Leitsatz (amtlich)
1. § 41 Abs. 1 BewG 1965 verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Eine Verteilung des Einheitswerts eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nach § 49 BewG 1965 braucht durch einen Ergänzungsbescheid nach § 216 Abs. 2 AO erst auf den Zeitpunkt vorgenommen zu werden, auf den der bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 festgestellte Einheitswert erstmals bei der Festsetzung von Steuern zugrunde gelegt wird.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; AO § 216 Abs. 2; BewG 1965 §§ 41, 49
Tatbestand
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), deren Erbin sie ist, war am 1. Januar 1964 Eigentümerin von Stückländereien in Größe von 9,89 ha, die sie an den inzwischen verstorbenen Ehemann der Beigeladenen, dessen Erbin sie ist, verpachtet hatte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) stellte bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 durch Bescheid vom 5. Oktober 1970 den Einheitswert für diese Stückländereien auf 17 500 DM fest. Die Klägerin beantragte mit dem Einspruch, nach § 41 Abs. 1 BewG einen Abschlag vom landwirtschaftlichen Vergleichswert für fehlende Wirtschaftsgebäude zu machen und den Einheitswert nach § 49 BewG auf sie und den Pächter aufzuteilen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen.
Die Klägerin beantragt mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, das angefochtene Urteil aufzuheben (und der Klage stattzugeben). Es werden Verletzungen des Art. 3 Abs. 1 GG und der §§ 41 und 49 BewG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Das angefochtene Urteil sähe einen sachlich einleuchtenden und vernünftigen Grund, der die Beschränkung der Abschläge nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BewG rechtfertige, darin, daß die Ertragswerte letztlich im Wege der Schätzung festgestellt würden und erst eine deutliche Überschreitung des Schätzungsspielraums eine abweichende Bewertung rechtfertige. Diese allein auf den Zufall der Größe des Grundstücks und der Größe des auf die Wirtschaftsgebäude entfallenden Vergleichswerts abgestellte Regelung sei jedoch kein zuverlässiger Maßstab. Es sei sehr zweifelhaft, ob er praktikabel sei. Sicher sei er wegen seines pauschalen Charakters ungerecht. Auch die Begründung des FG in der Frage der Aufteilung des Einheitswerts nach § 49 BewG überzeuge nicht. Das in Abschn. 1.20 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (BewRL) praktizierte Verfahren führe in konkreten Fällen, wie im vorliegenden, dazu, daß die Klägerin gegenüber dem Pächter und gegenüber anderen Steuerpflichtigen in ihrer Rechtsstellung benachteiligt werde.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat mit zutreffender Begründung dargetan, daß ein Abschlag wegen der fehlenden Wirtschaftsgebäude im Streitfall deswegen nach § 41 Abs. 1 BewG nicht vorgenommen werden kann, weil die nach Nr. 1 dieser Vorschrift mit 80 v. H. zu berücksichtigende Abweichung nicht die in Nr. 2 gesetzten Wertgrenzen überschreitet. Dagegen werden von der Revision auch keine Einwendungen erhoben. Der Auffassung der Klägerin, § 41 Abs. 1 BewG verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei deshalb nichtig, folgt der Senat nicht. Es ist schon der Ausgangspunkt der Klägerin irrig, daß nach dieser Vorschrift die Stückländereien anders behandelt würden als sonstige landwirtschaftliche Betriebe. Die Begrenzung, die § 41 Abs. 1 BewG für Abschläge und Zuschläge am Vergleichswert enthält, gilt in gleicher Weise für alle Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, wie sich aus der Stellung der Vorschrift im Gesetz in Abschn. "B Land- und forstwirtschaftliches Vermögen" und unter Abschn. "I. Allgemeines" und aus § 34 Abs. 2 und 7 BewG eindeutig ergibt. Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob sich eine ungleichmäßige Behandlung der Stückländereien und der übrigen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft dann ergeben würde, wenn der in Abschn. 2.20 Abs. 3 BewRL für fehlende Wirtschaftsgebäude bei Stückländereien ganz generell vorgesehene Abschlag von 25 v. H. des Vergleichswerts im Einzelfall von den nach dem gemeinsamen Ländererlaß vom 10. Juli 1970 (BStBl I 1970, 906) in Tabellen angegebenen Anteilen der Wirtschaftsgebäude am Vergleichwert, die nach der Nutzungsgröße in Hektar und in Hektarwerten gestaffelt sind, abweichen würde. Denn das trifft im Streitfall nicht zu. Nach der Tabelle würde sich für den hier zugrunde liegenden Hektarwert von 1 773,50 DM und der Nutzungsgröße von 9,89 ha ein Anteil der Wirtschaftsgebäude am Vergleichswert von nur wenig über 23 v. H. ergeben, also weniger als die der Berechnung zugrunde gelegten 25 v. H. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG könnte deshalb hier nur darin gesehen werden, daß bei den Betrieben der Land- und Forstwirtschaft, bei denen die Abweichung der tatsächlichen Verhältnisse der Nutzung die Wertgrenzen des § 41 Abs. 1 Nr. 2 BewG nicht überschreitet, keine Abschläge am Vergleichswert gemacht werden. Darin liegt jedoch nach Auffassung des Senats keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird der Steuergesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht gehindert, für die Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen und sich mit einer "Typengerechtigkeit" zu begnügen, es sei denn, daß die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfG-Beschluß vom 18. Mai 1971 1 BvL 7, 8/69, BVerfGE 31, 119 unter II, und die dort zitierten Entscheidungen). Auch die Einführung von Besteuerungsgrenzen oder, wie bei § 22 BewG und bei dem hier in Betracht kommenden § 41 Abs. 1 BewG, von Wertgrenzen gehört zu solchen steuerlichen Maßnahmen, die aus Gründen der Praktikabilität getroffen worden sind, und deshalb hinsichtlich der Verletzung des Gleichheitsgebots nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen sind. Der Senat ist der Auffassung, daß die durch die Begrenzung der Abschläge in § 41 Abs. 1 BewG hervorgerufene Ungleichheit der Höhe der Einheitswerte und der daraus resultierenden Steuerbelastung nicht so ins Gewicht fällt, daß der Gesetzgeber dadurch die äußerste Grenze des ihm durch die Rechtsprechung des BVerfG eingeräumten weiten Ermessensspielraums überschritten hat. Es muß dabei bedacht werden, daß die Begrenzung nicht nur für die Abschläge, sondern auch für die Zuschläge am Vergleichswert gilt, so daß den durch sie hervorgerufenen Nachteilen auch Vorteile gegenüberstehen können.
