Leitsatz (amtlich)
Bei einem nach § 7b EStG 1961 zu beurteilenden eigengenutzten Einfamilienhaus kommen AfA nach § 7 EStG für den über 120 000 DM hinausgehenden Betrag der Herstellungskosten nicht in Betracht. Die AfA nach dieser Vorschrift ist bereits in dem nach der EinfHaus-VO anzusetzenden Grundbetrag für den Nutzungswert der eigenen Wohnung im eigenen Einfamilienhaus enthalten.
Normenkette
EStG 1961 § 7b Abs. 1, § 7; EStDV 1961 § 15; EinfHaus-VO § 2
Tatbestand
Der Kläger hat in der Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1963 neben anderen Einkünften auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Diese Einkünfte hat er aus dem eigengenutzten Einfamilienhaus bezogen, für das die Baugenehmigung am 5. Mai 1961 beantragt worden war und das der Kläger im Jahre 1962 bezogen hatte. Als Werbungskosten machte der Kläger außer den erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG 1961 auch für den Teil der Herstellungskosten, der 120 000 DM überstieg, nämlich rund 200 500 DM AfA nach § 7 Abs. 1 EStG mit 2 v. H. geltend, wobei er der Auffassung ist, daß in dem Betrag für AfA, den das FA für 1962 in Höhe von 9 000 DM gewährt hatte, die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG in Höhe von 4 010 DM enthalten gewesen sei. Mit dem geltend gemachten Betrag von 8 020 DM werde ein Teil der AfA nach § 7b EStG für 1962 nachgeholt.
Das FA lehnte den Abzug der 8 020 DM unter Berufung auf die Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (EinfHaus-VO) ab.
Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte in der in den EFG 1968, 298 veröffentlichten Entscheidung aus: Bei dem nach der EinfHaus-VO ermittelten Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus handele es sich um einen Netto-Nutzungswert, von dem Werbungskosten nicht abgezogen werden könnten, es sei denn, der Gesetzgeber lasse Ausnahmen zu. Letzteres sei für die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG geschehen, obwohl das Gesetz auf die Einkunftsermittlung beim eigengenutzten Einfamilienhaus nicht besonders Bezug nehme. Die Auslegung des Gesetzes führe dazu, die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG auch im Rahmen der Einkunftsermittlung nach der EinfHaus-VO zuzulassen. Die Vorschriften des § 10 Abs. 3 bzw. § 15 Abs. 1 EStDV hätten diesen Rechtszustand klargestellt. Aus der ausnahmsweisen Anwendung des § 7b EStG bei der EinfHaus-VO folge zugleich, daß § 7b EStG dem Eigentümer eines Einfamilienhauses nicht darüber hinaus noch den Abzug der normalen AfA im Sinne des § 7b Abs. 1 letzter Satz in Verbindung mit § 7 Abs. 4 EStG 1965 ermöglichen wolle. Die Bedeutung des § 7b EStG erschöpfe sich in der Zulassung erhöhter Abschreibungssätze. Dieser erhöhte Abschreibungssatz habe bei der Festlegung des Netto-Nutzungswertes durch die EinfHaus-VO noch nicht berücksichtigt werden könne. Die normalen AfA hätten dagegen bei der Ermittlung des Netto-Nutzungswertes ihren Niederschlag gefunden.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht.
Er führt aus: Der Grundbetrag des § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO sei ein Brutto- und kein Nettobetrag. Auch der BFH sei in der Entscheidung VI 42/64 S vom 15. Oktober 1965 (BFH 84, 290, BStBl III 1966, 106) von der Auffassung ausgegangen, daß der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus ein Brutto-Nutzungswert sei. Ebenso komme in der Unterscheidung zwischen dem Grundbetrag für den Nutzungswert (§ 2 Abs. 1 EinfHaus-VO) und dem Nutzungswert zum Ausdruck, daß der Grundbetrag des Nutzungswertes ein Brutto-Nutzungswert sei. Demnach treffe es nicht zu, daß die AfA als Werbungskosten bereits berücksichtigt seien. Nach § 9 in Verbindung mit § 7 EStG seien die Werbungskosten jeweils bei der Einkunftsart abzusetzen, bei der sie erwachsen seien. Da nach § 21 Abs. 2 EStG zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus gehöre, seien bei diesem die Werbungskosten nach den §§ 9 und 7 EStG abzusetzen.
