Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine zur Ablösung laufender Unterhaltungszahlungen an einen geschiedenen Ehegatten geleistete einmalige Zahlung ist nicht ohne weiteres eine außergewöhnliche Belastung.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist im März 1953 von seiner Ehefrau geschieden worden, und zwar aus seinem Verschulden. Strittig ist, ob er die an die Ehefrau gezahlte Abfindung und die Kosten des Scheidungsprozesses als außergewöhnliche Belastung absetzen kann.
Der Bf. hatte mit seiner geschiedenen Ehefrau seit dem Jahre 1938 einen Damenfrisiersalon und später ein Einzelhandelsgeschäft mit Verkaufsstellen in mehreren Orten betrieben. Den Gegenstand des Geschäfts bildeten Seifen, Reinigungsmittel, Haushaltsartikel, Textilien, Papierwaren, Geschenkartikel sowie Glas- und Porzellanwaren. Auf Grund des am 16. März 1953 vor dem Landgericht abgeschlossenen Vergleichs übertrug er seiner geschiedenen Ehefrau einen Filialbetrieb zur Weiterführung im eigenen Namen sowie Waren im Werte von 10.000 DM und die Einrichtung im Werte von 1.450 DM. Außerdem zahlte er für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1953 einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 100 DM und die Aprilmiete für das übertragene Geschäft im Betrage von 160 DM. Während des Scheidungsprozesses hatte er 600 DM Unterhalt gezahlt. Die von ihm bezahlten Gerichts- und Verwaltungskosten betrugen 853,26 DM.
Bei der Veranlagung für das Jahr 1953 erkannte das Finanzamt eine außergewöhnliche Belastung nicht an. Der Einspruch führte zu einer Berücksichtigung von 1.200 DM als angemessene jährliche Unterhaltsleistung. Die Berufung brachte eine Erhöhung dieses Betrages auf 1.800 DM. Wie das Finanzamt, so hielt auch das Finanzgericht wegen der übrigen Beträge eine außergewöhnliche Belastung nicht für gegeben. Für die einmalige Abfindung habe, so führt das Finanzgericht aus, kein zwingender Grund bestanden. Es fehle danach an der für die außergewöhnliche Belastung erforderlichen Voraussetzung der Zwangsläufigkeit. Die Kosten der Ehescheidung könnten, weil der Bf. für schuldig erklärt worden sei, ebenfalls nicht als zwangsläufig angesehen werden.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wehrt sich der Bf. gegen die Nichtberücksichtigung seiner Aufwendungen. Nach seiner Auffassung müssen mindestens 10.000 DM berücksichtigt werden. Er trägt vor: Die Abfindung sei von der geschiedenen Ehefrau gefordert worden. Die Abfindung habe ihr den Aufbau einer Existenz sichern sollen. Hätte er sich geweigert, dann hätte er mit einer Verurteilung nach § 62 Abs. 2 des Ehegesetzes rechnen müssen. Unter diesen Umständen sei die Gewährung der Abfindung, obwohl sie für ihn eine schwere Belastung bedeutet habe, zwangsläufig gewesen. Im übrigen habe die geschiedene Ehefrau, die selbst Meisterin gewesen sei, von Anfang an mit ihrer vollen Arbeitskraft im Geschäft mitgearbeitet. Dies habe ebenso wie der Umstand, daß sie im Krankheits- oder Invaliditätsfall ohne jeden Versicherungsschutz gewesen sei, bei der Unterhaltsabfindung mitberücksichtigt werden müssen. Daß er durch den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau und durch die Gerichts- und Anwaltskosten belastet gewesen sei, sei dem Grunde nach niemals in Frage gestellt worden. Diese Belastung sei aber nicht mit einem Betrag von nur 1.800 DM abgegolten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen.
