Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung. Widerstreitende Steuerfestsetzung. Änderung von Steuerbescheiden. Ablaufhemmung der Verjährungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Die „Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten” in Art. 97 § 9 EGAO 1977 bezieht sich nur auf das Handeln der Finanzbehörden. Die Vorschriften der AO 1977 (hier: § 174 Abs. 4 AO 1977) können nicht angewandt werden soweit das FG erst nach dem 31.12.1976 über die Rechtmäßigkeit eines vom FA vor diesem Zeitpunkt erlassenen Aufhebungs- bzw. Änderungsbescheids befindet.
2. Der Gesetzgeber hat in § 174 Abs. 4 AO 1977 einen Rechtsgrundsatz kodifiziert, der schon in § 146 a Abs. 2 AO n.F. einen Niederschlag gefunden hatte und der nach der Rechtsprechung des BFH nach den Grundsätzen von Treu und Glauben schon nach altem Recht dazu führte, daß ein Änderungsbescheid, wie er jetzt in § 174 Abs. 4 AO 1977 normiert ist, über § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO in bestimmten Fällen möglich war.
3. Wird die Zustimmung zur Änderung eines Steuerbescheides nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO verweigert, kann dies gegen Treu und Glauben verstoßen mit der Folge, daß die Zustimmung nach Treu und Glauben als erteilt gilt, vorausgesetzt der Steueranspruch ist noch nicht verjährt ist.
4. Wem und welchem Veranlagungszeitraum ist der „Gewinn” zuzurechnen der durch den Tod eines Gesellschafters und die daraus resultierenden Abfindungsansprüche entsteht?
5. Der Erlaß von Feststellungsbescheiden (Gewinnfeststellungs-, Einheitswertbescheiden etc.) ist nur so lange zulässig, als noch nicht alle von ihnen abhängigen Steueransprüche verjährt sind. Dabei betrifft die Ablaufhemmung des § 146 a AO n.F. die Verjährung eines bestimmten Sachverhalts ohne Rücksicht auf die Steuerart und den Veranlagungszeitraum, zu dem er gehört, hier einen Veräußerungsgewinn, nicht aber den laufenden Gewinn (Ausführungen zur Teilverjährung).
6. Wird durch eine Abgabenfestsetzung in einem Steuerbescheid der Erblasser in Anspruch genommen, so wird durch die Anfechtung dieses Bescheides der Ablauf der gegen die Gesamtrechtsnachfolger laufenden Verjährungsfrist nicht gehemmt.
7. Wird vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Gewinnfeststellungsbescheid angefochten, so tritt die Ablaufhemmung nur gegenüber den Personen ein, gegen die sich der Anspruch in dem angefochtenen Feststellungsbescheid richtet, nicht gegenüber ihren Gesamtrechtsnachfolgern.
8. Ein Verstobener kann für Steueransprüche, die mit seinem Tod entstanden sind, nicht mehr Steuerschuldner werden. Alle in seiner Person entstandenen Steueransprüche gehen mit seinem Tod auf den Gesamtrechtsnachfolger über, der allein Steuerschuldner wird.
9. Die durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs eingetretene Ablaufhemmung nach § 146 a AO wird nicht dadurch rückwirkend beseitigt, daß die Abgabenfestsetzung aufgrund des Rechtsbehelfs durch gerichtliche Entscheidung oder durch Entschließung der Behörde selbst aufgehoben wird. So ist die Erklärung der Erledigung der Hauptsache und die Aufhebung des Bescheides für die nach § 146 a Abs. 2 AO eingetretene Ablaufhemmung ohne Einfluß.
10. Die falsche Bezeichnung als Berichtigungsbescheid nach § 222 AO ist unschädlich. Im Streitfall handelte es sich um einen Änderungsbescheid nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO, durch den eine fehlende Feststellung im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid, die einen bisher im Bescheid noch nicht erfaßten und noch nicht verjährten Teilanspruch betrifft, im Wege der Ergänzung des Bescheides nachgeholt wurde.
