Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Beförderung von Kleinkindern und deren Begleitpersonen zu und von Kindertagesheimen kann Beförderungen im Schülerverkehr nicht gleichgeachtet und deshalb nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 c BefStG von der Beförderungsteuer freigestellt werden.
Eine Steuerbefreiung für Personenbeförderungen mit Kraftomnibussen im Ortslinienverkehr kann gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 b BefStG frühestens von dem Zeitpunkt an gewährt werden, in dem die Genehmigung für den Betrieb der Linie erteilt worden ist.
Normenkette
BefStG § 3/1/1/c, § 3/1/5/b, § 3 Abs. 2; UStG § 12/1/10
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beförderung von Kleinkindern und deren Betreuern mit Kraftomnibussen, die der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) im Jahre 1963 ausgeführt hat, der Beförderungsteuer unterliegt oder ob sie gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 c BefStG bzw. gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 b BefStG von der Beförderungsteuer befreit ist.
Der Stpfl. ist Inhaber eines Unternehmens, das die Personenbeförderung mit Kraftomnibussen betreibt. Unter anderem beförderte er während des gesamten Kalenderjahres 1963 auf Grund eines mit der Jugendbehörde geschlossenen Vertrages Kleinkinder und deren Betreuer nach und von bestimmten Kindertagesheimen gegen ein mit der Jugendbehörde vereinbartes wöchentliches Pauschalentgelt.
... Das Finanzamt (FA) ... vertrat die Auffassung, die Beförderung von noch nicht schulpflichtigen Kindern stelle beförderungsteuerrechtlich keinen Linienverkehr dar. Denn Linienverkehr im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 5 b BefStG setze voraus, daß er für jedermann und nicht nur für bestimmte Personengruppen zugänglich sei.
Der Stpfl. berief sich demgegenüber darauf, daß ihm die Behörde für Wirtschaft und Verkehr die Genehmigung für den Betrieb von drei Linien im Gebiet der Stadt erteilt habe, auf denen die streitigen Kleinkindertransporte durchgeführt würden. Damit seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 b in Verbindung mit § 3 Abs. 2 BefStG erfüllt, da als Ortslinienverkehr im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 5 BefStG der zugelassene Linienverkehr anzusehen sei, bei dem Ausgangs- und Endpunkt der Linie innerhalb derselben Gemeinde lägen und Haltestellen zum Ein- und Aussteigen nur innerhalb dieser Gemeinde beständen. Im übrigen seien die streitigen Beförderungsleistungen auch nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 c BefStG steuerfrei; denn die im Auftrag der Jugendbehörde ausgeführten Fahrten seien insofern als Schulfahrten anzusehen, als die Tagesheime eine Art Vorschule für den späteren Schulgang der Kinder darstellten.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. ... Auf die Berufung des Stpfl. hob das Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung und den Beförderungsteuerbescheid des FA auf und setzte die Beförderungsteuer für 1963 entsprechend den Anträgen des Stpfl. auf ... fest. Das FG ... hat ... die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 5 b BefStG angewendet, weil die zuständige Verkehrsbehörde dem Stpfl. Genehmigungen für den Linienverkehr seiner Kindertransporte erteilt habe und weil die Finanzverwaltungsbehörden an derartige rechtsgestaltende Verwaltungsakte der Verkehrsbehörden gebunden seien. Nachdem die Verkehrsbehörde die Kindertransporte - gleichgültig ob zu Recht oder zu Unrecht - als Linienverkehr zugelassen habe, liege ein zugelassener Linienverkehr im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 5 b in Verbindung mit § 3 Abs. 2 BefStG vor, für den auch die sonstigen Voraussetzungen eines steuerbefreiten Ortslinienverkehrs erfüllt seien.
Mit der Rb. wendet sich der Vorsteher des FA lediglich dagegen, daß das FG die Steuerbefreiung der streitigen Beförderungsleistungen für das ganze Jahr 1963 ausgesprochen habe, obwohl die Genehmigungen zum Linienverkehr von der Verkehrsbehörde erst am 15. Juli 1963 erteilt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die nach dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 gemäß § 115, § 184 Abs. 1 und 2 Nrn. 1 und 2 FGO in Verbindung mit § 286 AO a. F. als Revision zu behandelnde Rb. ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Zutreffend ist zwar die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 c BefStG auf Transporte von Kleinkindern nach und von den durch die Jugendbehörde bestimmten Kindertagesheimen nicht angewendet werden kann. Denn bei derartigen Transporten handelt es sich weder um Personenbeförderungen im Arbeitnehmerverkehr, noch kann die Beförderung der Kleinkinder zu und von den Kindertagesheimen dem Schülerverkehr gleichgeachtet werden. Selbst wenn es zutreffen würde, daß die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 c BefStG nicht auf den reinen Schülerverkehr beschränkt bleiben muß, ist eine Ausdehnung der Steuerbefreiung auf die hier streitigen Transporte von Kleinkindern zu den Kindertagesheimen auch dann nicht möglich, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 c BefStG erfüllt wären. Während z. B. die Beförderung von Lehrlingen zur Berufsschule oder ggf. auch zu Lehrwerkstätten u. ä. Ausbildungseinrichtungen in gleicher Weise wie der Transport von Schülern zur Schule und deren Einrichtungen dem Zweck des Unterrichtes und der Berufsausbildung dient, kann dasselbe von der hier streitigen Beförderung von Kleinkindern zu Kindertagesheimen nicht gesagt werden. Zweck dieser Tagesheime ist vorwiegend die Betreuung der Kleinkinder in der Zeit, in der die Eltern beruflich tätig sind. Selbst wenn im Rahmen dieser Betreuungstätigkeit das Kleinkind manche seinem Alter entsprechenden Fertigkeiten und Verrichtungen erlernt und in seiner geistigen Entwicklung gefördert wird, kann deshalb von einem Schulunterricht oder einer ihm gleichartigen Ausbildung noch nicht gesprochen werden. Es muß deshalb dem Gesetzgeber überlassen bleiben, eine vielleicht zweckmäßige Ausdehnung der Befreiungsvorschrift auf Kleinkindertransporte zu und von den Kindertagesheimen im Wege gesetzlicher Regelung selbst anzuordnen.
Da somit die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 c BefStG im Streitfalle nicht in Betracht kommt, konnten die streitigen Kleinkindertransporte nur auf Grund des § 3 Abs. 1 Nr. 5 b BefStG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 BefStG und erst ab 15. Juli 1963 von der Beförderungsteuer freigestellt werden, weil allein der genehmigte Linienverkehr die Steuerfreiheit genießt, im Streitfalle die Genehmigungen für den Linienverkehr ausweislich der bei den Akten des FA befindlichen Fotokopien der Genehmigungsurkunden aber erst am 15. Juli 1963 erteilt worden sind. Da das FG dessen ungeachtet die Steuerbefreiung für das ganze Jahr 1963 gewährt hat, rügt insoweit das FA mit Recht eine fehlerhafte Anwendung des geltenden Rechts. Das angefochtene Urteil war deshalb in diesem Punkt wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Die Sache geht zur nochmaligen Prüfung und Entscheidung an das FG zurück, das insbesondere noch festzustellen haben wird, wie sich die für Kleinkindertransporte von der Jugendbehörde gewährten Entgelte auf die Zeit vor dem 15. Juli 1963 und die Zeit nach dem 15. Juli 1963 verteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 412128 |
BStBl III 1966, 480 |
BFHE 1966, 311 |
BFHE 86, 311 |