Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweis nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977

 

Leitsatz (NV)

1. Gemäß §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 hat das FA, das nach Ablauf der Feststellungsfrist einen Feststellungsbescheid erläßt, in dem Bescheid darauf hinzuweisen. Der Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion, sondern Regelungscharakter, weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von §182 Abs. 1 AO 1977 bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird.

2. Die in dem Hinweis liegende Regelung muß den Bestimmtheitsanforderungen des §119 Abs. 1 AO 1977 genügen und deshalb unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 11. Januar 1995 II R 125/91 (BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304) darüber hinaus die genaue Angabe für erforderlich angesehen hat, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkungen zukommen soll, wird hieran nicht mehr festgehalten.

 

Normenkette

AO 1977 § 119 Abs. 1, § 169 Abs. 1 S. 1, § 181 Abs. 1, 5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichteten in den Jahren 1980/1981 auf einem ihnen gehörenden Grundstück ein Wohngebäude. Nach den bauordnungsbehördlich genehmigten Bauzeichnungen für den "Neubau eines Einfamilien-Wohnhauses mit Einliegerwohnung"sollte das Gebäude auf einer Ebene zwei baulich vollständig voneinander getrennte Wohneinheiten mit jeweils separaten Zugängen von außen und den erforderlichen Sanitär- und Küchenvorrichtungen enthalten. Tatsächlich befanden sich aber von Anfang an zwischen der Haupt- und der Einliegerwohnung zwei Türverbindungen. Hauptwohnung und Einliegerwohnung wurden von den Klägern und ihrer Familie von Anfang an einheitlich bewohnt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte durch Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1982 vom 26. November 1982 für das Grundstück die Grundstücksart "Zweifamilienhaus" und den Einheitswert auf ... DM fest.

Durch Änderungsbescheid nach §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vom 11. Dezember 1991 stellte das FA für das Grundstück der Kläger auf den 1. Januar 1982 die Grundstücksart "Einfamilienhaus" und den Wert (unverändert) mit ... DM fest; es vertrat die Auffassung, die als "Einliegerwohnung" bezeichneten Räume erfüllten nicht die Voraussetzungen für eine selbständige Wohnung. Der Umstand, daß zwischen der Haupt- und der Einliegerwohnung Türverbindungen bestünden, sei erst nachträglich bekannt geworden. Der Bescheid vom 11. Dezember 1991 enthält im übrigen folgenden Hinweis:

"Wegen Eintritts der Verjährung sind die in diesem Bescheid getroffenen Feststellungen für die Grundsteuer erst ab 1. 1. 1987 wirksam. Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für andere einheitswertabhängige Steuern entscheiden die für die Festsetzung dieser Steuern zuständigen Stellen."

Einspruch und Klage der Kläger, mit denen diese u. a. geltend machten, dem FA sei das Vorhandensein der Türverbindungen zwischen der Haupt- und der Einliegerwohnung bekannt gewesen, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ist u. a. davon ausgegangen, daß der Ablauf der Feststellungsfrist dem Erlaß des Änderungsbescheides nicht entgegenstehe. Dies ergebe sich aus §181 Abs. 5 AO 1977. Der in dem Bescheid gegebene Hinweis reiche aus, da er erkennen lasse, daß der Änderungsbescheid erst nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen sei und deshalb nur noch für solche Folgebescheide Bedeutung erlangen könne, deren Festsetzungsfrist ihrerseits noch nicht abgelaufen sei.

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1076 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.

Sie wenden sich insbesondere gegen die Rechtsauffassung des FG, der Hinweis auf die eingeschränkte Wirkung des nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangenen Feststellungsbescheides genüge den gesetzlichen Anforderungen nach §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung sowie den Einheitswertbescheid (Art- und Wertfortschreibung) auf den 1. Januar 1982 vom 11. Dezember 1991 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des Einheitswertbescheides vom 11. Dezember 1991 sowie der Einspruchsentscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des FG, der angefochtene Feststellungsbescheid sei trotz des Ablaufs der Feststellungsfrist nicht nach §181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 rechtswidrig, weil er mit eingeschränkter Wirkung nach §181 Abs. 5 AO 1977 ergangen sei. Der dem Bescheid vom 11. Dezember 1991 beigefügte Hinweis genügt nicht den Erfordernissen des §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977.

Gemäß §181 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 hat das FA, das nach Ablauf der Feststellungsfrist einen Feststellungsbescheid erläßt, in dem Bescheid darauf hinzuweisen, daß die getroffenen Feststellungen nur noch für solche Steuerfestsetzungen Bedeutung haben sollen, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Der Hinweis hat nicht bloße Begründungsfunktion (so Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §181 AO 1977 Tz. 4), sondern Regelungscharakter (Senatsurteil vom 11. Januar 1995 II R 125/91, BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, §181 Anm. 6; Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., §181 Rdnr. 13; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §181 AO 1977 Rz. 47), weil mit ihm der zeitliche Geltungsbereich der getroffenen Feststellungen abweichend von §182 Abs. 1 AO 1977 bestimmt und damit rechtsgestaltend auf das Steuerrechtsverhältnis eingewirkt wird.

Die in dem Hinweis liegende Regelung muß den Bestimmtheitsanforderungen des §119 Abs. 1 AO 1977 genügen und deshalb unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß die Feststellungen nach Ablauf der Feststellungsfrist getroffen worden und nur noch für solche Folgesteuern von Bedeutung sind, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. August 1989 IX R 76/88, BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411, 412). Soweit der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 176, 444, BStBl II 1995, 302, 304 darüber hinaus die genaue Angabe für erforderlich angesehen hat, für welche Steuerarten und welche Besteuerungszeiträume (Veranlagungszeiträume) den getroffenen Feststellungen Rechtswirkungen zukommen soll, wird hieran nicht mehr festgehalten. Ein Hinweis, der sich inhaltlich an dem "Erläuterungstext" des Erlasses des Niedersächsischen Finanzministers vom 14. Februar 1996 S 0362-7-33 (Deutsches Steuerrecht 1996, 468, Der Betrieb 1996, 506) orientiert, wird danach regelmäßig ausreichen.

Diesen Anforderungen genügt der Hinweis des FA im Änderungsbescheid vom 11. Dezember 1991 nicht. Er enthält zwar einen allgemeinen Hinweis auf den Eintritt der Verjährung, aber keine ausreichend klare Aussage, daß die getroffenen Feststellungen Bedeutung nur noch für solche Folgesteuern haben sollen, deren Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheides noch nicht abgelaufen war. Eine solche Aussage kann weder dem Zusatz, daß die "getroffenen Feststellungen für die Grundsteuer erst ab 1. Januar 1987 wirksam" sein sollen, noch dem Hinweis entnommen werden, daß "über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für andere einheitswertabhängige Steuern die für die Festsetzung zuständigen Stellen entscheiden".

2. Die Sache ist spruchreif.

Der Einheitswertbescheid vom 11. Dezember 1991 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind aufzuheben. Der dem Bescheid vom 11. Dezember 1991 beigefügte Hinweis entspricht -- wie unter II. 1. ausgeführt -- nicht den Anforderungen des §181 Abs. 5 Nr. 2 AO 1977. Der Einheitswertbescheid hätte deshalb nur innerhalb offener Feststellungsfrist ergehen dürfen; er ist jedoch erst nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen. Hiervon sind die Beteiligten und das FG übereinstimmend ausgegangen. Anhaltspunkte dafür, daß im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 11. Dezember 1991 die Feststellungsfrist für den Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1982 noch nicht abgelaufen war, sind nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67644

BFH/NV 1998, 1190

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