Die Berufung des FG auf den Beschluß des BVerfG 1 BvR 488/57 vom 3. Dezember 1958 (BStBl I 1959, 68) gehe fehl, da dort nur über die Frage des Schuldzinsenabzuges entschieden worden sei. Aus dieser Entscheidung könnten jedoch keine allgemeinen Schlüsse gezogen werden, ob die Auslegung der EinfHaus-VO insoweit verfassungsrechtlich einwandfrei sei, als der Abzug der Werbungskosten durch die Verordnung ausgeschlossen sei. Aus den gleichen Gründen könne daher auch das Urteil des BFH VI R 114/68 vom 31. Januar 1969 (BFH 94, 531, BStBl II 1969, 294) für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, weil sich dieses auch nur mit der Frage des Schuldzinsenabzuges beschäftigt habe. Es erscheine nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG fraglich, ob ein genereller Ausschluß der Werbungskosten verfassungsrechtlich haltbar sei. Eine angemessene Kapitalverzinsung sei jedenfalls nicht mehr gewährleistet, wenn der Kapitalverzehr überhaupt nicht berücksichtigt würde. Dies komme einer Substanzbesteuerung gleich, die im Widerspruch zu § 2 Abs. 2 EStG stehe. Das angefochtene Urteil verkenne, daß § 7b EStG als die spätere Norm der früheren Regelung der EinfHaus-VO vorgehe. Durch § 7b EStG sei die frühere Regelung, nach der der Abzug weiterer Werbungskosten verboten gewesen sei, aufgehoben worden. Die spätere beschränkte Anwendung des höheren Abschreibungssatzes habe nicht zur Vermeidung der Zulässigkeit der üblichen Abschreibung geführt. Diese Auffassung werde durch die Regelung des § 7b Abs. 1 letzter Satz EStG 1965 ausdrücklich bestätigt. Die Regelung enthalte kein neues Recht, sondern entspreche den bis dahin geltenden Grundsätzen, so daß es gerechtfertigt sei, für den Herstellungsaufwand, der den begünstigten Teil der Herstellungskosten übersteige, die normalen AfA in Anspruch zu nehmen. Das FG habe es unterlassen darzulegen, aus welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Ausschluß des Abzuges von Werbungskosten ergebe. Der BFH habe in der Entscheidung IV 427/53 U vom 26. August 1954 (BFH 59, 233, BStBl III 1954, 300) die Anwendung des § 7b EStG bei der Ermittlung des Nutzungswertes eigengenutzter Einfamilienhäuser bejaht, ohne die Frage zu erörtern, ob § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO überhaupt den Abzug von Werbungskosten verbiete. Weder im § 21 Abs. 2 EStG noch in den §§ 9, 7 und 7b EStG oder in den Vorschriften der EinfHaus-VO befinde sich ein Hinweis darauf, daß der Abzug von Werbungskosten im Fall der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus versagt werde. Die Möglichkeit des Ansatzes weiterer über die erhöhte Absetzung hinausgehender AfA ergebe sich auch aus der Verweisung in § 7b Abs. 1 Satz 3 EStG 1965 auf § 7 Abs. 4 EStG. Hierbei könne jedoch nicht darauf abgestellt werden, ob das Einfamilienhaus eigen- oder fremdgenutzt werde. Eine solche Differenzierung ergebe sich aus § 7b EStG nicht. Schließlich könne auch der Auffassung des FA nicht gefolgt werden, daß durch § 15 Abs. 1 EStDV der Abzug der erhöhten Absetzungen im Bereich der EinfHaus-VO überhaupt erst ermöglicht werde. Diese Vorschrift habe nur klarstellende Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, daß dem Steuerpflichtigen für sein von ihm selbst genutztes Einfamilienhaus hinsichtlich des über 120 000 DM hinausgehenden Betrages der Herstellungskosten keine AfA nach § 7 EStG zusteht. Entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen ist diese bereits in dem nach der EinfHaus-VO anzusetzenden Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus enthalten.
Nach § 29 Abs. 3 EStG kann der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus in einem Hundertsatz des zuletzt festgestellten Einheitswertes des Grundstücks bemessen werden. Diese Ermächtigung bedeutet, daß an Stelle des Überschusses der durch Schätzung zu ermittelnden Mieteinnahmen über die Werbungskosten ein Durchschnittsatz der Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugrunde zu legen ist. Der Verordnungsgeber hat von der Ermächtigung nur für die Fälle Gebrauch gemacht, in denen der Steuerpflichtige das eigene Haus in vollem Umfang selbst bewohnt. An die Stelle des individuell ermittelten Nutzungswertes des eigengenutzten Einfamilienhauses tritt nach § 2 Einf-Haus-VO ein Durchschnittsatz, der nach einem typisierenden Verfahren festgestellt wird. Der Durchschnittsatz hat die Aufgabe, die Schwierigkeiten, die der Ermittlung der Bruttoeinnahmen und der Werbungskosten beim Einfamilienhaus entgegenstehen, durch eine generelle Besteuerung auszuräumen. Der Durchschnittsatz stellt demnach den Mietwert des Hauses nach Abzug der Werbungskosten, also den Netto-Nutzungswert dar (so auch BVerfG-Beschluß 1 BvR 488/57, a. a. O., S. 71, 73).
