Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bestehen zwischen einer Mineralölgesellschaft und einem Tankstellenverwalter über den Verkauf von Dieselkraftstoff ein Agenturvertrag (sog. Tankstellenvertrag) und ein Kommissionsvertrag, so ist ein agenturmäßiger Verkauf des Dieselkraftstoffs an Tankstellenkunden nicht deshalb ausgeschlossen, weil aus demselben Tank Dieselkraftstoff an Großabnehmer außerhalb der Tankstelle kommissionsweise abgegeben wird.
Ein Tankstellenverwalter, der sich vertraglich verpflichtet hat, die Kraftstoffe einer Mineralölgesellschaft an die Tankstellenkunden im Namen und für Rechnung dieser Gesellschaft zu verkaufen, ist umsatzsteuerrechtlich als Agent (Handelsvertreter) zu behandeln, wenn durch die Aufmachung der Tankstelle (Hausfarbe, Firmenzeichen, Schilder) für die Kunden deutlich sichtbar gemacht wird, daß die Mineralölgesellschaft die Kraftstoffe vertreibt, und auf Wunsch den Kunden Quittungen ausgestellt werden, aus denen ebenfalls hervorgeht, daß der Treibstoff im Namen und für Rechnung der Mineralölgesellschaft verkauft wird.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 1; UStDB § 2 Abs. 1, §§ 3, 7/1; UStG § 3/3; UStG § 3/8
Tatbestand
Der Steuerpflichtige betreibt eine Tankstelle. Er hat mit der Firma X. einen Agenturvertrag ("Tankstellenvertrag") und einen Kommissionsvertrag abgeschlossen. Danach hat er die Treibstoffe und Motorenöle der Firma X. der an der Tankstelle zwecks Betankung ihrer Kraftfahrzeuge vorfahrenden Laufkundschaft (Tankstellenkunden) auf Grund des Agenturvertrages im Namen und für Rechnung der Firma X., der übrigen Kundschaft, die über Vertreter des Steuerpflichtigen außerhalb der Tankstelle größere Mengen von Produkten der Firma X. bestellt und der die Ware in der Regel vom Steuerpflichtigen mit eigenen Fahrzeugen angeliefert wird (Großabnehmer), auf Grund des Kommissionsvertrages im eigenen Namen, aber für Rechnung der Firma X. zu verkaufen. Der Dieselkraftstoff, der allein Gegenstand des Rechtsstreits ist, wird für beide Arten von Geschäften unter Eigentumsvorbehalt in einer Menge von der Firma X. angeliefert, in den einzigen vorhandenen Dieselkraftstofftank eingefüllt und je nach Bedarf an die Tankstellenkunden auf Grund des Agenturvertrages, an die Großabnehmer auf Grund des Kommissionsvertrages abgegeben. Die Firma X. rechnet den gesamten Dieselkraftstoff (ohne Rücksicht auf den noch unbekannten Umfang der agenturmäßigen und der kommissionsmäßigen Verkäufe) mit dem Steuerpflichtigen zunächst als Kommissionsware ab, teilt jedoch nach Empfang der formularmäßigen monatlichen Meldungen des Steuerpflichtigen über die von ihm getätigten Agenturverkäufe die angelieferte Ware nach den beiden Verkaufsarten auf, indem sie über die agenturweise verkauften Dieselkraftstoffmengen eine neue Rechnung ausstellt und - ebenso wie der Steuerpflichtige - die erforderlichen Umbuchungen vornimmt.
Das Finanzamt sah die Verkäufe von Dieselkraftstoff durch den Steuerpflichtigen, auch soweit sie ohne vorherige Bestellung der Kunden im Rahmen des Agenturvertrages in der Tankstelle stattfinden, als Lieferungen, und zwar wegen Fehlens des Buchnachweises als Einzelhandelslieferungen, an und unterwarf im Anschluß an eine Betriebsprüfung für 1954 und 1955 das gesamte dafür vereinnahmte Entgelt der Umsatzsteuer mit 4 v. H. Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb, soweit er sich hiergegen richtete, ohne Erfolg. Dagegen nahm das Finanzgericht - nach Einsichtnahme in die Verträge und Rechnungsvordrucke, nach Anhörung von Auskunftspersonen und nach Besichtigung der Tankstelle - an, daß der Steuerpflichtige beim Verkauf des Dieselkraftstoffs an der Tankstelle eine bloß vermittelnde Tätigkeit ausübe, und zog ihn insoweit nur mit der Provision zur Umsatzsteuer heran.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der unrichtige Anwendung des § 3 Abs. 1 UStG in Verbindung mit §§ 2 und 3 UStDB und ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten gerügt werden, ist nicht begründet.