Normenkette
AO 1977 § 174 Abs. 4; AO § 146a Abs. 2, § 94 Abs. 1 Nr. 2; EGAO 1977 Art. 97 § 9
Tatbestand
Für den Veranlagungszeitraum 1959 ist streitig, ob in Abänderung des ursprünglichen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids 1959 der B OHG vom 26. November 1965 dem verstorbenen Gesellschafter B jun. durch Bescheid vom 22. Oktober 1974 noch ein durch sein Ausscheiden aus der OHG entstandener Veräußerungsgewinn nachträglich zugerechnet werden konnte.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und die Beigeladene sind Miterben zu je 1/2 des am 13. Dezember 1959 tödlich verunglückten B jun. Die Klägerin ist die Witwe und die Beigeladene die Mutter des Verstorbenen. Im Zeitpunkt seines Todes war B jun. zusammen mit B sen. Gesellschafter der B OHG. B jun. war nach dem Tode seines Vaters am 27. März 1959 als dessen Rechtsnachfolger in die Gesellschaft eingetreten. Der Gesellschaftsvertrag enthielt keine Bestimmungen, daß im Falle des Todes des B jun. die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt werden sollte. § 15 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages lautete:
„Soweit dieser Vertrag keine besonderen Bestimmungen über die Nachfolge eines verstorbenen Gesellschafters enthält, verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung gemäß den §§ 131, 145 ff. HGB.” Das Unternehmen der OHG wurde nach dem Tode von B jun. als Einzelfirma von B sen. fortgeführt. Die Klägerin schloß am 11. Januar 1960 mit B sen. einen Vertrag, nach dem sie als Miterbin des B jun. zur Hälfte in dessen Rechte und Pflichten als Gesellschafter eintrat und mit Wirkung vom 31. Dezember 1959 aus der Gesellschaft wieder ausschied. B sen. verpflichtete sich, der Klägerin die Hälfte der auf den Konten des B jun. am 1. Januar 1959 ausgewiesenen Beträge, die Hälfte des diesem für 1959 zustehenden Gewinnanteils und ab 1. Januar 1960 zu Lasten der Gewinn- und Verlustrechnung für die Dauer von zehn Jahren einen Betrag von … DM jährlich zu zahlen. Aufgrund weiterer Vereinbarungen im Jahre 1962 erhielt die Klägerin von B sen. zusätzlich … DM. Ebenso schied die Beigeladene aufgrund einer Vereinbarung vom 12. Januar 1960 aus der Gesellschaft aus. Zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche erhielt sie die Hälfte der auf den Konten des verstorbenen Gesellschafters B jun. am 1. Januar 1959 stehenden Beträge sowie die auf den Darlehenskonten der Beigeladenen am 1. Januar 1959 stehenden Beträge und die Hälfte des dem verstorbenen Gesellschafter B jun. für 1959 zustehenden Gewinnanteils sowie den der Beigeladenen als partiarischer Darlehensgeberin für 1959 zustehenden Gewinnanteil jeweils abzüglich der im Jahre 1959 getätigten Entnahmen. Außerdem verpflichtete sich B sen., der Beigeladenen bis an ihr Lebensende jährlich 10 v.H. des in der Steuerbilanz für das betreffende Geschäftsjahr ausgewiesenen Reingewinns auszuzahlen. Durch den gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) für vorläufig erklärten einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 10. Mai 1961 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA–) den Gewinn der OHG für 1959 sowie die Gewinnanteile der Gesellschafter fest. Das FA ging dabei davon aus, daß die Klägerin und die Beigeladene Gesellschafter der OHG geworden seien. Die Vereinbarungen vom 11. Januar 1960 und vom 12. Januar 1960 waren dem FA zu diesem Zeitpunkt bekannt.
Aufgrund einer in den Jahren 1964, 1965 durchgeführten Betriebsprüfung berichtigte das FA die vorläufige Gewinnfeststellung 1959 durch Bescheid vom 26. November 1965 und erklärte diesen Bescheid für endgültig. Die Gewinnanteile der Klägerin (… DM) und der Beigeladenen (… DM) wurden von der Berichtigung nicht berührt.
Veranlaßt durch die Betriebsprüfung stellte das FA ferner durch den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid 1960 vom 18. April 1966 für die Klägerin einen Veräußerungsgewinn in Höhe von … DM fest, da sie zum 1. Januar 1960 aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Der Betrag von … DM ergab sich aus dem Barwert der im Vertrag vom 11. Januar 1960 für die Dauer von zehn Jahren vereinbarten Zahlung von … DM jährlich zuzüglich der im Jahre 1962 vereinbarten Zahlung von weiteren … DM. Bei der Beigeladenen ging das FA davon aus, daß durch ihr Ausscheiden aus der Gesellschaft nach der Vereinbarung vom 12. Januar 1960 kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstanden sei, weil keine stillen Reserven aufgedeckt worden seien.
Mit dem Einspruch gegen den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1960 vom 18. April 1966 machte die Klägerin zunächst die Verjährung des Anspruches geltend. Diesen Einwand ließ sie im Schriftsatz vom 25. August 1966 „fallen”. Sie begründete den Einspruch nunmehr ohne Erfolg damit, daß sie schon 1959 aus der OHG ausgeschieden sei. Dazu hat ihr damaliger Bevollmächtigter ausgeführt: „Nach § 131 Ziff. 4 HGB wird die OHG durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst, sofern sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag etwas anderes ergibt. Das wäre aber bereits mit dem Tod des Gesellschafters B jun. am 13.12.1959 der Fall, weil keine männlichen Erben mehr vorhanden waren. Soll aber der Fortbestand des Unternehmens auch beim Tode eines Gesellschafters gesichert sein, so muß dieses im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden (§ 138 HGB). Das ist hier nicht der Fall. … Aufgrund vorstehender Ausführungen kommt man immer nur zu der einen Schlußfolgerung, daß meine Mandantin tatsächlich mit Wirkung vom 31.12.1959 aus der Firma B. im Wege der Erbauseinandersetzung ausgeschieden ist und seitdem keine Einkünfte mehr aus dem laufenden Ergebnis der Firma B. bezogen hat und demnach der Feststellungsbescheid 1960 gegen meine Mandantin unzulässig ist.” Mit der Klage wiederholte die Klägerin diese Einwände. Sie hob hervor, ein Gesellschaftsverhältnis habe zwischen ihr und den Beigeladenen B sen. und Frau B für die Zeit vom 14. Dezember bis 31. Dezember 1959 nur pro forma bestanden. In der Vereinbarung vom 11. Januar 1960 sei kein neuer Gesellschaftsvertrag zu sehen, sondern eine Erbauseinandersetzung, für die familiäre Gründe der Versorgung ausschlaggebend gewesen seien.
