beschlüsse vom 14. Mai 1970 an der am 25. Februar 1970 beschlossenen Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen grundsätzlich nichts geändert habe. Lediglich das Ausmaß der Kapitalerhöhung sei nunmehr eingeschränkt worden. Zu der Einschränkung des Ausmaßes der Kapitalerhöhung habe man sich entschlossen, weil die Kosten der ursprünglich beschlossenen Kapitalerhöhung weit höher gewesen seien, als man sie erwartet habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ist demgegenüber davon ausgegangen, daß zwei Anschaffungsgeschäfte über die Aktien der C-AG abgeschlossen worden seien. Die Alleingesellschafterin habe sich zunächst am 25. Februar 1970 zur Einbringung u. a. der Aktien verpflichtet. Dadurch sei Börsenumsatzsteuerpflicht eingetreten. Diese Steuer sei nicht deshalb wieder weggefallen, weil diese Verpflichtung am 14. Mai 1970 wieder aufgehoben worden sei. Denn das Kapitalverkehrsteuergesetz kenne nicht den Wegfall der Börsenumsatzsteuerpflicht bei Aufhebung eines Anschaffungsgeschäftes. Dadurch, daß sich dann die Alleingesellschafterin der GmbH am 14. Mai 1970 erneut zur Einbringung der Aktien an der C-AG verpflichtet habe, sei eine weitere Börsenumsatzsteuer in gleicher Höhe entstanden.
Das FA hat am 6. Mai 1977 nach Durchführung einer Verkehrsteuerprüfung, die auf Antrag der Klägerin 1975 zunächst hinausgeschoben worden war, durch zwei Steuerbescheide gegen die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der GmbH Börsenumsatzsteuer in Höhe von je ... DM festgesetzt. Die Klägerin hat gegen den Steuerbescheid, der das Anschaffungsgeschäft besteuerte, das das FA in der am 14. Mai 1970 beschlossenen Kapitalerhöhung auf 30 Mio DM 1) gegen Sacheinlagen gesehen hat, ohne Erfolg Einspruch eingelegt.
Die auf Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klagantrag weiterverfolgt, ist begründet. Die notarielle Urkunde vom 14. Mai 1970 über die Erhöhung des Stammkapitals der GmbH auf 30 Mio DM 1) enthält kein weiteres Anschaffungsgeschäft i. S. des Börsenumsatzsteuerrechts.
Börsenumsatzsteuer ist im vorliegenden Fall lediglich dadurch entstanden, daß die Alleingesellschafterin der GmbH sich am 25. Februar 1970 im Rahmen der Übernahme einer neuen Stammeinlage u. a. zur Einbringung der Aktien an der C-AG verpflichtete.
Eine weitere Börsenumsatzsteuer wegen der Verpflichtung der Alleingesellschafterin der GmbH zur Einbringung der Aktien hätte am 14. Mai 1970 nur dann entstehen können, wenn die Alleingesellschafterin zuvor aus ihren am 25. Februar 1970 eingegangenen Einbringungsverpflichtungen vollständig entlassen worden wäre und somit auch die auf die GmbH bereits übertragenen Aktien auf sie zurückübertragen worden waren. Denn nur in diesem Falle hatte sich die Alleingesellschafterin der GmbH, losgelöst von ihren am 25. Februar 1970 eingegangenen, aber wieder aufgehobenen Verpflichtungen, aufgrund eines neuen selbständigen Entschlusses erneut zur Einbringung der Aktien an der C-AG entschlossen. Davon kann jedoch nach dem Inhalt der beiden notariellen Urkunden vom 14. Mai 1970 keine Rede sein.
Nach dem Wortlaut der notariellen Urkunde vom 25. Februar 1970 sind die Aktien an diesem Tage in das Eigentum der GmbH übergegangen. Denn in dieser Urkunde heißt es, die Beteiligten seien sich darüber einig, daß die in dieser Urkunde bezeichneten Werte per 1. März 1970 Eigentum der GmbH würden, daß die Übergabe erfolgt sei und daß Rechte und Forderungen per 1. März 1970 abgetreten seien. Das Eigentum an den Aktien ist selbst dann auf die GmbH übergegangen, wenn es sich bei den Aktien um Namensaktien gehandelt haben sollte oder die Aktienrechte noch in Zwischenscheinen verbrieft waren. Für diesen Fall ist zwar vorgesehen, daß die Übertragung durch Indossament erfolgt (vgl. § 68 Abs. 1, 5 des Aktiengesetzes). Dies bedeutet jedoch nicht, daß Namensaktien oder Zwischenscheine nur durch Indossament übertragen werden können. Das jeweilige Anteilsrecht kann auch durch Abtretungsvertrag i. S. des § 413 BGB unter Übergabe der Aktien bzw. des Zwischenscheines erfolgen (vgl. hierzu Barz, Großkommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 68 Anm. 3).
Der Aufhebungserklärung vom 14. Mai 1970 ist nicht zu entnehmen, daß die Beteiligten die Absicht hatten, das Eigentum an den Aktien bzw. den Zwischenscheinen von der GmbH wiederum auf die Alleingesellschafterin der GmbH zurückzuübertragen. Eine Auslegung der beiden Urkunden vom 14. Mai 1970 nach ihrem Sinn und Zweck ergibt vielmehr, daß es den Beteiligten lediglich darum ging, die bereits beschlossene Kapitalerhöhung nunmehr zu ermäßigen und es im übrigen bei den am 25. Februar 1970 vereinbarten Sacheinlagen zu belassen. Hinsichtlich der Einlageverpflichtungen enthält demgemäß die Urkunde vom 14. Mai 1970 lediglich eine erneute Bestätigung der bereits am 25. Februar 1970 eingegangenen Einlageverpflichtung der Alleingesellschafterin der GmbH.
Etwas anderes kann auch nicht daraus geschlossen werden, daß die GmbH und ihre Alleingesellschafterin am 14. Mai 1970 vor der erneuten Gesellschafterversammlung formal erklärt haben, sämtliche Beschlüsse und Erklärungen vom 25. Februar 1970 würden aufgehoben. Diese Erklärungen können nicht ohne die in der anschließenden Gesellschafterversammlung abgegebenen weiteren Erklärungen gewürdigt werden. Rein formale Erklärungen über die Rückgängigmachung eines Verpflichtungsgeschäfts sind ohne Auswirkung, wenn die Beteiligten eine derartige Rückgängigmachung nach dem erkennbaren Inhalt der sachlich zusammenhängenden Willenserklärungen und Beschlüsse nicht gewollt haben.
Es kann für die Frage, ob das erste Verpflichtungsgeschäft aufgehoben und ein weiteres Verpflichtungsgeschäft abgeschlossen worden ist, nichts anderes gelten als für die bei der Grunderwerbsteuer zu beurteilende Frage, ob ein Erwerbsvorgang i. S. des § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes 1940 rückgängig gemacht worden ist. Wären von den Einbringungsverpflichtungen Grundstücke betroffen gewesen, so hätte es keine Zweifel geben können, daß eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vom 25. Februar 1970 nicht vorgelegen hätte (vgl. zu dieser Frage u. a. die Urteile des Senats vom 26. Februar 1975 II R 173/71, BFHE 116, 50, BStBl II 1975, 675 und vom 29. September 1976 II R 163/71, BFHE 120, 405, BStBl II 1977, 87). Weil es danach an einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vom 25. Februar 1970 gefehlt hätte, wäre durch die Erklärung vom 14. Mai 1970 Grunderwerbsteuerpflicht nicht entstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 413537 |
BStBl II 1981, 294 |
BFHE 1981, 343 |