Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Der Steuervergünstigung des § 14 BHG a. F. (erhöhte Abschreibung) steht nicht entgegen, daß das Wirtschaftsgut vor Ablauf der ersten drei Jahre nach seiner Anschaffung oder Herstellung an einen anderen Unternehmer zur Verwendung in seiner in Berlin (West) gelegenen Betriebsstätte veräußert wird.
Normenkette
BHG § 14 Abs. 1-2
Tatbestand
Streitig ist bei der gesonderten Gewinnfeststellung 1959 und 1960 ob der Bf. die erhöhte Abschreibung auf Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens nach § 14 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung des Fünften Gesetzes zur änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) vom 25. März 1959 - Berlinhilfegesetz (BHG) - (BStBl 1959 I S. 195) in Anspruch nehmen kann, auch wenn die im Begünstigungszeitraum angeschafften Wirtschaftsgüter nicht in einer eigenen Berliner Betriebstätte belassen werden.
Der Bf. war Inhaber einer handelsgerichtlich eingetragenen Firma in Berlin (West). Diesen Betrieb veräußerte der Bf. im Jahr 1960.
Das Finanzamt erkannte dem Ergebnis einer Betriebsprüfung folgend die Sonderabsetzung für Abnutzung nach § 14 BHG auf in den Jahre 1959 und 1960 angeschaffte abnutzbare Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens nicht an. Das Finanzamt ging davon aus, daß die vom Bf. in Höhe von 75 % der Anschaffungskosten im Anschaffungsjahr in Anspruch genommene Bewertungsfreiheit deshalb nicht anzuerkennen sei, weil die Wirtschaftsgüter nach ihrer Anschaffung nicht mindestens drei Jahre in der eigenen in Berlin (West) belegenen Betriebsstätte des Bf. verblieben seien.
Die Sprungberufung des Bf. blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht begründete sein Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Ziff. 2 BHG könne nur dahin verstanden werden, daß der in ihr verwandte Begriff "einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte" sich allein auf eine dem Bf. gehörende in § 14 Abs. 1 näher bezeichnete Betriebsstätte erstrecke. Dies ergebe sich bereits durch die erste Voraussetzung für die Anwendung des § 14 Abs. 1 BHG, nach der die Wirtschaftsgüter "zum Anlagevermögen einer in Berlin (West) belegenen Betriebsstätte gehören" müßten (ß 14 Abs. 2 Ziff. 1 BHG). Hierbei könne es sich nur um die Betriebsstätte desjenigen Steuerpflichtigen handeln, der gemäß § 14 Abs. 1 BHG den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung zu ermitteln habe. Die Ausdehnung auf "eine" in Berlin (West) belegene Betriebsstätte eines anderen Steuerpflichtigen wäre dem Gesetzesaufbau nach nicht verständlich. Dies entspreche allein auch dem Sinn und Zweck des § 14 BHG, nach dem nicht nur die Investitionstätigkeit in Berlin (West) gefördert, sondern auch gewissen Abwanderungsbestrebungen entgegengewirkt werden sollte.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Bf. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 14 Abs. 1 BHG können Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, bei denen die im Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, und die nach dem 31. Dezember 1958 und vor dem 1. Januar 1962 angeschafft oder hergestellt worden sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und den beiden folgenden Wirtschaftsjahren an Stelle der nach § 7 EStG zu bemessenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) erhöhte Absetzungen bis zur Höhe von 75 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen.
Nach § 14 Abs. 2 BHG ist Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 1, daß die Wirtschaftsgüter
zum Anlagevermögen einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte gehören und,
2, soweit sie zum beweglichen Anlagevermögen gehören, mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte verbleiben.
