Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Tragweite des Grundsatzes von Treu und Glauben bei der Steuerfestsetzung
Leitsatz (NV)
Das Finanzamt ist nicht nach Treu und Glauben gehindert, Einkünfte aus Gewerbebetrieb gesondert festzustellen, wenn diese Feststellung sich auf die Höhe der Einkommensteuer nicht auswirkt und auch sonst keine steuerliche Belastung mit sich bringt.
Normenkette
GG Art. 20; AO 1977 § 180
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die u. a. durch gemeinsames Auftreten als Artisten Einnahmen erzielen. Diese Einnahmen hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) seit dem Veranlagungszeitraum 1966 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesehen und veranlagt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat das FA damals im Einspruchsverfahren geprüft, ob die Einkünfte der Kläger aus ihrer Artistentätigkeit solche aus nichtselbständiger Arbeit oder solche aus unternehmerischer Tätigkeit sind, mit dem Ergebnis, daß Arbeitnehmereinkünfte vorliegen.
Aufgrund einer Außenprüfung für die Streitjahre (1978 bis 1980) kam das FA zur Überzeugung, daß die Kläger seinerzeit gewerblich tätig waren. Demgemäß erließ es für die Jahre 1978 bis 1980 erstmals Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Das FG hat der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage stattgegeben. Es meinte, das FA sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert gewesen, für die Streitjahre die Feststellungsbescheide zu erlassen. Die Kläger hätten aufgrund des Ergebnisses des Einspruchsverfahrens für das Jahr 1966 und der Einkommensteuerbescheide für die Folgejahre darauf vertrauen dürfen, daß das FA von seiner klar geäußerten Rechtsauffassung nicht nachträglich für die Vergangenheit abweiche.
Mit seiner Revision rügt das FA, das Urteil verletze den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sowie der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Für jeden Steuerabschnitt seien die Grundlagen der Besteuerung neu festzustellen sowie Sachverhalt und Rechtslage neu zu prüfen. Diese Grundsätze dürften nur ausnahmsweise durchbrochen werden; ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. Im übrigen könne von der steuerlichen Beurteilung der im Jahre 1966 durchgeführten Verträge bereits deshalb keine Bindung ausgehen, da es darauf ankomme, wie die Vertragsverhältnisse in den Streitjahren konkret ausgestaltet gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, daß das FA nicht nach Treu und Glauben gehindert war, die Kläger zur Umsatzsteuer zu veranlagen, falls die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlagen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das diesbezügliche Urteil V R 67/86 (vorstehend abgedruckt) verwiesen.
Für die hier streitige Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb kann nichts anderes gelten. Hinzu kommt, daß - nach den Ausführungen des FG - die Qualifizierung der Einkünfte sich nicht auf die Höhe der Einkommensteuer auswirkt. Bei der Höhe der Einkünfte (unter 24 000 DM) scheidet auch eine Veranlagung zur Gewerbesteuer aus (§ 11 des Gewerbesteuergesetzes). Für die Umsatzsteuer entfalten die Feststellungsbescheide ohnehin keine Bindungswirkungen. Wenn diese also keine steuerliche Belastung mit sich bringen, kann das FA auch nicht nach Treu und Glauben gehindert sein, sie zu erlassen.
Dem Senat ist es nicht möglich, in der Sache selbst zu entscheiden. Die Sachverhaltsfeststellungen des FG reichen nicht aus, um zu beurteilen, ob die Kläger gewerblich tätig waren und die Voraussetzungen des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordung für die gesonderte Feststellung der Einkünfte vorlagen. Die Sache war deshalb an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen nachholen kann (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen