Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung der Rohtabakprämie bei unzutreffender Flächenangabe setzt kein schuldhaftes Handeln voraus; kein Verstoß gegen den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Der verschuldensunabhängigen Sanktion in Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 kommt kein strafrechtlicher Charakter zu. Sie ist auch dann zu verhängen, wenn die unzutreffende Angabe der Tabakanbaufläche auf der ungeprüften Übernahme der vom Verpächter zur Verfügung gestellten Daten beruht.
2. Die Sanktionsregelung verstößt nicht gegen den auch im Gemeinschaftsrecht zu beachtenden allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Normenkette
EWGV 2848/98 Art. 50 Abs. 2a, 2b, Art. 51 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben einen landwirtschaftlichen Betrieb und bauen Tabak an. In ihrer Flächenanmeldung für das Rohtabakprämienverfahren 2000 wiesen die Kläger die bebaute Fläche wie folgt aus: "Gemeinde: R, Gemarkung Nr.: 5658, Flurstückzähler: 6388, Anbaufläche: 0,8244 ha". Bei einer Überprüfung der Anbauflächen im Rahmen einer sog. Kreuzkontrolle stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) fest, dass die Kläger nicht die gemeldete Fläche Flurstückzähler 6388, sondern die Fläche Flurstückzähler 6308 mit einer Anbaufläche von 0,8301 ha zum Tabakanbau nutzten. Daraufhin kürzte das HZA mit einem an die X. gerichteten Rohtabakprämienbescheid die den Klägern gemäß Art. 50 Abs. 2a der Verordnung (EG) Nr. 2848/98 (VO Nr. 2848/98) der Kommission vom 22. Dezember 1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 hinsichtlich der Prämienregelung, der Produktionsquoten und der Sonderbeihilfe für Erzeugergemeinschaften im Rohtabaksektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABLEG-- Nr. L 358/17) i.d.F. von Art. 1 Nr. 7 der Verordnung (EG) Nr. 2162/1999 (VO Nr. 2162/1999) der Kommission vom 12. Oktober 1999 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2848/98 im Rohtabaksektor und zur Festlegung der Übergangsbestimmungen für die Verwendung der Sonderbeihilfe sowie des Verhältnisses zwischen dem veränderten Teilbetrag der Prämie und der Prämie für die Sortengruppe VII (Katerini) in Italien für die Ernten 1999, 2000 und 2001 (ABlEG Nr. L 265/13) für das laufende Erntejahr zu zahlende Rohtabakprämie um 5 % und der X. gemäß Art. 50 Abs. 2b VO Nr. 2848/98 die Sonderbeihilfe um einen Betrag, der 50 % des gegenüber den Klägern verhängten Kürzungsbetrages entsprach.
Die von der X. und von den Klägern eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Auch die von den Klägern erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA die Kürzung der Prämie zu Recht vorgenommen habe. Dabei sei es unbeachtlich, ob die fehlerhafte Angabe der Parzellenangabe auf einem der Verpächterin der Anbauflächen unterlaufenen Schreibfehler beruhe. Obwohl die Begründungserwägungen der VO Nr. 2162/1999 wiederholt die Formulierung "Strafmaßnahmen" enthielten, komme der in Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 vorgesehenen Sanktion kein strafrechtlicher Charakter zu. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik wiederholt darauf verwiesen, dass den Sanktionsregelungen kein strafrechtlicher Charakter beizumessen sei. Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 diene der Verwirklichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik im Rohtabaksektor, insbesondere der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Verwaltung öffentlicher Mittel. Die Sanktionsregelung verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Würde die Verhängung einer Sanktion auch von dem zusätzlichen Nachweis einer subjektiven Schuld des Erzeugers abhängig gemacht, bestünde nicht nur die Gefahr, dass dieser sich der Verantwortung unter Hinweis auf Irrtümer, Fehler oder Verantwortlichkeiten Dritter entziehen könne, sondern es entstünde auch ein erheblicher administrativer Aufwand zur Nachweisführung. Es obliege daher dem Tabakerzeuger zu überprüfen, ob die Parzelle, auf der der Tabak erzeugt werde, mit der im registrierten Anbauvertrag angegebenen Parzelle übereinstimme. Übermäßige Härten, die auf höhere Gewalt zurückzuführen seien, habe der Gemeinschaftsgesetzgeber von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Sanktionsregelung ausgenommen.
