Entscheidungsstichwort (Thema)
Verteilung der häuslichen Aufwendungen bei einem beruflich genutzten Arbeitszimmer
Leitsatz (NV)
1. Die auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallenden anteiligen Aufwendungen sind nach dem Verhältnis der nach §§ 42 bis 44 der II. BV ermittelten Wohnfläche des Einfamilienhauses zur Fläche des häuslichen Arbeitszimmers aufzuteilen (Anschluß an BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 - VI R 68/83, BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112).
2. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind sodann nach dem Verhältnis der Wohnfläche des Einfamilienhauses einschließlich des Arbeitszimmers zur Größe des Arbeitszimmers zu ermitteln (Anschluß an BFH-Urteil vom 10. April 1987 - VI R 94/86, BFHE 149, 476, BStBl II 1987, 500).
3. Die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallende AfA nach § 7 Abs. 4 EStG ist ohne Rücksicht darauf anzusetzen, daß das Einfamilienhaus, in dem das von einem Ehegatten genutzte Arbeitszimmer sich befindet, beiden Eheleuten je zur Hälfte gehört (Anschluß an das BFH-Urteil vom 12. Februar 1988 VI R 141/85, BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764).
4. Eine unselbständige Anschlußrevision muß innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung eingelegt und begründet werden (Anschluß an Zwischenurteil des BFH vom 8. April 1981 - II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534).
Normenkette
EStG 1980 § 9 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 4, § 7b; II. BV §§ 42-44; FGO § 155; ZPO i.d.F. der Novelle vom 8. Juli 1975 § 556
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Ehemann ist als Geschäftsführer der X-Bank und in geringem Umfang auch gewerblich tätig; seine Ehefrau ist als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die Kläger bewohnen ein ihnen gemeinsam gehörendes Einfamilienhaus. Der Ehemann nutzt in dem Einfamilienhaus einen knapp 11,9 qm großen Raum als Arbeitszimmer.
Die Kläger machten bei der Einkommensteuerveranlagung 1980 die auf diesen Raum entfallenden Aufwendungen entsprechend dem Verhältnis der gesamten Nutzfläche des Hauses von 226,71 qm zur Fläche des Arbeitszimmers von 11,9 qm mit 1 686 DM als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte bei der Einkommensteuerveranlagung 1 573 DM als Werbungskosten an, wobei er von einer Gesamtnutzfläche des Einfamilienhauses von 251 qm ausging.
Im Einspruchsverfahren begehrten die Kläger, die Kosten des Arbeitszimmers nach dem Verhältnis der Grundfläche des Arbeitszimmers zur Wohnfläche des Hauses ohne Nebenräume von 112 qm zu berechnen. Das FA verböserte jedoch nach vorherigem Hinweis die Einkommensteuerveranlagung der Kläger, indem es Aufwendungen für das Arbeitszimmer überhaupt nicht mehr zum Abzug zuließ.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte u. a. aus:
Der Kläger habe nachgewiesen, daß er das Arbeitszimmer so gut wie ausschließlich beruflich nutze.
Entgegen der Ansicht des FA seien die auf das Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen nicht im Verhältnis der gesamten Nutzfläche des Hauses einschließlich der Nebenräume, sondern nach dem Verhältnis der Wohnfläche einschließlich Arbeitszimmer zur Größe des Arbeitszimmers zu ermitteln. Entsprechend der dem Einheitswert zum 1. Januar 1979 zugrunde liegenden ,,Wohnfläche/Nutzfläche" sei von einer Wohnfläche von 127 qm ausgegangen worden. Sie weiche von den Angaben des Klägers insoweit ab, als der Kläger die Kellerbar und den Hobbyraum im Untergeschoß vergessen habe. Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer berechneten sich wie folgt:
Schuldzinsen lt. Steuererklärung 13 285, DM
Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4
des Einkommensteuergesetzes (EStG) 834,46 DM
Nebenkosten für Heizung, Strom, Wasser 2 579,68 DM
sonstige Nebenkosten 483,46 DM
17 182,60 DM
17 182,60 DM/127 qm = x/11,9 qm x = 1 610,00 DM
Das FA legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Es rügt die Anwendung eines unrichtigen Aufteilungsmaßstabs zur Berechnung der anteiligen Kosten für das Arbeitszimmer. Es bringt u. a. vor:
Das FG habe den in § 21 a Abs. 4 EStG 1980 festgelegten Aufteilungsmaßstab ,,nach dem Verhältnis der Nutzflächen" unzutreffend interpretiert, indem es Wohn- und Nutzfläche einander gleichgesetzt habe. Bei der Feststellung des Einheitswerts eines Einfamilienhauses nach dem Einheitswertverfahren werde zwar die Wohnfläche bei der Ermittlung der üblichen Miete nach den Grundsätzen der §§ 42 bis 44 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) berechnet und es bleibe hierbei die Fläche von Zubehör- und Wirtschaftsräumen usw. unberücksichtigt. Dieses Verfahren sei hier jedoch nicht anwendbar. Der Einheitswert beinhalte nicht nur den Wert der reinen Wohnfläche, sondern auch den des gesamten Gebäudes, der Garage, der Außenanlagen und des Grund und Bodens. § 21 a Abs. 4 EStG 1980, der auf den Einheitswert verweise, stelle mithin auf die Nutzfläche im Sinne der Grundfläche nach § 43 der II. BV ab. Die Verschiedenartigkeit der Begriffe Wohn- und Nutzfläche ergebe sich nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. September 1980 VIII R 5/79 (BFHE 132, 222, BStBl II 1981, 258, 259, rechte Spalte) aus der II. BV i.d.F. vom 18. Juli 1979 (BGBl I 1979, 1077), in der durch Abschläge von der Nutzfläche (Grundfläche) die Wohnfläche errechnet werde. Lasse man bei der Feststellung der Nutzfläche die Nebenräume, Zubehörräume und Nebengelasse außer Betracht und setze man damit die reine Wohnfläche nach § 42 der II. BV der Nutzfläche gleich, so führe dies zu unzutreffenden Werten und zu einer unzutreffenden Besteuerung. Beim Bau, beim Erwerb und bei der Nutzung des Gebäudes fielen nämlich auch für diese Räume Aufwendungen wie AfA, Schuldzinsen, Gebäudeversicherungskosten, Grundsteuer usw. an, die bei der Verteilung der Kosten mitzuberücksichtigen seien. Eine genaue Aufteilung müßte gemäß den Wertverhältnissen des Kapitals erfolgen, das in dem beruflichen und in dem privaten Teil des Gebäudes investiert worden sei. Dieses Ziel werde am ehesten bei einer Aufteilung nach den Verhältnissen der Nutzflächen erreicht. Es sei daher im Streitfall bei Zugrundelegung einer Gesamtnutzfläche von 226,71 qm und einer Arbeitszimmerfläche von 11,9 qm als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für den beruflich genutzten Raum ein Betrag von 897 DM (5,25 % der Hausaufwendungen von 17 182,60 DM) abzuziehen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die tarifliche Einkommensteuer 1980 nach der Splittingtabelle auf . . . DM festzusetzen und im übrigen die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision des FA ist unbegründet. Denn das FG ist von einem zutreffenden Aufteilungsmaßstab ausgegangen.
a) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH die anteiligen Aufwendungen, die auf ein so gut wie ausschließlich beruflich genutztes Arbeitszimmer entfallen (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110 und die dort genannte Rechtsprechung). Über die nahezu ausschließlich berufliche Nutzung des Arbeitszimmers durch den Kläger besteht im Revisionsverfahren kein Streit mehr.
Die Frage, wie die Kosten des Arbeitszimmers anteilig zu berechnen sind, hat der Senat nach Erlaß der Vorentscheidung durch Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 68/83 (BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112) dahin entschieden, daß die auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallenden anteiligen Aufwendungen nach dem Verhältnis der nach den §§ 42 bis 44 der II. BV ermittelten Wohnfläche der Wohnung zur Fläche des häuslichen Arbeitszimmers aufzuteilen sind. Dort hat der Senat sich eingehend mit den Gegenargumenten auseinandergesetzt, die das FA auch im Streitfall vorbringt. Auf die Entscheidung wird daher im einzelnen Bezug genommen.
Die Vorentscheidung entspricht den Ausführungen des Senats im vorgenannten Urteil. Das FA beruft sich ohne Erfolg auf das Urteil in BFHE 132, 222, BStBl II 1981, 258. Diese Entscheidung betraf einen anderen Sachverhalt. Dort ging es um die Frage, ob ein Gebäude zu mehr als 80 % Wohnzwecken diente und wie dieses im Rahmen des § 7 b Abs. 2 EStG 1974 zu berechnen war. Der BFH entschied dort, daß die Zuordnung eines Raumes nach seiner Zweckbestimmung allein nach § 7 b EStG 1974 und nicht nach der II. BV zu bestimmen sei. Wie der Senat im Urteil in BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112 zu Abschn. 3 c) bb) hervorgehoben hat, sind die zu § 7 b EStG ergangenen Entscheidungen des BFH hier nicht einschlägig, da der im Absatz 2 verwandte Begriff ,,Wohnzwecken dient" im § 21 a Abs. 4 EStG keinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat.
Das FG hat auch zu Recht die bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigenden Kosten nach dem Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zur gesamten Wohnfläche der Wohnung einschließlich des Arbeitszimmers berechnet. Dies entspricht dem Urteil des Senats vom 10. April 1987 VI R 94/86 (BFHE 149, 476, BStBl II 1987, 500), auf das der Senat ebenfalls Bezug nimmt.
b) Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallende AfA nach § 7 Abs. 4 EStG 1980 ohne Rücksicht darauf angesetzt hat, daß das Einfamilienhaus, in dem sich das Arbeitszimmer des Klägers befindet, dem Kläger und seiner Ehefrau je zur Hälfte gehört. Denn wie der Senat in dem Urteil vom 12. Februar 1988 VI R 141/85 (BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764) entschieden hat, ist in Fällen dieser Art die auf den Arbeitsraum anteilig entfallende AfA nach § 7 b, § 7 Abs. 4 EStG grundsätzlich ohne Rücksicht auf den halben Miteigentumsanteil der Ehefrau als Werbungskosten bei den Einkünften des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Auf die Entscheidung wird im einzelnen verwiesen.
2. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 1. September 1983 nur beantragt, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen. Sie haben am Schluß dieses Schriftsatzes noch darauf hingewiesen, daß dem FG bei der Berechnung der Einkommensteuer insoweit ein Fehler unterlaufen sei, alsdie Aufwendungen, die dem Kläger durch die Einrichtung des Arbeitszimmers entstanden seien (Möbelanschaffung), nicht berücksichtigt worden seien. Auf diese Rüge könnte der Senat eingehen, wenn er den Schriftsatz der Kläger vom 1. September 1983 als Anschlußrevision würdigen würde. Der Senat sieht hiervon jedoch ab, da dies nicht zu dem von den Klägern gewünschten Erfolg führen würde. Denn nach der Rechtsprechung des BFH muß eine sog. unselbständige Anschlußrevision innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung eingelegt und begründet werden (Zwischenurteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 415690 |
BFH/NV 1988, 777 |