Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohneigentumsförderung im Beitrittsgebiet -- Herstellen eines neuen Gebäudes bei "Vollverschleiß"?
Leitsatz (NV)
1. Ist ein Gebäude so sehr abgenutzt, daß es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), so wird durch die Instandsetzung unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt.
2. Unbrauchbar i. S. eines "Vollverschleißes" ist ein Gebäude nicht schon dann, wenn es z. B. deshalb nicht vermietbar ist, weil es wegen Abnutzung und Verwahrlosung zeitgemäßen Wohnvorstellungen nicht mehr entspricht, sondern nur bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen.
3. Zu "Ausbauten" und "Erweiterungen" i. S. d. §10 e Abs. 2 EStG.
4. Nach §57 Abs. 1 EStG ist im Beitrittsgebiet Voraussetzung für den Vorkostenabzug, daß der Steuerpflichtige die Grundförderung in Anspruch nehmen kann.
Normenkette
EStG §§ 10e, 57 Abs. 1; II. WoBauG § 17
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde im Streitjahr 1991 mit ihrem Ehemann zusammen veranlagt. Dieser hatte mit Vertrag vom ... Mai 1989 das Gebäude "X- Straße" in A (ehemalige DDR) zum Preis von 9 700 Mark (DDR) erworben. Nach Mitteilung des Einwohnermeldeamtes war er dort bereits seit November 1988 polizeilich gemeldet. Das Haus wurde in den Jahren 1989 bis 1991 umfassend renoviert bzw. umgebaut (Aufwendungen insgesamt 126 306 DM). Dem Antrag auf Baugenehmigung zum Umbau und Ausbau vom ... Juni 1990 hat das Bauamt im Juli 1990 entsprochen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann neben einer Steuerbegünstigung in Höhe von 4 000 DM gemäß §7 des Fördergebietsgesetzes (FördG) Abzugsbeträge nach §10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7 578 DM (6 v. H. aus 126 306 DM) und nach §10 e Abs. 6 EStG in Höhe von 6 499 DM sowie Baukindergeld (§34 f EStG) für ein Kind, die Tochter des Ehemannes der Klägerin, die nach deren eigenen Angaben in der Einkommensteuererklärung im Streitjahr nicht zum Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes gehörte, sondern bei ihrer Mutter lebte.
Die Klägerin erläuterte, das Haus "X-Straße" sei im Zeitpunkt des Erwerbs unbewohnbar gewesen. Ihr Ehemann sei nur formal unter dieser Adresse gemeldet gewesen, um ein Vorkaufsrecht der Gemeinde zu verhindern. Zum Nachweis der Unbewohnbarkeit des Hauses legte die Klägerin die Mitteilung des Bauordnungsamtes der Stadt A über das Ergebnis einer Ortsbesichtigung des Hauses "X-Straße" vor, die am 5. Dezember 1990 aufgrund eines Beweisbeschlusses im Rahmen eines Räumungsprozesses gegen die Klägerin und ihren Ehemann durchgeführt worden war.