Das Finanzamt stützt seine Auffassung darauf:
Der Steuerpflichtige erlange an dem gesamten ihm von der Firma X. als "Kommissionsware" angelieferten Dieselkraftstoff die Verfügungsmacht und könne daher Teilmengen dieser Ware nicht mehr agenturweise abgeben;
eine sonstige Leistung des Steuerpflichtigen als Agent der Firma X. entfalle auch deshalb, weil den an der Tankstelle vorfahrenden Kunden nicht zum Bewußtsein komme, daß ihnen der Dieselkraftstoff im Namen und für Rechnung der Firma X. geliefert werde.
Hierzu ist folgendes zu bemerken: Zu 1.:
Es ist zwar richtig, daß ein Unternehmer, der über einen Gegenstand die uneingeschränkte umsatzsteuerliche Verfügungsmacht besitzt, hinsichtlich dieses Gegenstandes kein Vermittlungsgeschäft abschließen kann. Der Steuerpflichtige erlangt aber nach dem Willen der Vertragspartner über den Dieselkraftstoff diese Verfügungsmacht nicht. Er kann über den Dieselkraftstoff nach Befüllung des Tanks nicht frei bestimmen, sondern ist in seinen Befugnissen durch die vertragliche Bindung, an die Tankstellenkunden Dieselkraftstoff nur im Namen der Firma X. zu verkaufen, eingeschränkt. Nach dem vorliegenden Sachverhalt besteht bezüglich der in den Dieselkraftstofftank eingefüllten Dieselkraftstoffmengen ein Schwebezustand, der zwar nicht durch den Eigentumsvorbehalt der Firma X., wohl aber durch den übereinstimmenden vertraglich festgelegten Willen der Vertragspartner, den Dieselkraftstoff an die Tankstellenkunden nur im Namen der Firma X. zu verkaufen, herbeigeführt ist. Der Steuerpflichtige darf den Dieselkraftstoff an Großabnehmer, die die Ware auf Grund von Bestellungen außerhalb der Tankstelle erwerben, im eigenen Namen verkaufen. Entnimmt er dem Tank den Kraftstoff, um eine solche Bestellung auszuführen, so erlangt er an der entnommenen Menge die volle Verfügungsmacht, die ihn in die Lage versetzt, das Geschäft als Kommissionsgeschäft abzuwickeln.
Dieser Betrachtungsweise steht nicht entgegen, daß die gesamte Dieselkraftstoffmenge dem Steuerpflichtigen von der Firma X. zunächst auf einem Vordruck für "kommissionsweisen Verkauf" in Rechnung gestellt wird. Es handelt sich hierbei - wie der Vertreter der Firma X. bei seiner Vernehmung im Berufungsverfahren glaubhaft bekundet hat und wie die spätere Handhabung der Geschäfte durch die Firma X (Ausstellung einer zweiten Rechnung, Umbuchung) beweist - lediglich um eine innerbetriebliche Maßnahme zur ordnungsmäßigen buchhalterischen Erfassung der Warenbewegung sowohl bei der Firma X. als auch beim Steuerpflichtigen. Da der Umfang der kommissionsmäßigen und agenturmäßigen Verkäufe bei der Anlieferung des Dieselkraftstoffs noch ungewiß ist, muß zunächst eine vorläufige Abrechnung und Verbuchung stattfinden. Die vorläufige Inrechnungstellung könnte ebensogut auf dem Vordruck für "agenturweisen Verkauf" erfolgen und später teilweise durch eine Kommissionsrechnung ersetzt werden. Das Innenverhältnis zwischen zwei Vertragspartnern ist aber nicht nach der von vornherein als vorläufig gedachten Verwendung des einen oder anderen Vordrucks, sondern nach dem klaren Willen der Parteien und der endgültigen Gestaltung des Rechtsgeschäfts zu beurteilen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Zusammenlagerung des Dieselkraftstoffes für den kommissionsweisen und für den agenturweisen Verkauf im Streitfalle - wie der Steuerpflichtige glaubhaft behauptet - nur durch die Unmöglichkeit, auf dem verfügbaren Raum einen zweiten Dieselkraftstofftank aufzustellen, bedingt ist.