§ 14 Abs. 2 BHG bestimmt zwar dem Wortlaut nach die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten AfA, enthält aber nur in Ziff. 1 und Ziff. 2 zweiter Halbsatz den Ausgangstatbestand, an dem die Gewährung der Steuervergünstigung geknüpft ist. § 14 Abs. 2 Ziff. 2 erster Halbsatz BHG bezeichnet dagegen einen zusätzlichen Dauertatbestand, dessen vorzeitige Beendigung rückwirkend zum Erlöschen des zunächst einmal begründeten und unter Umständen gewährten Abschreibungsvorteils führt. Er enthält also eine Art auflösender Bedingung für das Recht, die erhöhten Absetzungen in Anspruch zu nehmen. Bei dieser Rechtsgestaltung, die einen Steuervorteil gewissermaßen unter einer auflösenden Bedingung gewährt, wird sich die Gesetzesauslegung, worauf der Bf. zutreffend hinweist, weitgehend am Gesetzeswortlaut zu orientieren haben. Aus diesem Wortlaut des § 14 BHG ergibt sich, daß die Steuervergünstigung, sofern die Voraussetzungen des Abs. 2 Ziff. 1 gegeben sind, auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn das Wirtschaftsgut bereits vor Ablauf der ersten drei Jahre nach seiner Anschaffung oder Herstellung in eine in Berlin (West) belegene Betriebstätte eines anderen Unternehmens übergeht. Abs. 1 des § 14 BHG bezieht die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht auf die Person des Steuerpflichtigen sondern auf die abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Auf die Person des Steuerpflichtigen, der die Vergünstigung in Anspruch nehmen will, wird nur insoweit abgestellt, als dieser seinen Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln muß. Abs. 2 spricht nicht von der Betriebstätte des Unternehmens, das die Anschaffung oder Herstellung vorgenommen hat, sondern von einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte schlechthin.
Diese sich aus dem Wortlaut ergebene Auslegung steht nicht im Widerspruch mit dem Zweck des Gesetzes. Der Gesetzgeber will mit der Einräumung erhöhter Absetzungen Investitionen in Berlin (West) begünstigen und die Berliner Wirtschaftskraft mit einer mehr oder minder großen Dauerwirkung stärken. Deshalb sieht er für Gebäude vor, daß sie in Berlin (West) errichtet werden, und verlangt für bewegliche Wirtschaftsgüter ihre dreijährige Zugehörigkeit zu einer Betriebstätte in Berlin (Wst). Diese Stärkung der Westberliner Wirtschaftskraft ist bei beweglichen Wirtschaftsgütern unabhängig davon, ob sie den Eigentümer wechseln.
Es kann auch nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber, um gewissen Abwanderungsbestrebungen entgegenzuwirken, nur solche Steuerpflichtige begünstigen wollte, die sich im Vertrauen auf die Stabilität der Westberliner Wirtschaft zu Investitionen für längere Dauer in ihren eigenen Betrieben entschließen. Denn in § 14 BHG wird nicht gefordert, daß der Steuerpflichtige, der von der erhöhten AfA Gebrauch machen will, seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt (bei natürlichen Personen) oder seinen Sitz und seine Geschäftsleitung (bei juristischen Personen) in Berlin (West) hat. Die Vergünstigung kann jeder Unternehmer mit Sitz im Bundesgebiet oder im Ausland in Anspruch nehmen, soweit er eine Betriebstätte in Berlin (West) unterhält. Um die zu begünstigenden Investitionen der Westberliner Wirtschaft zu erhalten und einem Mißbrauch der Steuervergünstigung vorzubeugen, war lediglich notwendig, gesetzlich zu sichern, daß diese Investitionen auch tatsächlich der Westberliner Wirtschaft zugute kommen. Dieser gesetzgeberische Zweck wird nur dann nicht erreicht, wenn ein abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach seiner Anschaffung oder Herstellung aus dem Bereich von Berlin (West) entfernt oder nicht mehr betrieblich genutzt wird.
Die die Vorentscheidung mit diesen Grundsätzen nicht im Einklang steht, ist sie aufzuheben. Dem Bf. sind die von ihm begehrten Sonderabschreibungen zu gewähren. Zur Berechnung des gesondert festzustellenden Gewinns wird die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411554 |
BStBl III 1965, 362 |
BFHE 1965, 322 |
BFHE 82, 322 |