Dort heißt es u. a.: "Bei dem Haus handelt es sich um ein massives, zweigeschossiges Wohnhaus mit ausgebauter Mansarde in Reihenbebauung. ... Der vorgesehene Um- und Ausbau beinhaltet umfassende, konstruktive und räumliche Veränderungen in allen Geschossen, die grundlegende Erneuerung des gesamten Innenausbaues (Türen, Fenster, Fußböden, Elektro- und Sanitär- sowie Heizungsinstallation), den Einbau einer Kellergarage, den Anbau einer unterkellerten Terrasse gartenseitig und die Instandsetzung von Dach und Fassade. ... Nach Aussage ... (des Ehemannes der Klägerin) ... ist aufgrund des Einbaues eines modernen Heizkessels die Demontage der gesamten schon installierten Schwerkraftheizung erforderlich." ... Nach dem derzeitigen Bauzustand sei das Haus nicht bewohnbar, solange einige der geplanten Bauarbeiten noch ausständen und das Material für bestimmte Bauarbeiten durch das Wohnhaus transportiert werden müsse.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gewährte zwar die Steuervergünstigung nach §7 FördG, nicht jedoch die Abzugsbeträge nach §10 e EStG und nach §34 f EStG mit der Begründung, das Gebäude sei bereits 1989 angeschafft worden. Weil hiernach die Voraussetzungen für die Grundförderung nach §10 e Abs. 1 EStG nicht erfüllt seien, dürften die Renovierungsaufwendungen auch nicht als nachträgliche Herstellungskosten berücksichtigt werden. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten durch die -- wenn auch erheblichen -- Instandsetzungsarbeiten keine Wohnung i. S. des §10 e Abs. 1 EStG hergestellt. Des weiteren lägen die Voraussetzungen für die Begünstigung nach §10 e Abs. 2 EStG nicht vor. Der Ehemann der Klägerin habe ausweislich des Kaufvertrages und der Bestätigung des Einwohnermeldeamtes schon vor dem Erwerb in dem Haus gewohnt. Für die Bewohnbarkeit spreche außerdem, daß die Baugenehmigung für die Umbaumaßnahmen erst im Juni 1990 beantragt worden sei. Die zum Nachweis der Unbewohnbarkeit vorgelegte Bescheinigung des Bauordnungsamtes betreffe nur den Zustand während der Renovierung im Dezember 1990. Im übrigen habe es keiner polizeilichen Meldung in dem Haus bedurft, um ein Vorkaufsrecht der Gemeinde auszuschließen.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (DStRE) 1997, 9 veröffentlicht ist, führte aus, die Voraussetzungen für das Baukindergeld lägen nicht vor, weil das Kind nicht zum Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes gehöre.
Das FA habe jedoch zu Unrecht die Abzugsbeträge nach §10 e EStG nicht berücksichtigt. Zwar sei die Anschaffung des Hauses nicht begünstigt, weil nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen nach dem 31. Dezember 1990 erfüllt worden seien (§57 Abs. 1 EStG).
Die Steuerbegünstigung nach §10 e Abs. 1 und Abs. 6 EStG stehe dem Ehemann der Klägerin aber zu, weil er erstmals eine Wohnung hergestellt habe. Sei -- wie im Streitfall -- ein Gebäude so abgenutzt, daß es unbrauchbar geworden sei, und werde durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt, so lägen insgesamt Herstellungskosten vor, auch wenn die Aufwendungen für sich betrachtet teils Erhaltungs- und teils Herstellungskosten seien.
Die Aufwendungen seien insgesamt Herstellungskosten, wenn sie die Substanz des Gebäudes vermehrt oder -- durch Erneuerung der Substanz -- das Gebäude in seinem Wesen verändert oder über seinen Zustand hinaus derart deutlich verbessert hätten, daß von einer völlig veränderten Nutzungsdauer auszugehen sei (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632). Diese Voraussetzungen einer sog. "Generalüberholung" lägen im Streitfall vor. Das Gebäude sei durch die umfassenden Sanierungsarbeiten wie Neudecken des Daches, Erneuerung von Heizung, Fenster, Türen und Elektroinstallationen "praktisch erneuert" worden. Der Zustand vor dem Umbau sei so schlecht gewesen, daß es "praktisch unbenutzbar und unvermietbar gewesen" sei. Dies belegten der -- "auch für Verhältnisse vor der Wende sehr niedrige" -- Kaufpreis, die Ausführungen des Bauordnungsamtes und die Höhe der Aufwendungen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von §10 e EStG.