Das Finanzgericht (FG) setzte den Veräußerungsgewinn der Klägerin im Jahre 1960 auf … DM herab, da es der Meinung war, daß die im Jahre 1962 gezahlten weiteren … DM bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns nicht berücksichtigt werden dürften. Im übrigen wies das FG die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision machte die Klägerin geltend, das FG habe zu Unrecht einen Veräußerungsgewinn im Jahre 1960 festgestellt. Die Vereinbarung vom 11. Januar 1960 beinhalte nichts anderes als die Festlegung der Modalitäten der mit dem Tode des B jun. beendeten Gesellschaft sowie die nach der Feststellung des Auseinandersetzungsguthabens per 13. Dezember 1959 vorgenommene schriftliche Niederlegung der Höhe und der Zahlungsweise des Auseinandersetzungsbetrages. Durch die Vereinbarung vom 11. Januar 1960 sei sie niemals Gesellschafterin der OHG geworden. Rechtlich seien die ihr durch die Firma B. gezahlten Abfindungsbeträge dem Erblasser zuzurechnen. Sie selbst habe nur einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben erworben. Der Gesellschaftsanteil des B jun. sei am 13. Dezember 1959 dem B sen. zugewachsen. Eine Liquidation der Gesellschaft habe nie stattgefunden. Der Anteil des B jun. sei ohne Liquidation von B sen. übernommen worden. Die Revision hatte Erfolg. Der erkennende Senat hob durch Urteil vom 18. November 1971 IV R 93/71 das Urteil des FG, den Gewinnfeststellungsbescheid 1960, der nur den Veräußerungsgewinn der Klägerin enthielt, und die zugehörige Einspruchsentscheidung mit der Begründung auf, daß ein Veräußerungsgewinn nur dem verstorbenen B jun. zugerechnet werden könne, da die Gesellschaft wegen Fehlens anderweitiger Vereinbarungen mit dessen Tod beendet worden sei. Daraus ergab sich für das FA, daß der streitgegenständliche Veräußerungsgewinn im Jahre 1959 anzusetzen sei. Mit Verfügung vom 23. Mai 1972 teilte das FA der Klägerin mit, daß es aufgrund der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 26. November 1965 entsprechend ändern wolle. Trotz dagegen erhobener Bedenken der Klägerin änderte das FA unter Berufung auf § 94 AO durch Bescheid vom 31. Mai 1972 den endgültigen Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 26. November 1965, indem es den Veräußerungsgewinn von … DM dem verstorbenen B jun. bzw. dessen Erben zurechnete. Hinsichtlich des laufenden Gewinns ergaben sich keine Änderungen. Gegen den geänderten Bescheid erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der sie die Verjährung des Anspruches geltend machte.
Aufgrund eines schriftlichen Hinweises des damaligen Berichterstatters des FG vom 6. Juni 1974, in dem er u.a. rechtliche Bedenken dagegen erhob, daß sich der Bescheid auch gegen den verstorbenen B jun. richte und außerdem an die Klägerin zugestellt worden sei, obwohl sie im Bescheid nicht als Adressat aufgeführt sei, daß für die Zeit vom 27. März 1959 bis 13. Dezember 1959 kein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet worden sei, und für die Änderung nach § 94 AO die Zustimmung der betroffenen Steuerpflichtigen fehle, falls sie nicht nach Treu und Glauben entbehrlich sei, erklärte sich das FA mit Schriftsatz vom 28. Juni 1974 bereit, den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 31. Mai 1972 aufzuheben. Daraufhin wurde der Rechtsstreit von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Durch Bescheid vom 22. Oktober 1974 stellte das FA den Gewinn der OHG für 1959 auf insgesamt … DM fest. In dem Betrag war ein Veräußerungsgewinn von … DM enthalten, der dem verstorbenen B jun. zugerechnet war. Außerdem wurden für die beteiligten Gesellschafter die laufenden Gewinnanteile festgestellt. Diese einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung bezog sich auf den Zeitraum vom 27. März bis 13. Dezember 1959. Der Bescheid war als Berichtigungsbescheid nach § 222 AO bezeichnet und war an die Klägerin, die Beigeladene und Frau B als Erbin nach B sen. gerichtet. Er enthielt folgende beigefügte Erläuterung:
„Dieser Bescheid ersetzt hinsichtlich des auf den verstorbenen B jun. entfallenden Veräußerungsgewinns den Bescheid vom 26. November 1965. Die anteiligen laufenden Gewinne sind wegen der bereits eingetretenen Verjährung der Steueransprüche nur nachrichtlich eingesetzt.”
Mit Schreiben vom 21. Oktober 1974 teilte das FA ferner der Klägerin und der Beigeladenen unter Bezugnahme auf den Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 31. Mai 1972 mit, daß es diesen Bescheid aufhebe.
Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin gegen den nach § 222 AO berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 22. Oktober 1974 Klage erhoben. Die Beigeladene hat zwar ebenfalls Klage erhoben, nahm diese aber nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin vom 15. Juli 1977 und nach Abtrennung des Verfahrens zurück. Durch Beschluß des FG vom 25. Januar 1978 wurde die Beigeladene gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu dem Verfahren notwendig beigeladen.
Die Klägerin vertrat mit ihrer Klage die Auffassung, der angefochtene Bescheid müsse aufgehoben werden, weil der Gewinnfeststellungsbescheid für 1959 vom 26. November 1965 nicht mehr habe berichtigt werden können. Für eine Berichtigung habe es an neuen Tatsachen gefehlt. Außerdem sei der Einkommensteueranspruch, der gegen die Klägerin als Erbin des B jun. geltend gemacht werde, verjährt.