Die typisierende Behandlung der Einkünfte aus dem eigengenutzten Einfamilienhaus wird durch die Berücksichtigung individueller Merkmale nicht beeinträchtigt. Aus dem durch § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO in begrenztem Umfang zugelassenen Abzug von Schuldzinsen kann nicht geschlossen werden, daß der "Grundbetrag für den Nutzungswert" in dem Sinne einen Bruttoertrag darstellt, als der Abzug auch anderer Werbungskosten als der Schuldzinsen in begrenzter Höhe nicht ausgeschlossen werden sollte. Schuldzinsen sind grundsätzlich Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in Verbindung stehen (§ 9 Nr. 1 EStG). Wenn diese ausdrücklich in § 2 Abs. 2 der EinfHaus-VO in einem begrenzten Umfang zum Abzug vom Grundbetrag zugelassen worden sind, so muß hieraus gefolgert werden, daß andere Werbungskosten nicht abgezogen werden dürfen. Andernfalls hätte es dieser besonderen Erwähnung nicht bedurft. Dies erklärt auch, warum in der EinfHaus-VO vom Grundbetrag für den Nutzungswert und nicht vom Nutzungswert gesprochen wird. Der Verordnungsgeber hat diese Fassung gewählt, weil er den Schuldzinsenabzug zulassen wollte. Dieser konnte aber nur von dem Grundbetrag erfolgen. Denn der Nutzungswert stellt den Grundbetrag nach Abzug der Schuldzinsen dar.
Ist hiernach davon auszugehen, daß der Ansatz des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus den Abzug von Werbungskosten - abgesehen von der Regelung in § 2 Abs. 2 EinfHausVO - nicht zuläßt, so ergibt sich hieraus auch die Bedeutung des § 15 EStDV. Bei den erhöhten Abschreibungen nach § 7b EStG handelt es sich um Werbungskosten (§ 9 Nr. 6 EStG). Nach dem oben Gesagten wären aber diejenigen Steuerpflichtigen von der Vergünstigung des § 7b EStG ausgeschlossen, die im eigenen Einfamilienhaus wohnen. Aus diesem Grunde war eine ausdrückliche Regelung erforderlich, die auch bei der Anwendung der EinfHaus-VO die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG zuließ. § 15 EStDV kommt demnach entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen nicht nur klarstellende Bedeutung zu. Diese Regelung trägt dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG Rechnung.
Es trifft auch nicht zu, daß die Versagung des Abzuges von AfA vom Grundbetrag des Nutzungswertes mit Art. 3 GG nicht zu vereinbaren sei und dem Prinzip der Eigenkapitalnutzung widerspreche. Der Steuerpflichtige übersieht hierbei, daß die AfA bereits in dem Grundbetrag für den Nutzungswert enthalten ist. Denn der Ansatz von 3,5 v. H. des Einheitswertes des Grundstücks als Nutzungswert bringt zum Ausdruck, daß nach Berücksichtigung des Aufwandes noch ein Reinnutzen in dieser Höhe verbleibt. Diese Regelung kann zwar zu einem späteren Zeitpunkt zu für den Steuerpflichtigen ungünstigen Ergebnissen führen, wenn in größerem Umfang durch Reparaturen Werbungskosten anfallen. Andererseits führt diese Regelung zu einem für den Steuerpflichtigen günstigen Ergebnis zu Beginn. Dieser Ausgleich rechtfertigt es auch, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine solche Regelung zu erheben (vgl. insoweit auch den Beschluß des BVerfG 1 BvR 488/57, a. a. O., S. 73 linke Sp.). Es kommt hinzu, daß die Besteuerung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus eine Besonderheit im System der Einkommensermittlung darstellt, die man nicht nach allgemeinen Maßstäben messen kann.
Soweit sich der Steuerpflichtige darauf beruft, daß § 7b Abs. 1 Satz 3 EStG 1965 eine Anwendung des § 7 Abs. 4 EStG für den bei einem Einfamilienhaus 150 000 DM übersteigenden Betrag der Herstellungskosten vorsehe, kann er damit ebenfalls keinen Erfolg haben. Ganz abgesehen davon, daß die Anwendung der EinfHaus-VO bei einem eigengenutzten Einfamilienhaus dem Ansatz einer AfA nach § 7 Abs. 4 EStG aus den oben angeführten Gründen im Wege stünde, übersieht der Steuerpflichtige, daß § 7b EStG in der für ihn gültigen Fassung eine solche Regelung nicht vorsah. Da der Steuerpflichtige seine Baugenehmigung am 5. Mai 1961 beantragt hatte, galt für ihn der § 7b in der Fassung des EStG vom 15. August 1961. Dieser schloß aber die AfA, gleich welcher Art, auf den Teil der Herstellungskosten, der 120 000 DM übersteigt, ausdrücklich aus. Wegen der anderslautenden Gesetzesfassung von § 7b in dem EStG 1961 im Verhältnis zum EStG 1965 und 1969 erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Ausführungen des Steuerpflichtigen, soweit er hieraus Folgerungen für seine Rechtsauffassung zieht.
Kommt hiernach eine Anwendung des § 7 EStG auf den 120 000 DM übersteigenden Betrag der Herstellungskosten nicht in Betracht, so konnte der Antrag des Steuerpflichtigen, ihm für 1962 in Höhe von 4 010 DM die Abschreibung nach § 7b EStG im Wege der Nachholung zu gewähren, keinen Erfolg haben. Denn das FA hatte dem Steuerpflichtigen durch den Ansatz von 9 000 DM bereits die Abschreibung nach § 7b EStG in voller Höhe zugebilligt.
Fundstellen
Haufe-Index 422738 |
BStBl II 1972, 342 |
BFHE 1972, 349 |