Leitsatz (amtlich)
Der Abzug von Verpflichtungen aus rechtsverbindlichen Pensionszusagen an Arbeitnehmer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vom Gesamtvermögen des Inhabers dieses Betriebs nach § 74 Abs. 1 Nr. 2 BewG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des ÄndG-BewG 1963 vom 10. August 1963 (BGBl I 1963, 676; BStBl I 1963, 608) ist dann ausgeschlossen, wenn Pensionsanwartschaften bei der Einheitswertfeststellung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in die Berechnung des nachhaltigen Ertrags einbezogen sind oder für sie ein Abschlag nach § 45 Abs. 5 BewG in der Fassung vor dem BewG 1965 gemacht worden ist. An der Auffassung in den RFH-Urteilen III A 45/33 vom 9. März 1933 (RStBl 1933, 403), III 253/39 vom 6. März 1941 (RStBl 1941, 395) und III 75/40 vom 11. Juni 1941 (RStBl 1941, 757) und in dem BFH-Urteil III 176/59 U vom 19. Oktober 1962 (BFH 76, 89, BStBl III 1963, 34), daß Ruhegehaltsverpflichtungen landund forstwirtschaftlicher Betriebe in der Regel durch den Einheitswert abgegolten sind, wird auch für Pensionsanwartschaften nicht festgehalten.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 29 Abs. 2 Nr. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 29 Abs. 2 Nr. 31; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 29 Abs. 2 Nr. 45; BewG i.d.F. vor ÄndG-BewG 1963, § 74 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Sache befindet sich im II. Rechtsgang.
Im I. Rechtsgang war der Abzug des Kapitalwerts von laufenden Pensionszahlungen an frühere Beamte der forstwirtschaftlichen Betriebe des Klägers bei der Ermittlung des Gesamtvermögens zum 1. Januar 1955 streitig. Der Senat hatte durch Urteil III 81/63 vom 15. März 1968 (BFH 93, 310, BStBl II 1968, 766) den Abzug dieser Lasten dem Grunde nach anerkannt, das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, damit dieses noch Feststellungen über die Höhe des Kapitalwerts der Pensionszahlungen treffe.
Im II. Rechtsgang beantragte der Kläger, Pensionslasten mit insgesamt 154 040 DM als Schulden abzuziehen, und zwar für laufende Pensionen 117 404 DM und für Pensionsanwartschaften 36 636 DM. Das FG gab im II. Rechtsgang der Klage teilweise statt. Es ließ die laufenden Pensionen mit 131 573 DM und die Anwartschaften mit 25 v. H. des Ausgangswerts von 69 242 DM, also mit 17 311 DM zum Abzug zu. Die Erhöhung des Abzugs der laufenden Pensionen beruhte darauf, daß der Kläger in zwei Fällen versehentlich zu niedrige Vervielfältiger angewandt hatte.
Das FA beantragt mit der Revision, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage hinsichtlich des Abzugs der Verpflichtung aus Pensionsanwartschaften abzuweisen.
Es wird Verletzung des bestehenden Rechts gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Das im I. Rechtsgang ergangene BFH-Urteil lasse die Frage offen, ob der Abzug von Pensionsanwartschaften auf dem land- und forstwirtschaftlichen Bereich trotz des entgegenstehenden Wortlauts des § 74 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes in der am hier maßgebenden Stichtag vom 1. Januar 1955 (im folgenden: BewG) geltenden Fassung zulässig sei. Die Verwaltung lasse den Abzug derartiger Verpflichtungen erst auf Stichtage ab dem 1. Januar 1963 zu. Für frühere Veranlagungszeitpunkte habe noch keine gesetzliche Regelung über den Abzug von außerhalb des Betriebsvermögens bestehenden Verpflichtungen aus Pensionsanwartschaften bestanden. Das FG berufe sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BFH. Auch die analoge Anwendung des § 62 Abs. 2 BewG auf Ruhegehaltszusagen des Eigentümers eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sei nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe dementsprechend in dem ab 1. Januar 1962 geltenden § 62a BewG nur den Abzug von Pensionsanwartschaften im Rahmen des Betriebsvermögens geregelt.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er hält die Vorentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Das FA kann mit seinen Einwendungen, die sich gegen die Zulassung des Abzugs der Pensionsanwartschaften auf den 1. Januar 1955 schon dem Grunde nach richten, nicht durchdringen. Es ist, wie der Senat bereits in dem Urteil des I. Rechtsgangs ausgeführt hat, davon auszugehen, daß nach § 74 Abs. 1 Nr. 2 BewG zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens vom Rohvermögen u. a. abzuziehen war der Wert von Leistungen der in § 67 Nr. 4 BewG bezeichneten Art, wie sie dem Steuerpflichtigen obliegen. Es handelt sich bei den in § 67 Nr. 4 BewG bezeichneten "Leistungen" um den Kapitalwert von Nießbrauchsrechten und Rechten auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen. Der Senat hat im Urteil des I. Rechtsgangs entschieden, daß zu diesen "Leistungen" grundsätzlich auch laufende Pensionszahlungen gehören. Es gehören darüber hinaus aber auch die zu erwartenden Leistungen aus rechtsverbindlichen Pensionszusagen dazu, wenn sich ihr Abzug nicht aus anderen Gründen verbietet.