Das FG hielt die Klage für begründet und hob deshalb den angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1959 vom 22. Oktober 1974 und die zugehörige Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 1975 auf. Das FG vertrat die Meinung, der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid hätte nicht mehr ergehen dürfen. Es lägen weder die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO noch für eine Änderung nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO vor. Auch sonst gebe es für den Erlaß des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids keine Rechtsgrundlage. Unter diesen Umständen brauche die Frage der Verjährung des Einkommensteueranspruchs für 1959 gegen B jun. bzw. seine Erben nicht geprüft zu werden.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. unrichtiger Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben, sowie des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es vertritt die Auffassung, daß der geänderte Bescheid auf § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO habe gestützt werden können. Denn nach Treu und Glauben sei die Klägerin verpflichtet gewesen, der Änderung des Bescheides für 1959 zuzustimmen. Es handle sich im Streitfall um denselben Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 7. Dezember 1962 VI 310/60 U (BFHE 76, 446, BStBl III 1963, 162) zugrunde gelegen habe.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet:
1. Das FG-Urteil muß wegen Rechtsirrtums aufgehoben werden. Das FG hat verkannt, daß der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid für 1959, der nur erlassen wurde, um den streitgegenständlichen Veräußerungsgewinn entsprechend der Entscheidung des Senats vom 18. November 1971 IV R 93/71 im Veranlagungszeitraum 1959 zu erfassen, nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 146 a Abs. 1 und 2 AO n.F. und den Grundsätzen von Treu und Glauben rechtmäßig war, wenn der den streitgegenständlichen Veräußerungsgewinn betreffende Einkommensteueranspruch gegen die Klägerin noch nicht verjährt war.
a) Die Abgabenordnung (AO 1977) enthält in § 174 eine neue zusätzliche Regelung über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden bei widerstreitenden Steuerfestsetzungen, durch die eine vorhandene Lücke im kodifizierten Abgabenrecht ausgefüllt werden sollte. Unter den verschiedenen Tatbeständen des § 174 AO 1977 käme für den Streitfall der Tatbestand des Abs. 4 in Betracht. Ist danach aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlaß oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Das FA hätte demnach unter der Geltung des § 174 Abs. 4 AO 1977 aus dem Sachverhalt betreffend den Veräußerungsgewinn nachträglich durch Erlaß eines ergänzenden Änderungsbescheides, durch den die bestandskräftige einheitliche Gewinnfeststellung für 1959 geändert wurde, die nach Auffassung des Senats richtigen steuerlichen Folgerungen ziehen und den streitgegenständlichen Veräußerungsgewinn im Veranlagungszeitraum 1959 erfassen können, wenn der strittige Steueranspruch gegen die Klägerin hinsichtlich des Veräußerungsgewinns nach den Vorschriften der AO 1977 noch nicht verjährt war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 58/80, BFHE 132, 1, BStBl II 1981, 245).
Im Streitfall ist aber der angefochtene Änderungsbescheid des FA vor dem 1. Januar 1977 erlassen worden. Nach dem 31. Dezember 1976 erging erst das Urteil des FG. Gemäß Art. 97 § 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl I, 3341) sind die Vorschriften der AO 1977 über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1976 ein Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert wird. Dies gilt auch dann, wenn der aufzuhebende oder zu ändernde Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1977 erlassen worden ist.
Im Urteil vom 11. März 1981 I R 158/80 (BFHE 133, 5, BStBl II 1981, 552) hat der I. Senat die Auffassung vertreten, die Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten nach der AO 1977 seien nicht anzuwenden, wenn das FG erst nach dem 31. Dezember 1976 über die Rechtmäßigkeit eines vom FA vor diesem Zeitpunkt erlassenen Aufhebungs(Änderungs-)bescheids befinde, weil sich die Worte „Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten” in Art. 97 § 9 EGAO 1977 nur auf das Handeln der Finanzbehörden bezögen.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an; er ist aber der Meinung, daß der Gesetzgeber in § 174 Abs. 4 AO 1977 einen Rechtsgrundsatz kodifiziert hat, der schon in der Vorschrift des § 146 a Abs. 2 AO n.F. einen Niederschlag gefunden hatte und der nach der Rechtsprechung des BFH nach den Grundsätzen von Treu und Glauben schon nach altem Recht dazu führte, daß ein derartiger Änderungsbescheid, wie er jetzt in § 174 Abs. 4 AO 1977 normiert ist, über § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO in bestimmten Fällen, zu denen der Streitfall gehört, möglich war (vgl. Urteile vom 30. Oktober 1975 IV R 15/72, 146/74, BFHE 117, 419, BStBl II 1976, 253; BFHE 76, 446, BStBl III 1963, 162, und vom 7. Juli 1966 V 20/64, BFHE 86, 541, BStBl III 1966, 613).
b) Nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO kann das FA einen Steuerbescheid ändern oder zurücknehmen, falls der Steuerpflichtige zustimmt, oder soweit einem Antrag des Steuerpflichtigen der Sache nach entsprochen wird; ist jedoch der Bescheid bereits unanfechtbar geworden, so darf er nur zum Nachteil des Steuerpflichtigen zurückgenommen oder geändert werden. Danach ist zwar zur Änderung eines bestandskräftigen Bescheids zum Nachteil des Steuerpflichtigen entweder dessen Zustimmung erforderlich oder die Änderung muß der Sache nach einem Antrag des Steuerpflichtigen entsprechen. Eine Zustimmung für die Änderung des angefochtenen Bescheides hat die Klägerin im Streitfall nicht erteilt. Die Änderung entspricht auch keinem Antrag der Klägerin der Sache nach. Nach den besonderen Umständen des Falles stellt jedoch die Verweigerung der Zustimmung einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben dar, mit der Folge, daß die fehlende Zustimmung nach Treu und Glauben als erteilt gilt, vorausgesetzt, daß der Einkommensteueranspruch 1959 betreffend den streitgegenständlichen Veräußerungsgewinn noch nicht verjährt war.