Eine Wohnung sei nur dann hergestellt i. S. des §10 e EStG, wenn sie bautechnisch neu sei. Dies sei nicht der Fall, wenn die Außenmauern zum überwiegenden Teil weiterbenutzt würden. Aus den Erläuterungen des Bauordnungsamtes ergebe sich nicht, daß Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschoßdecken oder die Dachkonstruktion ersetzt worden seien. Werde lediglich der durch die Außenmauern umbaute Raum umgestaltet, liege kein Neubau vor (BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 175/87, BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808). Die Wohnung sei auch nicht i. S. des §10 e Abs. 2 EStG ausgebaut oder erweitert worden. Durch Unterkellerung und Umbau eines Kellers in eine Garage werde kein neuer Wohnraum geschaffen. Eine Erweiterung sei deshalb ebenso zu verneinen wie ein Ausbau, denn die Wohnung sei nicht unbewohnbar gewesen. Dagegen spreche schon, daß der Ehemann der Klägerin bereits seit 1988 in dem Haus gemeldet gewesen sei. Es gebe keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, daß das Haus nicht über die notwendige Mindestausstattung verfügt habe. Hilfsweise sei jedenfalls zu berücksichtigen, daß für Gebäude, die bis zum 30. September 1991 hergestellt worden seien, ein Vomhundertsatz von nur 5 v. H. gelte; das FG habe zu Unrecht einen Abzugsbetrag in Höhe von 6 v. H. der Bemessungsgrundlage gewährt, obwohl selbst nach den eigenen Angaben der Eheleute in der Einkommensteuererklärung die Wohnung bereits ab 31. Juli 1991 zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung des FA sei die formale Ummeldung des Ehemannes notwendig gewesen, denn nach den Verhältnissen in der damaligen DDR wäre andernfalls die Wohnung einem Parteimitglied der SED zugeordnet worden.
Das Mißverhältnis zwischen Anschaffungskosten und einem Sanierungsaufwand von mehr als 100 v. H. des Kaufpreises und die Erläuterungen des Bauordnungsamtes belegten die Unbewohnbarkeit des Gebäudes. Auch die Finanzverwaltung nehme eine Herstellung und deshalb Herstellungskosten an, wenn der angefallene Bauaufwand den Wert der Altbausubstanz übersteige (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -- BMF -- vom 31. Dezember 1994, BStBl I 1994, 887, Tz. 15).
Entscheidungsgründe
Die Revision führt -- soweit das FG der Klage stattgegeben hat -- zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO --).
1. Zu Recht hat das FG entschieden, daß die Anschaffung des Hauses nicht nach §10 e Abs. 1 Satz 4 EStG begünstigt war.
In den neuen Bundesländern ist §10 e EStG auf Tatbestände anwendbar, die nach dem 31. Dezember 1990 verwirklicht worden sind (§57 Abs. 1 EStG). Voraussetzung für die Gewährung eines Abzugsbetrages ist die Anschaffung oder Herstellung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung. Die Steuerbegünstigungen in §10 e EStG sollen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß möglichst viele Bürger Wohneigentum für eigene Wohnzwecke erwerben können (BTDrucks 10/3633 S. 10). Dem Zweck der Vorschrift entsprechend -- einen steuerlichen Anreiz zu einer erwünschten Investition zu schaffen -- beschränkt §57 Abs. 1 EStG für die neuen Bundesländer die Förderung auf in der Zukunft, d. h. nach dem 31. Dezember 1990 verwirklichte Sachverhalte. Voraussetzung ist deshalb, daß alle tatbestandlichen Voraussetzungen für die Begünstigung nach dem Stichtag verwirklicht worden sind (z. B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §10 e Rz. 1; B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, §10 e EStG Rz. 6, jeweils m. w. N.; a. A. nur Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 5. Aufl. S. 259). Hiernach liegt eine begünstigte Anschaffung nicht vor, denn der Ehemann der Klägerin hat das Haus bereits im Mai 1989 angeschafft.
2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob die Klägerin und ihr Ehemann eine neue Wohnung hergestellt haben.
a) Eine Wohnung ist nicht schon dann "hergestellt", wenn Herstellungsaufwendungen in größerem Umfang anfallen. Deshalb führen auch umfassende Reparatur- und Modernisierungsaufwendungen in zeitlichem Zusammenhang mit der Anschaffung eines bebauten Grundstücks, die nach der Rechtsprechung als sog. anschaffungsnaher Aufwand beurteilt worden sind (z. B. BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 69/92, BFHE 178, 36, BStBl II 1996, 630), nicht zur Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes.
