Leitsatz (amtlich)
Der betrieblich genutzte Teil eines im übrigen zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes ist ein gesondert zu behandelndes körperliches Wirtschaftsgut i. S. von § 30 Abs. 2 UStG 1967 (Anwendung der Grundsätze des BFH-Beschlusses vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132).
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Fahrschullehrer. Er ließ auf eigenem Grundstück ein Gebäude errichten, das außer der eigengenutzten Wohnung die Betriebsräume seiner Fahrschule enthält. Die Nutzfläche dieser Räume beträgt 26,53 v. H. der gesamten Nutzfläche des Gebäudes, das im Jahre 1970 fertiggestellt und vom Kläger bezogen wurde. In seiner Umsatzsteuererklärung 1970 berücksichtigte der Kläger die Vorsteuerbeträge, die anteilig auf die den gewerblich genutzten Räumen zuzuordnenden Baukosten entfielen, gemäß § 15 Abs. 1 i. V. m. § 16 Abs. 2 UStG 1967.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat den Vorsteuerabzug bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 1970 entsprechend der Erklärung behandelt. Abweichend von der Steuererklärung hat das FA jedoch durch den Umsatzsteuerbescheid 1970 die Inbetriebnahme der zur unternehmerischen Nutzung bestimmten Räume als selbstverbrauchsteuerbaren Tatbestand beurteilt und den Kläger deswegen mit der Bemessungsgrundlage von 52 220 DM (26,53 v. H. der Gesamtherstellungskosten in Höhe von 196 834,16 DM) zur Selbstverbrauchsteuer herangezogen (Steuersatz 6 v. H.). Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Die Klage mit dem Antrag, die Umsatzsteuerzahlungsschuld 1970 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids 1970 in Gestalt der Einspruchsentscheidung um 3 133,20 DM herabzusetzen, hat das FG abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner - in den EFG 1974, 607, und der UStR 1974, 262, veröffentlichten - Entscheidung unter Bezugnahme auf Abschn. 14 EStR 1969 und den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) ausgeführt, daß der betrieblich genutzte Gebäudeteil als Wirtschaftsgut i. S. von § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 anzusehen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, mit der die Verletzung materiellen Rechts (§ 30 UStG 1967) gerügt wird. Zur Begründung trägt der Kläger im wesentlichen vor: Der Begriff des Wirtschaftsguts in § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 sei nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Nach diesen stelle ein Gebäude, das nur zum Teil unternehmerisch genutzt werde, auch bei unterschiedlicher einkommensteuerrechtlicher Behandlung der einzelnen Grundstücksteile (Abschn. 14 EStR) ein einheitliches Wirtschaftsgut dar. Abschn. 14 EStR behandle lediglich die Zurechnung von Grundstücksteilen zum Betriebsvermögen, nicht aber deren Beurteilung als Wirtschaftsgut. Der vom FG herangezogene Beschluß des Großen Senats des BFH GrS 5/71 stelle klar, daß die in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehenden Gebäudeteile unselbständige Einzelwirtschaftsgüter seien. Der baulichen Gestaltung nach sei das Gebäude eindeutig ein einheitliches Wirtschaftsgut, da die zu Wohnzwecken und die unternehmerisch genutzten Räume bautechnisch miteinander verschachtelt seien. Das ganze Gebäude habe er (der Kläger) aber nicht der Nutzung als Anlagevermögen zugeführt. Die Behandlung des nicht eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteils als Betriebsvermögen scheitere schon daran, daß er im Rahmen seiner Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gewillkürtes Betriebsvermögen (Abschn. 14 Abs. 3 EStR) nicht bilden könne (Abschn. 14 Abs. 6 EStR).
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und entsprechend seinem Klagebegehren zu entscheiden.
Hilfsweise trägt er vor, daß der Tatbestand des Selbstverbrauchs allenfalls 1971 erfüllt worden sei, da er den der Fahrschule dienenden Gebäudeteil erstmals im März 1971 wirtschaftlich genutzt habe.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 liegt unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen Selbstverbrauch vor, wenn selbständige körperliche Wirtschaftsgüter der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt werden.
Das FG ist unter Hinweis auf den Beschluß des Großen Senats des BFH GrS 5/71 zutreffend davon ausgegangen, daß- unabhängig von der Einheitlichkeit des Gebäudes nach bürgerlichem Recht - die der unternehmerischen Nutzung zugeführten Räume als ein von der Gebäudeeinheit unabhängiges selbständiges materielles Wirtschaftsgut gesondert zu behandeln sind. Diese Aufteilung hat auch für das InvZulG 1969 zur Abgrenzung der begünstigten, weil betrieblich genutzten, und der nichtbegünstigten, weil privat genutzten Gebäudeteile Anwendung gefunden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Mai 1977 III R 135/74, BFHE 122, 382, BStBl II 1977, 734).
Der erkennende Senat folgt aufgrund der Anknüpfung des Begriffs Wirtschaftsgut in § 30 Abs. 2 UStG 1967 an die einkommensteuerrechtliche Begriffsbildung (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1974 V R 30/74, BFHE 114, 295, BStBl II 1975, 344) für die Selbstverbrauchsteuer der Auffassung des Großen Senats des BFH. Eine derartige Aufteilung steht mit den Zwecken der Besteuerung des Selbstverbrauchs im Einklang. Entscheidend ist, daß damit eine zutreffende Erfassung von Neuinvestitionen im Bereich des Anlagevermögens eines Unternehmers gewährleistet wird.
Die Voraussetzungen für die Behandlung des unternehmerisch genutzten Gebäudeteils als Betriebsvermögen des Klägers sind nach den - mit der Revision nicht angegriffenen und den Senat somit bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) - Feststellungen des FG gegeben. Dieser Gebäudeteil ist nach Maßgabe der in Abschn. 14 Abs. 2 i. V. m. Absatz 1 und Absatz 6 EStR angegebenen Wertgrenzen nicht von untergeordneter Bedeutung. Die Übereinstimmung der Verwaltungsanweisungen in Abschn. 14 mit der BFH-Rechtsprechung hat der BFH wiederholt anerkannt (vgl. die Entscheidungen vom 22. November 1960 I 103/60 S, BFHE 72, 259, BStBl III 1961, 97, und GrS 5/71).
Das tatsächliche Vorbringen des Klägers, er habe den "Gebäudeteil Fahrschule" im März 1971 erstmalig genutzt, so daß im Veranlagungszeitraum 1970 der Tatbestand des Selbstverbrauchs nicht verwirklicht worden sei, ist neu und kann daher im Rahmen der revisionsrechtlichen Nachprüfung der Vorentscheidung nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1977, 882 |
BFHE 1978, 207 |