Die Klägerin hat mit ihrem Rechtsbehelf gegen den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1960, der nur ihren Veräußerungsgewinn enthielt, mit dem Einwand Erfolg gehabt, sie sei nicht Gesellschafterin der OHG geworden, folglich könne sie 1960 nicht ausgeschieden sein. Zur Begründung der Klage und der Revision hatte sie im wesentlichen ausgeführt, durch den Tod des B jun. sei die OHG aufgelöst worden; sie sei aber nicht in Liquidation getreten. B sen. habe das Unternehmen als Einzelunternehmen fortgeführt. Der Geschäftsanteil des B jun. sei dem B sen. zugewachsen. Sie, die Klägerin, sei niemals Gesellschafterin der OHG geworden; sie habe nur einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben als Erbin des B jun. erlangt. Diese Auseinandersetzung sei aber nach den Bilanzwerten zum 31. Dezember 1959 erfolgt. Ein Veräußerungsgewinn könne daher nur dem Erblasser B jun. zugerechnet werden. Daraus ergebe sich, daß der Veräußerungsgewinn bis zum 31. Dezember 1959 entstanden sei. Durch das angeführte Urteil IV R 93/71 erkannte der erkennende Senat die Rechtsauffassung der Klägerin als zutreffend an und hob deshalb den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1960 ersatzlos auf. Demnach läuft es der Forderung nach Folgerichtigkeit steuerrechtlichen Verhaltens zuwider und stellt eine Rechtsausübung dar, die in Widerspruch zum eigenen Verhalten und den Grundsätzen von Treu und Glauben steht, wenn die Klägerin einer Änderung des bestandskräftigen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides für 1959 nicht unter der Voraussetzung zustimmt, daß der Einkommensteueranspruch betreffend den streitgegenständlichen Veräußerungsgewinn im Zeitpunkt der Änderung des angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides 1959 noch nicht verjährt war (vgl. BFHE 86, 541, BStBl III 1966, 613). Die Bedenken des FG gegen eine solche rechtliche Beurteilung verkennen vor allem, daß die ursprüngliche Erfassung des Veräußerungsgewinns im Jahre 1960 nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin auf einer falschen Beurteilung eines bestimmten einheitlichen Sachverhalts beruhte, der zum Ansatz dieses Veräußerungsgewinns im Jahre 1959 führen mußte und daß demnach nur die alternative Entscheidung möglich war, den Veräußerungsgewinn im Veranlagungszeitraum 1959 zu erfassen.
Der bestimmte einheitliche Sachverhalt ergibt sich einerseits aus dem Tod des Gesellschafters B jun., der gemäß § 15 des Gesellschaftsvertrages nach den Bestimmungen der §§ 131, 145 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) zur Auflösung der Gesellschaft führte; andererseits aus den Auseinandersetzungsvereinbarungen vom 11. Januar 1960 mit der Klägerin und vom 12. Januar 1960 mit der Beigeladenen mit den darin festgelegten getrennten pauschalen Abfindungen der beiden Miterben, die hinsichtlich der Abfindung der Klägerin einen Veräußerungsgewinn von … DM ergaben. Streit bestand lediglich darüber, ob nach den genannten Vereinbarungen vom Januar 1960 die durch die Auflösung der Gesellschaft erforderliche Auseinandersetzung zwischen B sen. und den beiden Miterben in der Weise erfolgen sollte und erfolgt ist, daß diese für die Zeit vom 14. Dezember bis 31. Dezember 1959 in eine Liquidationsgesellschaft eingetreten sind, aus der sie gegen Zahlung der obigen Abfindungen mit Wirkung vom 1. Januar 1960 ausgeschieden sind, oder ob „eine andere Art der Auseinandersetzung” (§ 145 Abs. 1 HGB) vereinbart wurde, nämlich die unmittelbare Übernahme des Handelsgeschäftes durch B sen. ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven (wie nach § 142 HGB). Das letztere bedeutete rechtlich, daß B jun. mit seinem Tod aus der Gesellschaft ausgeschieden ist (§ 138 HGB), sein Gesellschaftsanteil dem B sen. zugewachsen ist (§ 738 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB–) und den beiden Miterben nur der schuldrechtliche Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen B jun. gegen B sen. zustand, der ihnen den vollen Wert des Anteils des B jun. am Gesellschaftsvermögen ersetzen mußte. Die Regelung für die Zeit vom 14. Dezember 1959 bis 31. Dezember 1959 betraf dann nur die einstweilige Fortführung der Geschäfte i.S. des § 137 HGB. FA und FG haben im BFH-Verfahren IV R 93/71 die erste Auffassung vertreten, die Klägerin und der Senat haben die zweite Auslegung für richtig angesehen.