Ein Verbot des Abzugs des Kapitalwerts von Pensionsanwartschaften könnte sich aus § 74 Abs. 1 Nr. 2 BewG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 10. August 1963 (BGBl I 1963, 676, BStBl I 1963, 608) ergeben. Diese Vorschrift enthält die Einschränkung, daß der Abzug des Kapitalwerts von laufenden Pensionszahlungen dann ausgeschlossen ist, wenn die Verpflichtung zur Zahlung der Pensionen bereits bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, des Grundvermögens oder des landund forstwirtschaftlichen Vermögens berücksichtigt worden ist. Der Senat hat im Urteil des I. Rechtsgangs entschieden, daß diese Einschränkung auch schon auf Stichtage vor dem Inkrafttreten der Neufassung, also auf Stichtage vor dem 1. Januar 1963, zu beachten ist, weil sie sich bereits daraus ergibt, daß nach § 73 Abs. 3 BewG die Wirtschaftsgüter, für die ein Einheitswert festzustellen ist, mit den festgestellten Einheitswerten anzusetzen sind. Denn daraus folge, daß ein (positives oder negatives) Wirtschaftsgut, das bei der Einheitswertfeststellung bereits berücksichtigt sei, nicht mehr bei der Ermittlung des Gesamtvermögens berücksichtigt werden könne. Dieselben Erwägungen gelten auch für den Abzug des Kapitalwerts von Pensionsanwartschaften. Auch sie könnten bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie bei der Einheitswertfeststellung bereits abgezogen worden wären. Das ist jedoch bei den Pensionsanwartschaften, die im Zusammenhang mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb stehen, ebensowenig der Fall wie bei den Verpflichtungen zu laufenden Pensionsleistungen. Die Ausführungen in Abschnitt IV des Urteils des I. Rechtsgangs gelten für beide Verpflichtungen in gleicher Weise. Das wird von der Verwaltung auch anerkannt.
Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des FA, daß die Rechtsprechung des Senats, durch die er beim Betriebsvermögen den Abzug der Pensionsanwartschaften zugelassen hat, nicht auf die Pensionsanwartschaften im Bereich der Land- und Forstwirtschaft angewandt werden könne. Der Senat hat beim Betriebsvermögen zunächst den Abzug von Pensionsanwartschaften nach dem Gesetz der großen Zahl dann zugelassen, wenn mindestens 100 rechtsverbindliche Zusagen bestanden (vgl. BFH-Urteil III 161/54 S vom 26. Juli 1957, BFH 65, 206, BStBl III 1957, 314). Er hat sodann nicht mehr an dem Gesetz der großen Zahl festgehalten, sondern auch einzelne Pensionsanwartschaften zum Abzug zugelassen (vgl. BFH-Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961, BFH 74, 42, BStBl III 1962, 19). Diese Urteile müssen entgegen der Auffassung des FA auch auf Pensionsanwartschaften angewandt werden, die im Zusammenhang mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Erwägungen, die den Senat zur Zulassung des Abzugs beim Betriebsvermögen bewogen haben, auch für den Abzug solcher Lasten gelten. Entscheidend ist allein, daß der Abzug der Pensionsanwartschaften beim Betriebsvermögen überhaupt zugelassen wurde. Es würde nach Auffassung des Senats gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn man im Gegensatz dazu Pensionsanwartschaften, die mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zusammenhängen, nicht abziehen lassen würde.
Gegen die Höhe der vom FG berechneten Kapitalwerte hat das FA keine Einwendungen erhoben. Sie ist auch nicht zu beanstanden, so daß sich die Revision in vollem Umfang als unbegründet erweist.
Fundstellen
Haufe-Index 413160 |
BStBl II 1972, 450 |
BFHE 1972, 55 |