b) Herstellen einer Wohnung bedeutet, daß eine bautechnisch neue, bisher nicht vorhandene Wohnung geschaffen wird (BFH- Urteil vom 15. November 1995 X R 102/95, BFHE 179, 290, m. w. N.). Grundsätzlich kann auch in einem bestehenden Gebäude eine neue Wohnung hergestellt werden, wenn das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird. Ein Neubau kann jedoch -- entgegen der Auffassung des FG -- nicht schon dann angenommen werden, wenn Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung eines Gebäudes in ihrer Gesamtheit über die zeitgemäße substanzerhaltende Bestandteilerneuerung hinaus den Gebrauchswert des Hauses insgesamt erhöhen und deshalb als Herstellungskosten zu beurteilen sind (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, und in BFHE 178, 36, BStBl II 1996, 630). Eine Neuherstellung kann deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt der "Generalüberholung" angenommen werden. Denn dieser Begriff spielt nur bei der Abgrenzung zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand eine Rolle und umschreibt lediglich in tatsächlicher Hinsicht den Vorgang umfangreicher Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen (BFH-Urteile vom 15. November 1995 X R 12/95, BFH/NV 1996, 603, und in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632).
c) Der IX. Senat des BFH hat -- ohne daß dies entscheidungserheblich gewesen wäre -- in den Urteilen in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, und in BFHE 178, 36, BStBl II 1996, 630 ausgeführt: Ist ein Gebäude so sehr abgenutzt, daß es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), so wird durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt.
Unbrauchbar im Sinne eines Vollverschleißes ist ein Gebäude jedoch nicht schon dann, wenn es beispielsweise deshalb nicht vermietbar ist, weil es wegen Abnutzung und Verwahrlosung zeitgemäßen Wohnvorstellungen nicht mehr entspricht (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juni 1993 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460; vom 15. November 1995 X R 8/94, BFH/NV 1996, 397, sowie Stobbe, Finanz-Rundschau 1997, 281, 282; Spindler, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1996, 765, 766; Pezzer, Der Betrieb 1996, 849, 850). Unbrauchbar im Sinne eines Vollverschleißes ist ein Gebäude nur bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1991 IX R 131/86, BFH/NV 1991, 670, zu §82 a der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung; Scharfenberg, DStR 1997, 473, 474). Eine Wohnung ist deshalb nicht neu hergestellt, wenn lediglich der umbaute Raum umgestaltet oder grundlegend saniert wird. Vielmehr müssen die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge geben. Das ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z. B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschoßdecken und Dachkonstruktion. Die Altbausubstanz muß so tiefgreifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert worden sein, daß die neu eingefügten Gebäudeteile der entstandenen Wohnung das Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (BFH-Urteile in BFHE 179, 290, und vom 11. September 1996 X R 46/93, BFHE 181, 294; gl. A. BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 887 Tz. 14, 15). Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann "hiervon ausgegangen werden, wenn der im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Entstehung der Wohnung angefallene Bauaufwand zuzüglich des Wertes der Eigenleistungen nach überschlägiger Berechnung den Wert der Altbausubstanz (Verkehrswert) übersteigt". Bei diesem Vergleich müssen jedoch typische Erhaltungsaufwendungen außer Betracht bleiben. Nur Aufwendungen, durch welche die verwendete Bausubstanz so tiefgreifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert wird, daß die eingefügten Teile der Wohnung das Gepräge geben, sind dem Wert der Altbausubstanz gegenüberzustellen (Senatsurteil in BFHE 181, 294). Aufwendungen, wie z. B. für die Erneuerung der Bodenbeläge, Fenster und Türen, die Modernisierung der Heizung, die Überholung und Erweiterung der Elektroinstallation, die Badsanierung, Neueindeckung des Daches und Außenputz, müssen deshalb außer Betracht bleiben.
d) Die vom FG erwähnten im Anschluß an den Erwerb durchgeführten Renovierungsarbeiten wie die Erneuerung von Dachbedeckung, Heizungsanlage, Fenster, Türen und Elektroinstallationen rechtfertigen danach die Beurteilung als Neuherstellung einer Wohnung nicht. Ob und ggf. welche anderen "konstruktiven" Veränderungen außer der erwähnten Unterkellerung der Terrasse vorgenommen wurden und zu berücksichtigen sein könnten, hat das FG -- obwohl sich der Umfang der Baumaßnahmen u. a. aus den Baugenehmigungsunterlagen ermitteln läßt -- nicht festgestellt.