Im ersteren Falle wäre der Abfindungsanspruch der Klägerin (und ebenso der Beigeladenen) mit dem 1. Januar 1960 entstanden und ein sich daraus ergebender Veräußerungsgewinn deshalb zum 1. Januar 1960 steuerlich zu erfassen gewesen; nach der zweiten Lösung war der Abfindungsanspruch schon 1959 entstanden und steuerlich zu erfassen. Unberührt von der unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung bleibt die Höhe des Abfindungsanspruches der beiden Miterben, da er sich nach den beiden Lösungen ausschließlich aus den Auseinandersetzungsvereinbarungen der Miterben mit B sen. ergab. Ein Unterschied besteht nur insofern, als bei Annahme des unmittelbaren Ausscheidens des B jun. aus der OHG mit seinem Tode der Abfindungsanspruch noch in der Person des verstorbenen Gesellschafters entstanden ist, allerdings der Höhe nach als Summe der von den beiden Miterben getrennt vereinbarten Pauschalabfindungen. Der Anspruch ist dann erst im Erbwege auf die Klägerin und die Beigeladene als Gesamtrechtsnachfolger übergegangen. Hinsichtlich des sich aus der Abfindung ergebenden Veräußerungsgewinns von … DM kann aber – wie bei der ersten Lösung – nur die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin Steuerschuldnerin sein, weil ihr allein der Teil der Abfindung, der den Veräußerungsgewinn ergibt, vereinbarungsgemäß zuerkannt und tatsächlich ausbezahlt wurde.
Eine Steuer, die sich aus einem vom Erblasser durch sein Ausscheiden aus einer OHG erzielten Veräußerungsgewinn ergibt, schulden zwar grundsätzlich seine Erben als Erbengemeinschaft und Gesamtschuldner in gleicherweise (vgl. §§ 8 Abs. 1 und 2, 7 des Steueranpassungsgesetzes – StAnpG –, §§ 44, 45 AO 1977 und § 2058 BGB). Das gilt aber nicht, wenn die Abfindung für die beiden Miterben von vornherein getrennt ermittelt wird und der Teil, der den Veräußerungsgewinn ergibt, nur auf die eine Miterbin entfällt und ihr allein tatsächlich zufließt. Eine solche abweichende Regelung zwischen dem den Betrieb übernehmenden Gesellschafter der OHG und den beiden Erben des ausgeschiedenen Gesellschafters ist nicht nur bürgerlich-rechtlich (vgl. § 2046 Abs. 2 BGB), sondern auch steuerlich zu beachten. Denn kein Miterbe als Steuerpflichtiger braucht nachträglich anfallende Einkünfte des Erblassers zu versteuern, die vereinbarungsgemäß und tatsächlich nicht ihm, sondern anderen Miterben zugeflossen sind (vgl. entsprechende Grundsätze in BFH-Urteilen vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674, und vom 12. Januar 1978 IV R 5/75, BFHE 124, 436, BStBl II 1978, 333). Davon ist auch das FA beim Erlaß des geänderten Gewinnfeststellungsbescheides für 1959 vom 22. Oktober 1974 ausgegangen (s. die Erklärung des Regierungsdirektors A vom beklagten FA in der Verhandlung vor dem FG).
Steuerschuldnerin der auf den Veräußerungsgewinn von … DM entfallenden Einkommensteuer wäre also bei jeder der beiden Beurteilungen die Klägerin allein gewesen. Bei der ersten Lösung wäre sie in 1960 deshalb Steuerschuldnerin, weil sie durch ihr eigenes Ausscheiden aus der angenommenen Liquidationsgesellschaft, in die sie als Erbin des B jun. gelangt war, eine Abfindung erhalten hätte, die den genannten steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn ergab. Bei der zweiten Lösung wurde sie in 1959 deshalb Steuerschuldnerin, weil auf sie als Erbin des B jun. der Teil des Abfindungsanspruches überging, der zu dem Veräußerungsgewinn führte. Der Steueranspruch konnte sich also auch 1959 hinsichtlich des auf ihren Anteil entfallenden Veräußerungsgewinns nur gegen die Klägerin richten. Die unterschiedliche Rechtsgrundlage ihrer Steuerschuldnerschaft bei den beiden Beurteilungen ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Entscheidend ist, daß der Veräußerungsgewinn von … DM sowohl im Jahre 1960 nach der Lösung 1, als auch im Jahre 1959 bei der Lösung 2 nur in einem gegen die Klägerin gerichteten Einkommensteuerbescheid erfaßt und besteuert werden kann, und sich damit gegen denselben Steuerpflichtigen richtet.
Mit dem weiteren Argument gegen die obige rechtliche Beurteilung, die Klägerin habe sich gegen die Erfassung des Veräußerungsgewinns im Jahre 1960 mit dem Einwand gewehrt, daß die Steueransprüche für 1960 verjährt seien, übersieht das FG, daß dieser Einwand von der Klägerin im Einspruchsverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1960 ausdrücklich fallengelassen wurde und statt dessen die Gründe geltend gemacht wurden, die zu seiner Aufhebung geführt haben; der Einwand wurde erst wieder vorgebracht, als es nach dem Erfolg hinsichtlich des Jahres 1960 darum ging, den Veräußerungsgewinn im Jahre 1959 zu erfassen.
2. a) Der Erlaß des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides für 1959 war also nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig, wenn der Steueranspruch hinsichtlich des streitgegenständlichen Veräußerungsgewinns nach den Vorschriften der AO noch nicht verjährt war.