Zur Begründung der Revision machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 jegliche widerrechtliche Verwendung der Gemeinschaftsbeihilfen unterbinden wolle. Eine solche Widerrechtlichkeit liege jedoch nicht vor, wenn ein subjektives Verschulden des Erzeugers nicht vorliege. Im Streitfall habe den Klägern die Beihilfe zugestanden. Denn die Größe der gemeldeten Fläche sei korrekt angegeben worden. Die Sanktion sei lediglich durch eine vertauschte Ziffer in der vierstelligen Flurstücknummer verwirkt worden. Es liege allenfalls eine formelle Widerrechtlichkeit vor. Durch einen solchen formellen Verstoß könne sich per se noch keine widerrechtliche Verwendung oder die Gefahr einer widerrechtlichen Verwendung ergeben. Die Unverhältnismäßigkeit der Sanktionsregelung ergebe sich aus dem Umstand, dass sie sich auch gegen einen vollkommen redlichen Erzeuger richte, dem lediglich ein Schreibfehler unterlaufen sei.
Das HZA trägt vor, die Sanktionsregelung treffe keine Unterscheidung zwischen einer formellen und einer materiellen Widerrechtlichkeit. Die Androhung der Sanktion solle sicherstellen, dass das Kontrollsystem der Art. 43 ff. VO Nr. 2848/98 auch in der Praxis durchgesetzt werden könne. Sowohl für den buchmäßigen Flächenvergleich als auch für die Identifizierung der Anbauflächen bei den Kontrollen vor Ort sei die katasteramtlich korrekte Bezeichnung der Anbauflächen von entscheidender Bedeutung. Auf den Nachweis eines schuldhaften Verhaltens komme es nicht an. Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei nicht ersichtlich.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil verletzt nicht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht erkannt, dass der angefochtene Rohtabakprämienbescheid rechtmäßig ist und Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 nicht gegen den auch im Gemeinschaftsrecht zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.
1. Entgegen der Auffassung der Kläger kann den Begründungserwägungen zur VO Nr. 2848/98 nicht entnommen werden, dass bei der Anwendung von Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 zwischen einer formellen Widerrechtlichkeit und einer materiellen Widerrechtlichkeit mit dem Ergebnis unterschieden werden muss, dass bei lediglich formellen Verstößen eine Kürzung der Rohtabakprämie von vornherein nicht in Betracht kommt.
a) Nach Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 wird die dem betreffenden Erzeuger für die laufende Ernte zu zahlende Prämie um 5 % gekürzt, wenn die Parzelle, auf der der Tabak erzeugt wird, nicht der im registrierten Anbauvertrag angegebenen Parzelle entspricht. Hinsichtlich der einer Erzeugergemeinschaft zu gewährenden Sonderbeihilfe bestimmt Art. 50 Abs. 2b VO Nr. 2848/98, dass bei einer Mitgliedschaft des Einzelerzeugers in einer Erzeugergemeinschaft die Sonderbeihilfe der Erzeugergemeinschaft im Falle der Anwendung der in den Absätzen 1, 2 und 2a genannten Strafmaßnahmen um einen Betrag gekürzt wird, der der Hälfte der auf den Erzeuger angewendeten Kürzung entspricht. In Abs. 6 der Erwägungsgründe zur VO Nr. 2162/1999 wird darauf hingewiesen, dass der zwischen dem Erstverarbeitungsunternehmen und einer Erzeugergemeinschaft oder einem Einzelerzeuger abgeschlossene Anbauvertrag u.a. den genauen Anbauort des Tabaks und die betreffende Fläche des Flurstücks enthalten muss. Es empfehle sich daher, die den Einzelerzeuger betreffenden Strafmaßnahmen zu verschärfen, wenn die Parzelle, auf der der Tabak angebaut werde, nicht der im Anbauvertrag angegebenen Parzelle entspreche, und die Strafmaßnahmen außerdem dahin gehend zu verschärfen, dass sich die Bestrafung der Einzelerzeuger auch auf die Erzeugergemeinschaften auswirke. Ausweislich der Begründungserwägungen zur VO Nr. 2848/98 dient der Gemeinschaftsrechtsakt u.a. dazu, zur Überprüfung, ob die Tabakblätter aus einem bestimmten Produktionsgebiet stammen und im Rahmen eines Anbauvertrages geliefert werden, eine Mindestanzahl von den Mitgliedstaaten durchzuführender Anbauflächenkontrollen sowie die Konsequenzen der gegebenenfalls festgestellten Unregelmäßigkeiten festzulegen. In Bezug auf diese Konsequenzen ist den Begründungserwägungen zu entnehmen, dass diese abschreckend genug sein müssen, um jegliche Falschangabe und jegliche widerrechtliche Verwendung der Gemeinschaftsbeihilfen zu verhüten.