3. Ergeben die vom FG im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Feststellungen, daß keine Wohnung hergestellt ist, wird das FG zu prüfen haben, ob eine Begünstigung nach §10 e Abs. 2 EStG (Ausbau oder Erweiterung) gewährt werden kann.
a) Ein nach §10 e Abs. 2 EStG i. V. m. §17 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes begünstigter Ausbau liegt allerdings nur vor, wenn die Räume objektiv nicht mehr bewohnbar waren, weil die notwendige Mindestausstattung (Heizung, Küche, Bad, Toilette) fehlte; es genügt nicht, daß die Eignung zu Wohnzwecken infolge Altersabnutzung oder Verwahrlosung entfallen ist (ausführlich BFH- Urteile in BFHE 179, 290, und in BFHE 181, 294, jeweils m. w. N.). Das FG hat -- aus seiner Sicht zu Recht -- keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Haus vor dem Umbau die beschriebene Mindestausstattung hatte.
b) Eine Erweiterung (Anbau oder Aufstockung) an einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung ist nach §10 e Abs. 2 EStG nur dann begünstigt, wenn durch die Baumaßnahme -- auch -- zusätzliche vollwertige Räume geschaffen worden sind. Vollwertige Räume sind in sinngemäßer Anwendung der §§42 und 44 der II. Berechnungsverordnung (II. BV) nur solche Räume, die nach §44 Abs. 1 Nr. 1 II. BV voll auf die Wohnfläche anzurechnen sind (ausführlich BFH-Urteile vom 8. März 1995 X R 74/94, BFHE 177, 399, BStBl II 1996, 352, und vom 7. Februar 1996 X R 12/93, BFHE 179, 413, BStBl II 1996, 360). Die vom FG allein erwähnte Garage und die Unterkellerung der Terrasse gehören hierzu nicht.
4. Der Abzug der geltend gemachten Vorkosten hängt im Streitfall davon ab, ob die Klägerin und ihr Ehemann die Grundförderung in Anspruch nehmen können, d. h., ob sie nach dem 31. Dezember 1990 eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung hergestellt (§10 e Abs. 1 EStG) oder ausgebaut oder erweitert (§10 e Abs. 2 EStG) haben.
Nach §57 Abs. 1 EStG ist §10 e EStG im Beitrittsgebiet (nur) auf Tatbestände anwendbar, die nach dem 31. Dezember 1990 verwirklicht worden sind. Voraussetzung ist deshalb auch für den Vorkostenabzug, daß der Steuerpflichtige die Grundförderung nach §10 e Abs. 1 oder Abs. 2 EStG beanspruchen kann. Etwas anderes ergibt sich nicht aus §52 Abs. 14 EStG in der für 1988 geltenden Fassung. Nach dieser Bestimmung war §10 e Abs. 1 bis 5 EStG erstmals bei Wohnungen im eigenen Haus oder bei Eigentumswohnungen oder bei Ausbauten und Erweiterungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1986 hergestellt oder angeschafft worden sind; Abs. 6 des §10 e EStG war -- ausdrücklich in der Absicht, den Abzug von Vorkosten auch bei Wohnungen zu ermöglichen, die bereits vor dem Stichtag angeschafft oder hergestellt worden sind -- nicht genannt. Eine solche Einschränkung enthält die Übergangsregelung in §57 Abs. 1 EStG nicht.
5. Kommt das FG zum Ergebnis, daß der Klägerin und ihrem Ehemann die Steuerbegünstigung nach §10 e EStG zusteht, wird es auch zu berücksichtigen haben, daß eine doppelte Begünstigung derselben Aufwendungen sowohl nach §7 FördG als auch nach §10 e EStG nicht zulässig ist (§7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FördG).
Fundstellen
Haufe-Index 67035 |
BFH/NV 1998, 839 |
BFH/NV 1998, 841 |
DStZ 1998, 481 |
HFR 1998, 550 |