An sich unterliegen der Verjährung nur Steueransprüche, wie sie in den Steuerfestsetzungen der Steuerbescheide ihren Niederschlag finden, nicht hingegen die Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen in einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden, Einheitswertbescheiden etc. Nach der Rechtsprechung sind jedoch solche Feststellungsbescheide nur so lange zulässig, als noch nicht alle von ihnen abhängigen Steueransprüche verjährt sind (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1965 III 291/62 U, BFHE 84, 381, BStBl III 1966, 138). Der Senat prüft daher aufgrund der ihm allein vorliegenden Gewinnfeststellungsbescheide, ob der Steueranspruch hinsichtlich des streitgegenständlichen Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides für 1959 schon verjährt war.
Auf die Verjährung der weiteren Steueransprüche hinsichtlich des laufenden Gewinns der OHG im Veranlagungszeitraum 1959 kommt es nicht an. Diese Möglichkeit der Teilverjährung von Steueransprüchen eines Veranlagungszeitraums hat der Gesetzgeber in der AO durch die Regelung des § 146 a Abs. 2 AO n.F. ausdrücklich anerkannt, wenn er in den Fällen, in denen vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Steuermeßbescheid, ein Feststellungsbescheid etc. angefochten wird, eine Ablaufhemmung der Verjährung nur hinsichtlich der Ansprüche aus dem Sachverhalt anerkennt, der dem Verfahren über den Rechtsbehelf zugrunde liegt und nicht hinsichtlich des gesamten, im Feststellungsbescheid erfaßten Steueranspruches. Wie der Senat im Urteil in BFHE 117, 419, BStBl II 1976, 253 ausgeführt hat, ist die Verjährung des Teilanspruches aus dem Sachverhalt, der dem Rechtsbehelfsverfahren zugrunde liegt, nicht nur insoweit gehemmt, als er in dem angefochtenen Bescheid des betreffenden Veranlagungszeitraumes selbst erfaßt ist, sondern auch insoweit, als nach richtiger Beurteilung seine Erfassung in einem anderen Veranlagungszeitraum gegen denselben Steuerpflichtigen erforderlich ist. Die Ablaufhemmung des § 146 a AO n.F. betrifft die Verjährung eines bestimmten Sachverhaltes ohne Rücksicht auf die Steuerart und den Veranlagungszeitraum, zu dem er gehört. Teilverjährung der in einem Bescheid erfaßten Steueransprüche berührt demnach nicht die Möglichkeit der Änderung dieses Bescheides hinsichtlich der Steueransprüche, die noch nicht verjährt sind.
Die Meinung der Klägerin, die sie vor allem in der mündlichen Verhandlung vortragen ließ, es handle sich bei der Erfassung des Veräußerungsgewinns im Veranlagungszeitraum 1959 nicht um denselben Sachverhalt, der ursprünglich zu seiner Feststellung im Veranlagungszeitraum 1960 geführt hat, weil er nicht denselben Steueranspruch gegen denselben Steuerpflichtigen betreffe, ist aus den unter 1 b) angeführten Gründen unrichtig. Das Urteil des I. Senats vom 22. Mai 1974 I R 259/72 (BFHE 113, 145, BStBl II 1974, 722), auf das sich die Klägerin zur Rechtfertigung ihrer Meinung beruft, und ebenso das Urteil vom 8. März 1979 IV R 75/76 (BFHE 127, 497, BStBl II 1979, 501) betreffen einen anderen Sachverhalt. Im Falle des I. Senats wurde entschieden, daß durch die erfolgreiche Anfechtung eines gegen eine nicht mehr bestehende GmbH gerichteten Körperschaftsteuerbescheides die gegen die Gesamtrechtsnachfolgerin gerichtete Verjährungsfrist nicht gehemmt wird. Im zweiten Falle vertrat der erkennende Senat die Auffassung, daß durch die Anfechtung eines an eine verstorbene Person gerichteten Einkommensteuerbescheides der Ablauf der gegen die Gesamtrechtsnachfolger selbst laufenden Verjährungsfrist nicht nach § 146 a Abs. 1 AO gehemmt wird. Begründet wurde diese Auffassung in beiden Fällen damit, daß die Ablaufhemmung nach § 146 a AO nur gegen diejenigen Personen wirkt, die durch die Abgabenfestsetzung in Anspruch genommen wurden (so auch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 5. Aufl., § 146 a AO Anm. 2 a.E.). Wurde also durch eine Abgabenfestsetzung in einem Steuerbescheid der Erblasser in Anspruch genommen, so wird durch die Anfechtung dieses Bescheides der Ablauf der gegen die Gesamtrechtsnachfolger laufenden Verjährungsfrist nicht gehemmt.