2. Der Senat teilt auch die Auffassung des FG, daß die Klägerin nicht dadurch in ihren Rechten verletzt worden ist, daß der angefochtene Einheitswertbescheid nach der generellen Anweisung in Abschn. 1.20 BewRL keine Feststellungen darüber enthält, wie sich der Einheitswert für Vermögensteuerzwecke auf die Klägerin und den Pächter verteilt. Es ist zwar richtig, daß nach § 49 Abs. 1 BewG der Einheitswert in den Fällen des § 34 Abs. 4 BewG - dem Eigentümer des Grund und Bodens nicht gehörende Gebäude, die auf dem Grund und Boden stehen, und dem Eigentümer des Grund und Bodens nicht gehörende Betriebsmittel, die der Bewirtschaftung des Betriebs dienen, sind in den Betrieb einbezogen worden - für die Zwecke anderer Steuern als der Grundsteuer nach § 216 Abs. 1 Nr. 2 AO zu verteilen ist. Es ist weiter richtig, daß im Streitfall die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 BewG am 1. Januar 1964 vorlagen, weil die dem Pächter gehörenden Betriebsmittel in die Bewertung der Stückländereien einbezogen worden sind. Das FG hat aber mit Recht betont, daß eine solche Verteilung des Einheitswerts - wie die Feststellung des Einheitswerts selbst - nur dann vorzunehmen ist, wenn sie aus steuerlichen Gründen erforderlich ist. Das ergibt sich klar aus dem Wortlaut des Eingangssatzes des § 216 Abs. 1 AO, in dem es heißt: "In dem Feststellungsbescheid (§§ 214 und 215) sind, soweit es für die Besteuerung erforderlich ist, auch Feststellungen zu treffen: ..." Die bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerte werden jedoch nach Art. 3 Abs. 1 ÄndG-BewG 1965 erst von dem Zeitpunkt an bei der Festsetzung von Steuern zugrunde gelegt, der durch ein besonderes Gesetz bestimmt ist. Abschn. 1.20 BewRL hält sich daher durchaus im Rahmen des Gesetzes, wenn er anordnet, daß die Verteilung nach § 49 BewG auch erst auf diesen Zeitpunkt durchgeführt werden soll. Diese Anordnung entspricht auch darüber hinaus einem praktischen Bedürfnis, weil nur nach den Verhältnissen an diesem späteren Zeitpunkt entschieden werden kann, ob und in welchem Umfang eine Aufteilung des Einheitswerts erforderlich ist. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des FG, daß diese Verteilung nicht durch einen Ergänzungsbescheid nach § 216 Abs. 2 AO vorgenommen werden könne. Die Zurechnung des ganzen Einheitswerts an die Klägerin in dem Bescheid auf den 1. Januar 1964 steht dieser Ergänzung nicht entgegen. Denn diese Zurechnung bleibt auf jeden Fall für Zwecke der Grundsteuer aufrechterhalten. Es bedarf daher hier keiner Zurechnungsfortschreibung. Das FG beruft sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom 21. Dezember 1965 III 291/62 U (BFHE 84, 381, BStBl III 1966, 138). In diesem Urteil hat der Senat auf die Möglichkeit einer Zurechnungsfortschreibung für die Fälle hingewiesen, in denen wegen Verjährung aller einheitswertabhängigen Steuern oder wegen überlangen Zeitablaufs der Erlaß eines Ergänzungsbescheids unzulässig wäre. Ein solcher Fall ist aber hier nicht gegeben. Es bestehen auch bei einem Ergänzungsbescheid keine Bedenken in der Richtung, daß der Pächter gegen die Höhe des Einheitswerts keine Einwendungen mehr erheben könnte. Der auf den 1. Januar 1964 festgestellte Einheitswert ist nur an die Klägerin gerichtet. Die darin enthaltenen Feststellungen erwachsen deshalb auch nur ihr gegenüber in Rechtskraft. Wird ein Ergänzungsbescheid erteilt, so kann sich der Pächter gegen die Höhe des ihm zugerechneten Anteils wenden und dabei auch Einwendungen gegen die Höhe des Einheitswerts erheben.
Fundstellen
Haufe-Index 70523 |
BStBl II 1973, 694 |
BFHE 1973, 535 |