Die Anerkennung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung setzt, wovon auch die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen sind, die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen voraus. Daß Unterhaltsleistungen auch des schuldig geschiedenen Ehemannes an die frühere Ehefrau dem Grunde nach zwangsläufig sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und ist auch von den Vorinstanzen nicht verkannt worden. Die Zwangsläufigkeit ist, wie der erkennende Senat in dem Urteil VI 14/54 U vom 21. März 1958 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1958 III S. 329) entschieden hat, auch insoweit nicht in Frage gestellt, als es sich um die während des Getrenntlebens vor der Scheidung gezahlten Unterhaltsleistungen handelt.
Was für die laufenden Unterhaltsleistungen gilt, gilt jedoch, wie das Finanzgericht mit Recht ausgeführt hat, nicht ohne weiteres für die einmalige Abfindung solcher Leistungen. Die Zwangsläufigkeit einer als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendung muß diese in ihrem gesamten Umfang, d. h. sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtfertigen. Es fragt sich zudem, ob nicht wegen des Wegfalls der künftigen Zahlungsverpflichtungen in einer solchen Ablösung nur ein das Vermögen angehender Vorgang liegt, der für eine Berücksichtigung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes von vornherein ausscheidet (vgl. dazu das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 135/55 U vom 11. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 383, Slg. Bd. 63 S. 488). Doch braucht auf diese Frage hier nicht eingegangen zu werden. Wenn das Finanzgericht unter den gegebenen Verhältnissen zu dem Ergebnis gekommen ist, daß für die Abfindung der geschiedenen Ehefrau durch eine einmalige Leistung kein zwingender Grund bestanden hat, so läßt das weder einen Rechtsirrtum noch einen Fehler hinsichtlich der Tatsachenwürdigung erkennen. Ob die geschiedene Ehefrau die Abfindung verlangt hat, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn sie die Forderung gestellt hat, besagt das noch nicht, daß der Bf. dem Verlangen hätte nachkommen müssen. Wenn der Bf. sich auf § 62 Abs. 2 des Ehegesetzes beruft, so ist zwar richtig, daß die geschiedene Ehefrau nach dieser Vorschrift eine Abfindung in Kapital verlangen kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dies genügt aber nicht allein. Es muß vielmehr hinzukommen, daß der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird. Wie der Bf. selbst darlegt, ist ihm die Abfindung keinesfalls leichtgefallen, sondern nur unter schweren Opfern möglich gewesen. Dies spricht dafür, daß er in der Abfindung auch einen Vorteil für sich selbst gesehen und sich trotz aller Schwierigkeiten nicht nur notgedrungen bereit gefunden hat. Vor allem spricht dies jedoch dafür, daß die Abfindung trotz des Wortlauts des Vergleichs nicht nur zur Abgeltung von Unterhaltsansprüchen, sondern auch zur Abfindung der geschiedenen Ehefrau für ihre vom Bf. auch jetzt wieder herausgestellte Mitarbeit im Geschäft gewährt worden ist. Eine Abfindung dieser Art aber kommt, weil sie in die Vermögenssphäre fällt, von vornherein nicht als eine außergewöhnliche Belastung in Betracht. Danach führt die Feststellung des Finanzgerichts, daß nur die in dem Jahre 1953 laufend geleisteten Unterhaltszahlungen zu berücksichtigen sind, zu keiner Beanstandung. Dies gilt auch hinsichtlich der Höhe, die das Finanzgericht mit 1.800 DM angesetzt hat.
Zu Unrecht aber hat das Finanzgericht die Kosten des Scheidungsprozesses als nicht berücksichtigungsfähig angesehen. Das Finanzgericht konnte sich insoweit zwar auf die von ihm angeführte Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 616/53 U vom 22. September 1955 (BStBl 1955 III S. 347, Slg. Bd. 61 S. 382) berufen. Der in diesem Urteil ausgesprochene Grundsatz ist aber inzwischen aufgegeben worden (vgl. das oben erwähnte Urteil des erkennenden Senats VI 14/54 U vom 21. März 1958).
Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben. Dem Senat erschien es zweckmäßig, die Sache unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zurückzuverweisen, das entsprechend den vorstehenden Ausführungen im Einspruchsverfahren zu entscheiden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 409140 |
BStBl III 1958, 388 |
BFHE 1959, 294 |
BFHE 67, 294 |