b) Aus der Verwendung der Begriffe "Strafmaßnahmen" und "widerrechtliche Verwendung" kann nicht geschlossen werden, dass es sich bei den in Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 angeordneten Prämienkürzungen um Kriminalstrafen handelt, deren Verhängung eine individuell vorwerfbare Rechtsverletzung voraussetzt.
aa) Dass auch ein nicht schuldhaftes Handeln eine Sanktion auszulösen vermag, belegt Art. 51 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 2848/98, nach dem materielle Fehler zu einer Kürzung der Sonderbeihilfe für die laufende Ernte führen; wobei die Kürzung vom Mitgliedstaat je nach Schwere des Fehlers auf einen Prozentsatz von 1 bis 20 % festzusetzen ist. Im Vergleich zu anderen Sprachfassungen gibt der deutsche Text den Inhalt der Vorschrift zumindest missverständlich wieder, denn er lässt die Deutung zu, dass im Gegensatz zu materiellen Fehlern lediglich formelle Fehler nicht erfasst würden. Die französische bzw. englische Sprachfassung verwenden die Begriffe "les erreurs materiélles" bzw. "clerical errors". Gemeint sind offensichtlich technische Fehler, die versehentlich unterlaufen sind (wie z.B. Schreib- und Übertragungsfehler oder Redaktionsversehen).
bb) Für eine solche Deutung spricht die systematische Stellung von Art. 51 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 2848/98 als für den Sonderfall konzipierte Regelung, dass die Nichteinhaltung der für die Prämiengewährung maßgeblichen Vorschriften, die gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 2848/98 zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf Auszahlung der Sonderbeihilfe führt, auf Fehler technischer Natur (Schreibfehler ect.) zurückzuführen ist. In diesem Fall muss die Erzeugergemeinschaft nicht einen Totalverlust der Sonderbeihilfe hinnehmen, sondern lediglich eine Kürzung derselben, die im günstigsten Fall nur 1 % betragen kann. Aufgrund dieses Ergebnisses ist insbesondere der englischen Sprachfassung der Vorzug zu geben, da sie mit den Zielen der VO Nr. 2848/98 besser in Einklang zu bringen ist (vgl. EuGH-Urteile vom 7. Juli 1988 Rs. C-55/87, EuGHE 1988, 3845 Rn. 16 ff., und vom 17. Oktober 1996 Rs. C-64/95, EuGHE 1996, I-5105 Rn. 18).
cc) Zu Recht hat die Vorinstanz darauf verwiesen, dass der EuGH mehrfach entschieden hat, dass die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik in den entsprechenden Gemeinschaftsvorschriften als Sanktionen bezeichneten Maßnahmen (z.B. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 --VO Nr. 3665/87-- der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen --ABlEG Nr. L 351/57-- i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 --ABlEG Nr. L 310/57--) keinen strafrechtlichen Charakter besitzen (EuGH-Urteile vom 5. Februar 1987 Rs. 288/85, EuGHE 1987, 621, 625 Rn. 14, und vom 27. Februar 1992 Rs. C-5/90 und C-206/90, EuGHE 1992, I-1157, 1223 Rn. 36). Wie der Senat in Anlehnung an diese Rechtsprechung entschieden hat, handelt es sich bei der in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 getroffenen Regelung um eine verschuldensunabhängige Sanktion, die nicht gegen höherangige Rechtsgrundsätze verstößt (Senatsurteil vom 21. November 2002 VII R 67/98, BFH/NV 2003, 358).
Sowohl in der französischen als auch in der englischen Sprachfassung wird die Minderung des Erstattungsbetrages als "sanction" bezeichnet. Die gleiche Terminologie findet sich in der französischen Fassung von Art. 50 VO Nr. 2848/98. Beide Vorschriften verfolgen das Ziel, einer unberechtigten Inanspruchnahme einer gemeinschaftsrechtlich gewährten Subvention entgegenzuwirken und damit einen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik zu leisten. Sowohl das zu Art. 51 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 2848/98 gefundene Auslegungsergebnis als auch die Rechtsprechung des EuGH zum Charakter der im Bereich der Agrarsubventionen normierten Sanktionen belegen die Annahme, dass Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 weder einen strafrechtlichen Charakter besitzt noch --wie die Kläger die Vorschrift verstanden wissen wollen-- voraussetzt, dass ein materieller Verstoß gegen die Prämien gewährenden Regelungen vorliegen muss. Ausreichend ist vielmehr auch ein formeller Verstoß, der wie im Streitfall in der irrtümlichen Angabe eines tatsächlich nicht zutreffenden Flurstückzählers bestehen kann.
2. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die Sanktionsregelung des Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH verfügen die Gemeinschaftsorgane hinsichtlich der Mittel, die zur Erreichung der mit einer Gemeinschaftsmaßnahme verfolgten Ziele geeignet sind, insbesondere im Bereich der Verwaltung der Agrarmärkte, über ein weites Ermessen. Zur Wahrung des zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehörenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Stehen mehrere geeignete Maßnahmen zur Verfügung, ist die am wenigsten belastende Maßnahme zu wählen, wobei die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (EuGH-Urteile vom 12. Januar 2006 Rs. C-504/04, Deutsches Verwaltungsblatt 2006, 501; vom 12. Juli 2001 Rs. C-189/01, EuGHE 2001, I-5689 Rn. 81; vom 5. Oktober 1994 Rs. C-133/93, C-300/93 und C-362/93, EuGHE 1994, I-4863 Rn. 41, und vom 13. November 1990 Rs. C-331/88, EuGHE 1990, I-4023 Rn. 13). In Bezug auf die richterliche Kontrolle der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der EuGH wiederholt ausgeführt, dass aufgrund des weiten Ermessens, über das der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik verfüge, eine Beeinträchtigung der Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann vorliege, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des vom Gemeinschaftsorgan verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet sei (EuGH-Urteil in EuGHE 2001, I-5689 Rn. 82, m.w.N.). Eine Prüfung, ob das gewählte Mittel das einzige Mittel oder das beste Mittel zur Erreichung des vorgegebenen Ziels sei, bleibe der gerichtlichen Kontrolle verwehrt.
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die in Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 normierte Sanktion nicht als unverhältnismäßig. Denn sie kann nicht als offensichtlich ungeeignet angesehen werden, um das mit ihr verfolgte Ziel, nämlich die Vermeidung von Missbrauchsfällen und die Sicherstellung von effektiven Kontrollen der Anbauflächen, zu erreichen. Nach Art. 45 und Art. 46 VO Nr. 2848/98 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sog. Kreuzkontrollen durchzuführen und im Rahmen von unangekündigten Kontrollen vor Ort die Angaben in den Anbauverträgen, insbesondere die bestellte Fläche, die angebaute Sortengruppe und die gelagerten Tabakmengen zu überprüfen. Nutzt der Einzelerzeuger eine andere Fläche, als die, die er in seiner Flächenanmeldung angegeben hat, so können die vorgeschriebenen Kontrollen zumindest erschwert werden. Eine unangemeldete Kontrolle eines in der Anmeldung angegebenen und tatsächlich nicht für den Tabakanbau genutzten Flurstücks ginge ins Leere.