Zu 2.: Liegt somit im Innenverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der Firma X. hinsichtlich des für die Tankstellenkunden bestimmten Dieselkraftstoffs ein Agenturverhältnis vor, so würden nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dennoch Lieferungen des Steuerpflichtigen an die Tankstellenkunden anzunehmen sein, wenn die Agentureigenschaft des Steuerpflichtigen nach außen nicht hinreichend klar zum Ausdruck käme. Hierzu hat der Bundesminister der Finanzen durch den Erlaß IV S 4107 - 34/52 vom 5. Juni 1953 (U-Kartei S 4107 K 53) die Finanzämter angewiesen, die Tankstellenverwalter dann als Agenten (Handelsvertreter) zu behandeln, wenn sie
vertraglich verpflichtet sind, die Treibstoffe im Namen und für Rechnung der einzelnen Mineralölgesellschaften zu verkaufen,
durch Schilder an der Tankstelle für die Kunden deutlich sichtbar machen, daß die Mineralölgesellschaften die Treibstoffe vertreiben und
auf Wunsch den Kunden Quittungen ausstellen, aus denen ebenfalls ersichtlich ist, daß der Treibstoff im Namen und für Rechnung der Mineralölgesellschaften verkauft wird.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die strengen Grundsätze der Rechtsprechung über die Besteuerung der Umsätze im eigenen Laden können - abgesehen davon, daß auch hier bei entsprechender Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse ausnahmsweise eine Vermittlungstätigkeit des Ladeninhabers umsatzsteuerlich anzuerkennen ist (vgl. Urteil des Senats V 25/55 vom 26. Juli 1955, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1956 S. 64) - auf die Besteuerung der Tankstellenumsätze nicht ohne weiteres übertragen werden. Schon die äußere Aufmachung (Hausfarben, Firmenzeichen) kennzeichnen die Tankstellen der großen Mineralölfirmen deutlich als deren Betriebstätten. Es kommt hinzu, daß den Kraftfahrern die übung dieser Firmen, die Kraftstoffe, soweit sie unmittelbar an der Tankstelle abgegeben werden, auf Agenturbasis zu verkaufen, weitgehend bekannt ist. Anders als der Kunde, der in einem Ladengeschäft Ware kauft, ist sich der Kunde, der an einer mit den Hausfarben und Firmenzeichen einer Mineralölgesellschaft ausgestatteten Tankstelle Kraftstoff für den Tank seines Kraftfahrzeugs erwirbt, dessen bewußt, daß er zu der Gesellschaft in Rechtsbeziehungen tritt. Deuten außerdem Schilder und Plakate sowie die Quittungen, die an der Tankstelle auf Wunsch des Käufers erteilt werden, darauf hin, daß der Kunde den Kraftstoff von der Mineralölfirma bezieht, so besteht kein Anlaß, ein von allen Beteiligten als Agenturgeschäft angesehenes und als solches behandeltes Rechtsgeschäft umsatzsteuerrechtlich als Kommissions- oder Eigenhändlergeschäft zu beurteilen.
Da nach den Feststellungen der Vorinstanz die Voraussetzungen für die Anerkennung der Agenteneigenschaft eines Tankstellenverwalters im Streitfalle vorliegen und nach den Ausführungen zu 1 der Steuerpflichtige tatsächlich und rechtlich den Dieselkraftstoff an die Tankstellenkunden im Agenturverhältnis verkaufen kann, war die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1961, 324 |
BFHE 1962, 154 |
BFHE 73, 154 |
StRK, UStG:3/1 R 48 |
NJW 1961, 2327 |