Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, daß ein Gesellschafter, eine Kapitalgesellschaft, das Geschäft der Kommanditgesellschaft mit allen Aktiven und Passiven unter Ausscheiden der übrigen Gesellschafter gegen Ausgabe junger Aktien an die übrigen Gesellschafter übernimmt und gehören zu den Aktiven der Kommanditgesellschaft Wertpapiere i. S. des § 19 KVStG 1959, so liegt ein Anschaffungsgeschäft i. S. des § 18 Abs. 1 KVStG 1959 vor.
Normenkette
KVStG 1959 §§ 17, 18 Abs. 1, 2 Nrn. 1-2, § 19
Tatbestand
Zu dem Vermögen einer KG gehörten u. a. Stammanteile an der X-GmbH. In die KG trat die von den Gesellschaftern der KG neu gegründete Klägerin, eine AG, auf Grund eines Angebots vom Juli 1965 als persönlich haftende Gesellschafterin ein, nachdem sie ins Handelsregister eingetragen worden war. Am 2. Dezember 1965 nahm die Klägerin ein ebenfalls vom Juli 1965 datierendes Angebot der bisherigen Gesellschafter der KG an, das Unternehmen der KG zum 31. Dezember 1965 unter Ausschluß der Liquidation mit allen Aktiven und Passiven unter Ausscheiden der übrigen Gesellschafter gegen Ausgabe junger Aktien zu übernehmen. Unmittelbar zuvor hatten die Gesellschafter der Klägerin die Erhöhung des Grundkapitals beschlossen. Im Anschluß an die Kapitalerhöhung wurde die KG im Handelsregister gelöscht, weil ihr Geschäft infolge Ausscheidens der übrigen Gesellschafter der Klägerin angewachsen sei.
Das beklagte FA sah eine Einbringung von Wertpapieren in die Klägerin als gegeben an und setzte hinsichtlich der Anteile an der X-GmbH durch vorläufigen Steuerbescheid eine Börsenumsatzsteuer fest. Der Einspruch ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Klage hat das FG den angefochtenen Steuerbescheid aufgehoben. Es hat in den Vereinbarungen und Beschlüssen, die zum Anwachsen des Vermögens der KG auf die Klägerin geführt haben, kein Anschaffungsgeschäft im Sinne der §§ 17, 18 KVStG 1959 gesehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Zwischen der Klägerin und den übrigen Gesellschaftern der früheren KG ist auf Grund des Angebotes der übrigen Gesellschafter vom Juli 1965, die Übernahme des Geschäftes der KG unter Ausscheiden der übrigen Gesellschafter gegen Ausgabe junger Aktien der Klägerin betreffend, und der Annahme dieses Angebotes am 2. Dezember 1965 ein Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 18 Abs. 1 KVStG 1959 zustande gekommen, das gemäß § 17 Abs. 1 KVStG 1959 der Börsenumsatzsteuer unterlag. Da der durch die Annahme zustande gekommene Vertrag auf die Übernahme aller Aktiven und Passiven der KG gerichtet war, beinhaltete er u. a. auch die Übernahme der zu den Aktiven gehörenden Wertpapiere im Sinne des § 19 KVStG 1959. Er war insofern auf den Erwerb des Eigentums an den Wertpapieren gerichtet, auch wenn der spätere Eigentumswechsel nicht durch ein dingliches Rechtsgeschäft, sondern durch Anwachsung entsprechend § 142 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 738 BGB eingetreten ist. Wenn auch der Eigentumsübergang kraft Gesetzes eintrat, so ändert dies nichts daran, daß dem Eigentumsübergang ein ihn rechtfertigendes Kausalgeschäft voranging, das zur Börsenumsatzsteuer heranzuziehen ist.
Abgesehen von der unmittelbaren Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 KVStG 1959 auf den vorliegenden Fall machen die ergänzenden Bestimmungen des § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 2 KVStG 1959 deutlich, daß ein Anschaffungsgeschäft auch dann zu bejahen wäre, wenn wegen der unmittelbaren Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 KVStG 1959 Zweifel bestehen könnten.
Im Zusammenhang mit der Vereinbarung über die Geschäftsübernahme durch die Klägerin war nämlich auf Grund einer Gesellschafterversammlung deren Kapital erhöht und dabei vereinbart worden, daß das Geschäft der KG im Wege der Sacheinlage in die Klägerin einzubringen sei. Damit sind die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959 erfüllt.
Die Vereinbarungen über die Geschäftsübernahme hatten gleichzeitig die Beendigung der Kommanditgesellschaft ohne Liquidation zum Gegenstand. Damit lag zugleich ein Geschäft über die Auflösung der Kommanditgesellschaft und die Überweisung u. a. von Wertpapieren an die Klägerin als Mitgesellschafterin der KG im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 2 KVStG vor.
Wenn das FG der Meinung war, seine abweichende Auffassung u. a. aus dem Urteil des Senats vom 28. Juli 1970 II 105/64 (BFHE 100, 133, BStBl II 1970, 816) herleiten zu können, so hat es die dortigen Ausführungen des Senats mißverstanden. Die dort für die Verschmelzung von Genossenschaften entwickelten Überlegungen können nicht auf Anwachsungsfälle gemäß bzw. entsprechend § 142 Abs. 3 HGB übertragen werden. Das hat der Senat bereits ausdrücklich in seinem Urteil vom 19. Dezember 1973 II R 172/72 (BFHE 112, 78, 81, BStBl II 1974, 400) in einer Börsenumsatzsteuersache, die einen Umwandlungsvorgang betraf, ausgesprochen, und in seinem in einer Grunderwerbsteuersache ergangenen Urteil vom 16. Februar 1977 II R 89/74 (BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671) erneut bestätigt.
Fundstellen
Haufe-Index 72659 |
BStBl II 1978, 187 |
BFHE 1978, 82 |