Im Streitfall haben die Kläger nach den Feststellungen des FG nicht nur ein anderes Flurstück, sondern auch eine geringfügig größere Fläche für den Tabakanbau genutzt, als sie gegenüber dem HZA angegeben haben. Es liegt auf der Hand, dass dies eine Unregelmäßigkeit darstellt, die geeignet ist, das Funktionieren der Prämienregelung im Rohtabaksektor zu beeinträchtigen. Insbesondere wenn es zu einer Vielzahl solcher Fälle käme, wäre eine effektive Kontrolle der Anbauflächen erheblich erschwert und darüber hinaus mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand verbunden. Deshalb kann es dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht verwehrt werden, Regelungen mit abschreckender Wirkung zu treffen, die Unregelmäßigkeiten dieser Art effektiv entgegenwirken. An den Erzeuger werden auch nicht unzumutbare Anforderungen gestellt. Bei gewissenhafter Überprüfung der ihm von dritter Seite, etwa vom Verpächter, gemachten Angaben und sorgfältiger Erstellung der Flächenanmeldung dürften ihm Fehler in der Flächenbezeichnung nicht verborgen bleiben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er sich um seines eigenen Vorteils willen auf die Prämienregelungen im Rohtabaksektor und auf die Strenge dieses Regimes eingelassen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2000 VII R 67/98, BFHE 192, 377).
Um die angestrebte Präventionswirkung zu erzielen ist die Androhung einer angemessenen Sanktion erforderlich, die selbst dann verhängt werden kann, wenn sich die falschen Angaben nicht auf die Höhe der zu gewährenden Anbauprämie ausgewirkt haben. Eine solche Sanktion kann nicht als offensichtlich ungeeignet angesehen werden, um das mit ihr verfolgte Ziel --insbesondere die Sicherstellung von effektiven Kontrollen der Anbauflächen und den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft-- zu erreichen.
Auch die Höhe der Prämienkürzung ist nach Auffassung des Senats unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Denn eine unzutreffende Flächenangabe führt nicht zu einem vollständigen Verlust der Anbauprämie, sondern lediglich zu einer Kürzung um 5 %. Im Falle von höherer Gewalt --die allerdings bei ungeprüfter Übernahme von Daten oder bei Schreibfehlern nicht vorliegen dürfte (vgl. hierzu Senatsurteil in BFH/NV 2003, 358 im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 11. Juli 2002 Rs. C-210/00)-- ist der Zollbehörde die Vornahme einer Prämienkürzung generell untersagt (Art. 49 VO Nr. 2848/98). Dass der Gemeinschaftsgesetzgeber --hier die Kommission-- bei der Konzipierung von Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 von der Festlegung eines Sanktionsrahmens abgesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Denn im Gegensatz zur Regelung in Art. 51 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 2848/98 ist die maximale Höhe der Sanktion deutlich niedriger festgesetzt. Im Übrigen wird sich nur schwer vorhersehen lassen, bei welcher Höhe eine Sanktion die effektivste Wirkung entfaltet. Daher muss dem Gemeinschaftsgesetzgeber ein durch das zu beachtende Übermaßverbot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begrenzter Ermessensspielraum belassen werden. Im Streitfall ist nicht festzustellen und wird von den Klägern auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass eine geringere Sanktion als die in Art. 50 Abs. 2a VO Nr. 2848/98 vorgesehene falsche Angaben offenkundig und zweifelsfrei verhindern oder eine solche Gefahr zumindest so sehr verringern könnte, dass die Vornahme einer höheren Prämienkürzung schlechterdings unverständlich wäre. Damit erweist sich die Höhe der zu verhängenden Sanktion jedenfalls nicht als offensichtlich ungeeignet, die mit der Prämienkürzung beabsichtigte Präventionswirkung zu erzielen.
3. Der Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 --C.I.L.F.I.T.--, EuGHE 1982, 3415 Rn. 16).
Fundstellen
Haufe-Index 1542807 |
BFH/NV 2006, 1779 |
BFHE 2006, 452 |
BFHE 213, 452 |
BB 2006, 1673 |
DStRE 2006, 1084 |
HFR 2006, 891 |