Auf die Ablaufhemmung durch einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid gemäß § 146 a Abs. 2 AO übertragen kann dieser Grundsatz nur folgendes bedeuten: Wird vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Gewinnfeststellungsbescheid angefochten, so verjähren die Steueransprüche aus dem bestimmten streitigen Sachverhalt gegen die Person oder gegen die Personen, gegen die sich die Steueransprüche richten, nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem der angefochtene Bescheid unanfechtbar geworden ist, d.h., die Ablaufhemmung tritt nur gegenüber den Personen ein, gegen die sich der Anspruch in dem angefochtenen Feststellungsbescheid richtet, nicht gegenüber ihren Gesamtrechtsnachfolgern. Im Gegensatz zu den angeführten Urteilsfällen, bei denen es um eigentliche Steuerbescheide ging, richtete sich im Streitfall der sich aus dem festgestellten Veräußerungsgewinn ergebende Steueranspruch sowohl im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1960 als auch im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 22. Oktober 1974 gegen dieselbe Person, nämlich gegen die Klägerin. Wenn die Klägerin offenbar meint, der sich aus dem festgestellten Veräußerungsgewinn ergebende Steueranspruch im geänderten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 22. Oktober 1974 richte sich gegen den verstorbenen B jun., so verkennt sie, daß ein Verstorbener für Steueransprüche, die mit seinem Tod entstanden sind, nicht mehr Steuerschuldner werden kann. Alle in seiner Person entstandenen Steueransprüche gehen mit seinem Tode auf den Gesamtrechtsnachfolger über, der allein Steuerschuldner wird (§ 8 StAnpG, § 45 AO 1977). Nur der Gesamtrechtsnachfolger kann insoweit Steuerschuldner sein. Das gilt nicht nur für den streitgegenständlichen Veräußerungsgewinn, sondern auch für den übrigen Einkommensteueranspruch 1959, der in der Person des B jun. entstanden ist. Er konnte sich nach dem Tode des B jun. nur gegen seine Gesamtrechtsnachfolger richten. Gegen B jun. konnte kein Einkommensteuerbescheid mehr ergehen. Er wäre ins Leere gegangen.
b) Der einkommensteuerliche Teilanspruch hinsichtlich des streitgegenständlichen Veräußerungsgewinns war danach am 22. Oktober 1974, dem Zeitpunkt des Erlasses des nach § 222 AO berichtigten Gewinnfeststellungsbescheides 1959, durch den nur dieser Veräußerungsgewinn in die Veranlagung für 1959 übernommen wurde, noch nicht verjährt.
Wie das FA zutreffend ausgeführt hat, ist die Verjährung des Einkommensteueranspruchs 1959 gegen die Gesamtrechtsnachfolger nach dem verstorbenen B jun., also auch gegen die Klägerin, einschließlich des obigen Veräußerungsgewinns durch den ursprünglichen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1959 vom 26. November 1965 nach § 147 AO a.F. zur Gänze unterbrochen worden. Durch die Anfechtung des Gewinnfeststellungsbescheides für 1960 vom 18. April 1966, der nur den streitgegenständlichen Veräußerungsgewinn enthielt, wurde gemäß § 146 a Abs. 2 AO n.F. der Ablauf der Verjährung hinsichtlich des daraus resultierenden Einkommensteueranspruches gegen die Klägerin gehemmt, auch wenn dieser Gewinn nunmehr im Streitjahr 1959 zu erfassen war. Die Hemmung der Verjährung hinsichtlich des genannten einkommensteuerlichen Teilanspruches endete nach § 146 a Abs. 2 AO n.F. nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem der angefochtene Bescheid unanfechtbar geworden war, d.h. im Streitfall nicht vor Ablauf eines Jahres, nach dem das Urteil des erkennenden Senats vom 18. November 1971 rechtskräftig geworden war; das war am 4. April 1972. Vor Ablauf eines Jahres, nämlich am 31. Mai 1972, erging der geänderte einheitliche Gewinnfeststellungsbescheid 1959, den die Klägerin wiederum angefochten hat. Durch diese Anfechtung trat eine erneute Ablaufhemmung hinsichtlich der Verjährung des streitigen Steueranspruches ein, vor deren Beendigung der angefochtene geänderte Gewinnfeststellungsbescheid vom 22. Oktober 1974 ergangen ist. Der Umstand, daß FA und Klägerin den Rechtsstreit über den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1959 vom 31. Mai 1972 im Juli 1974 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben und das FA diesen Bescheid mit Verfügung vom 21. Oktober 1974 aufgehoben hat, ist für die nach § 146 a Abs. 2 AO eingetretene Ablaufhemmung ohne Einfluß. Wie der VII. Senat im Urteil vom 26. November 1974 VII R 45/72 (BFHE 114, 522, BStBl II 1975, 460) ausgeführt hat, wird die durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs eingetretene Ablaufhemmung nach § 146 a AO nicht dadurch rückwirkend beseitigt, daß die Abgabenfestsetzung aufgrund des Rechtsbehelfs durch gerichtliche Entscheidung oder durch Entschließung der Behörde selbst aufgehoben wird. Daraus ergibt sich, daß der einkommensteuerliche Teilanspruch hinsichtlich des 1959 angefallenen Veräußerungsgewinns bei Erlaß bzw. bei dem Zugang des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides vom 22. Oktober 1974 noch nicht verjährt war.
3. Gegen die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestehen auch sonst keine Bedenken. Die falsche Bezeichnung als Berichtigungsbescheid nach § 222 AO ist unschädlich. Nach Auffassung des Senats handelte es sich bei dem angefochtenen Bescheid um den Erlaß eines Änderungsbescheides nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO, durch den eine fehlende Feststellung im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1959, die einen bisher im Bescheid noch nicht erfaßten und noch nicht verjährten Teilanspruch betrifft, im Wege der Ergänzung des Bescheides nachgeholt wurde. Von dieser ergänzenden Änderung werden die anderen Feststellungen hinsichtlich der verjährten Steueransprüche, die den laufenden Gewinn der OHG im Jahre 1959 betreffen, nicht berührt. Das FA hat sie daher zutreffend nur nachrichtlich ohne Rechtswirkung mitgeteilt; sie sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Danach hat das FG den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid 1959 zu Unrecht aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen