Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Aufwendungen freiberuflich Tätiger oder Gewerbetreibender für Büro-, Praxis- oder sonstige beruflich genutzte Arbeitsräume, die zwar innerhalb ihrer Wohnung liegen, aber durch den offenkundig beruflichen oder gewerblichen Verwendungszweck von der übrigen Wohnung getrennt sind, stellen Betriebsausgaben dar.
Erledigen hingegen solche Steuerpflichtigen ihre berufliche Arbeit in einem Zimmer ihrer Privatwohnung, weil der Umfang oder die Art ihrer Tätigkeit keine eigenen, von der privaten Wohnung getrennten typischen beruflichen Arbeitsräume erfordert, so sind die üblichen Aufwendungen für dieses Zimmer keine Betriebsausgaben.
In Grenzfällen richtet sich die Entscheidung hauptsächlich danach, ob es sich bei den für das Arbeitszimmer als Betriebsausgaben geltend gemachten Beträgen um zusätzliche, rein beruflich oder gewerblich bedingte, nennenswerte Aufwendungen handelt, die nicht angefallen wären, wenn die Steuerpflichtigen keinen Arbeitsraum innerhalb der Wohnung benötigt hätten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Bf. betreibt den Verkauf von Eintrittskarten für Sportveranstaltungen aller Art. Darüber hinaus befaßt er sich mit der Sportreklame für verschiedene Vereine und Veranstaltergruppen. Seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit betrugen nach den Feststellungen des Finanzamts:
1953 ----------- ... DM, 1954 ----------- ... DM und 1955 ----------- ... DM.Die gewerbliche Tätigkeit übte der Bf. in den Streitjahren in seiner 2 1/2 Zimmer umfassenden Wohnung aus, deren Jahresmiete 720 DM und deren jährliche Heizungskosten 400 DM bis 500 DM betrugen.
In den Einkommensteuer-Erklärungen 1953 bis 1955 setzte der Bf. von den jährlichen Mieten jeweils 144 DM und von den Heizungskosten 1953 162 DM, 1954 118 DM und 1955 46 DM als Betriebsausgaben an. Er behauptet, daß diese Kostenanteile auf ein Zimmer entfielen, das er für seine gewerblichen Zwecke benutzt habe.
Das Finanzamt hat diese Betriebsausgaben nicht anerkannt. Im Jahre 1958 ist durch eine Betriebsprüfung beim Bf. festgestellt worden, daß seine Wohnung aus einem untervermieteten kleinen Zimmer, aus einem Schlafzimmer und einem als Wohnzimmer ausgestatteten Raum besteht, in dem er seine beruflichen Arbeiten erledigt. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, daß dieses Zimmer auch Wohnzwecken diene. Inwieweit die Kosten für diesen Raum die Lebenshaltung und inwieweit sie die Berufsausübung beträfen, lasse sich weder leicht noch einwandfrei feststellen. Der geltend gemachte Teil der Miete und der Heizungskosten könne deshalb nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden.
Mit seiner Sprungberufung macht der Bf. unter anderem geltend, daß der anteilmäßige Aufwand für das strittige Zimmer an Miete und Heizung eine Betriebsausgabe sein müsse, da es sich um einen gewerblichen Raum handle. Die geringfügige Benutzung zu Wohnzwecken und eine gewisse Behaglichkeit der Einrichtung dürfe nicht entscheidend ins Gewicht fallen.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Ansicht, da nicht einmal annähernd festgestellt werden könnte, welchen Umfang die berufliche und die private Verwendung des Zimmers habe, müßten die Aufwendungen dafür im vollen Umfange der privaten Lebenshaltung zugerechnet werden.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. des Bf. ist nicht begründet:
Das Urteil des erkennenden Senats IV 309/55 U vom 8. November 1956, das Urteil des VI. Senats VI 91/57 U vom 14. November 1958 (BStBl 1957 III S. 56 bzw. 1959 III S. 47, Slg. Bd. 64 S. 147 bzw. Slg. Bd. 68 S. 122), auf die die Vorentscheidung Bezug nimmt, und ebenso die Urteile des erkennenden Senats IV 91/50 U vom 24. November 1950 und IV 92/50 U vom 1. Dezember 1950 (BStBl 1951 III S. 23 bzw. S. 42, Slg. Bd. 55 S. 59 bzw. S. 108) befassen sich mit der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein "häusliches Arbeitszimmer". Sie verstehen darunter einen Arbeitsraum innerhalb der Wohnung des Steuerpflichtigen, den dieser entweder neben seinem eigentlichen Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber, soweit es sich - wie in allen angeführten Entscheidungen - um einen Arbeitnehmer handelt, oder aber, soweit es sich um einen selbständig Tätigen oder Gewerbetreibenden handelt, neben seiner Betriebstätte oder seinen Praxisräumen außerhalb der Wohnung als zusätzlichen beruflichen Arbeitsplatz geltend macht. Im vorliegenden Fall steht hingegen fest, daß der Bf. seine gewerbliche Tätigkeit ausschließlich von seiner Wohnung, d. h. hauptsächlich von dem strittigen Zimmer, aus betreibt. Da es sich also bei diesem Zimmer um keinen zusätzlichen Arbeitsraum innerhalb der Wohnung handelt, hat der Fall - wie der Bf. zutreffend hervorhebt - mit den Fällen in den angeführten Urteilen des erkennenden Senats und des VI. Senats unmittelbar nichts gemein.
Befindet sich der einzige Arbeitsplatz eines Gewerbetreibenden oder auch eines freiberuflich Tätigen innerhalb seiner Wohnung, so sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden:
In dem einen Fall liegen zwar Praxis-, Büro- oder sonstige typische berufliche Räume innerhalb der geschlossenen Wohnung des Steuerpflichtigen vor; sie sind aber durch ihre Benutzung und ihre Ausstattung, d. h. durch ihren offenkundig beruflichen Verwendungszweck, praktisch von der übrigen Wohnung, die für die private, außerberufliche Lebenssphäre des Steuerpflichtigen und seiner Familie bestimmt ist, deutlich getrennt. In einem solchen Fall muß also die gesamte Wohnung, da ein Teil von ihr beruflichen Zwecken und nicht Wohnzwecken dient, größer sein als eine Wohnung, die der betreffende Steuerpflichtige entsprechend seiner sozialen Stellung nur für seine Wohnzwecke beanspruchen würde. Liegen diese Voraussetzungen vor, so sind die zusätzlichen Aufwendungen für den beruflich benutzten Teil der Wohnung, da sie nur durch den Betrieb oder die berufliche Tätigkeit des freiberuflich Tätigen veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG), genauso Betriebsausgaben wie die Aufwendungen für eine Betriebstätte oder für Praxisräume außerhalb der Wohnung des Steuerpflichtigen.
Einer wesentlich anderen Beurteilung unterliegen jedoch die Fälle, in denen Steuerpflichtige eine selbständige oder gewerbliche Tätigkeit ausüben, die es nach ihrer Art oder ihrem Umfange nach nicht unbedingt erfordert, eigene, von der privaten Wohnung getrennte Büro-, Praxis-, Geschäfts- oder sonstige typische Arbeitsräume für den Beruf zu halten. So arbeiten z. B. schriftstellerisch oder wissenschaftlich tätige Steuerpflichtige vor allem dann, wenn sie die betreffende Tätigkeit neben einer anderen beruflichen Tätigkeit ausüben, oder Handelsvertreter mit kleinerer Agentur häufig in ihrer Privatwohnung, weil die Art oder der Umfang ihrer Arbeit keine eigenen, nur beruflich bedingten Arbeitsräume erfordert. Würde man in diesen Fällen die üblichen Aufwendungen für das betreffende Wohnzimmer, in dem der Steuerpflichtige arbeitet, als Betriebsausgaben behandeln, so läge darin ein Verstoß gegen § 12 Ziff. 1 EStG, weil die Aufwendungen für ein Wohnzimmer zu den typischen Kosten der Lebensführung gehören, von denen nicht gesagt werden kann, daß sie beruflich bedingt sind.
Ob im Einzelfall ein solches Arbeitszimmer innerhalb der Wohnung einen ausschließlich beruflich bedingten Büro-, Praxis- oder Geschäftsraum neben den eigentlichen Wohnräumen darstellt oder nur einen privaten Wohnzwecken dienenden Raum, in dem der Steuerpflichtige auch seine beruflichen Arbeiten erledigt, wird man im allgemeinen auf Grund der Größe der übrigen Wohnung, der besonderen Ausstattung des betreffenden Zimmers und seiner beruflichen und sonstigen Verwendung sowie unter Berücksichtigung der gesamten finanziellen und beruflichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen unschwer feststellen können. In Grenzfällen richtet sich die Entscheidung hauptsächlich danach, ob es sich bei den für das Arbeitszimmer als Betriebsausgaben geltend gemachten Beträgen um zusätzliche, rein beruflich bedingte, nennenswerte Aufwendungen handelt, bei denen mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, daß sie für die Wohnung des Steuerpflichtigen nicht angefallen wären.
Im vorliegenden Fall hat das Finanzgericht festgestellt, daß der Bf. - wenn man von dem untervermieteten Raum seiner Wohnung absieht - eine Zweizimmerwohnung bewohnt, die aus Schlafzimmer und Wohnzimmer besteht. Der gesamte Mietpreis für diese Wohnung beträgt monatlich 60 DM; die monatlichen Heizungskosten betragen durchschnittlich 35 DM. Es steht außerdem fest, daß der Bf. seine gewerbliche Tätigkeit ausschließlich von seiner Wohnung aus betreibt. hauptsächlich dient ihm dabei das Wohnzimmer, das auch einem Wohnzimmer entsprechend ausgestattet ist, als Arbeitsraum. Dieses Zimmer wird nach den eigenen Angaben des Bf. auch zu Wohnzwecken benutzt. Nach Ansicht des Senats ergibt sich auf Grund dieser tatsächlichen Feststellungen, daß der Bf. für das strittige Wohn- bzw. Arbeitszimmer keine zusätzlichen, rein betrieblich bedingten, nennenswerten Aufwendungen machen mußte, die ohne die gewerbliche Tätigkeit des Bf., z. B. wenn er Arbeitnehmer gewesen wäre, nicht angefallen wären. Es handelt sich daher - wie bei den unter b) angeführten Fällen - bei den Aufwendungen des Bf. für das strittige Arbeitszimmer um die üblichen Aufwendungen für die eigene Wohnung, die als typische Kosten des Haushalts gemäß § 12 Ziff. 1 EStG auch dann nicht abzugsfähig sind, wenn sie zugleich auch der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienlich sind.
Das Finanzgericht hat demzufolge zutreffend den Abzug dieser Kosten als Betriebsausgaben abgelehnt.
Fundstellen
Haufe-Index 410109 |
BStBl III 1961, 337 |
BFHE 1962, 191 |
BFHE 73, 191 |
StRK, EStG:4 R 391 |