Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Tritt eine änderung in der Art, dem Wert oder der Zurechnung des zu bewertenden Wirtschaftsgutes am Beginn eines Fortschreibungszeitpunktes ein, so ist die Fortschreibung auf diesen Stichtag vorzunehmen.
Normenkette
BewG § 22 Abs. 2
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgange. Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, zunächst einen Bescheid nach § 294 Abs. 2 Satz 1 AO zu erlassen.
Die Bfin. hat durch notarielle Kaufverträge vom 13. März 1954 den größten Teil ihres Grundbesitzes an eine GmbH verkauft. Die meisten dieser Grundstücke hatte sie schon vorher durch Pachtvertrag vom 9. Juni 1947 an diese GmbH verpachtet. Die Kaufverträge vom 13. März 1954 wurden durch Nachtragsverträge vom 29. November 1954 geändert.
Das Finanzamt rechnete durch Zurechnungsfortschreibungen auf 1. Januar 1955 den Grundbesitz der Erwerberin als Betriebsgrundstücke zu. Die Fortschreibungsbescheide wurden am 28. April 1955 nur an die Erwerberin zur Post gegeben. Die Bfin. erhielt erst nach der Einreichung ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1955 Kenntnis von den Fortschreibungsbescheiden. Sie beantragte, die Zurechnung erst auf den 1. Januar 1956 vorzunehmen. Das wirtschaftliche Eigentum sei auf die GmbH erst am 1. Januar 1955 übergegangen. Bei Fortschreibungen seien nach § 22 Abs. 2 BewG die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres zugrunde zu legen, das auf die änderung folge. Das sei hier der 1. Januar 1956. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Die Sprungberufung blieb erfolglos. Auf die Rb. wurde die Entscheidung des Finanzgerichts durch Urteil III 116/58 vom 13. November 1959 aufgehoben und die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Zuziehung der Erwerberin zum Verfahren über das Vorbringen der Bfin. entscheiden sollte.
Im zweiten Rechtsgange blieben Einspruch und Berufung ohne Erfolg. Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, das wirtschaftliche Eigentum sei zu Beginn des 1. Januar 1955 auf die Erwerberin übergegangen. Es bestehe deshalb kein Anlaß zu einer Fortschreibung auf den Beginn des nächstfolgenden Kalenderjahres. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, das wirtschaftliche Eigentum sei bereits mit dem Ablauf des Jahres 1954 auf die Erwerberin übergegangen. Auf den übergang der Lasten und Rechte komme es dabei nicht so entscheidend an, wie die Bfin. annehme.
Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des § 22 Abs. 2 BewG und Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten. Nach den Kaufverträgen seien die Nutzungen und Lasten auf die Erwerberin erst am 1. Januar 1955 übergegangen. Damit sei sie auch erst zu diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Eigentümerin geworden. Nach dem klaren Wortlaut des § 22 Abs. 2 BewG könne die Zurechnungsfortschreibung erst auf den 1. Januar 1956 vorgenommen werden.
Die zugezogene Erwerberin hält die Zurechnung auf den 1. Januar 1955 für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das wirtschaftliche Eigentum an den Betriebsgrundstücken auf die Erwerberin bereits am Ende des Jahres 1954 oder erst zu Beginn des 1. Januar 1955 übergegangen ist. Selbst wenn der Eigentumsübergang erst zu Beginn des 1. Januar 1955 eingetreten ist, ist entgegen der Auffassung der Bfin. eine Zurechnungsfortschreibung auf diesen Stichtag vorzunehmen. Der Steuerausschuß hat in der Einspruchsentscheidung zutreffend unterschieden, ob das maßgebende Ereignis zu Beginn des 1. Januar oder erst im Laufe dieses Tages eintritt. Denn § 22 Abs. 2 BewG spricht eigentlich nur die Fälle an, in denen das maßgebende Ereignis im Laufe eines Kalenderjahres eintritt. über die Fälle, in denen dieses Ereignis zeitlich mit dem Beginn des Stichtags zusammenfällt, besagt er nichts. Der Senat hält in diesen Fällen eine Fortschreibung schon auf den Stichtag für zulässig, auf dessen Beginn die für die Fortschreibung maßgebende änderung in der Art, dem Wert oder der Zurechnung des zu bewertenden Wirtschaftsgutes eingetreten ist. Er folgt hierbei dem Urteil des Reichsfinanzhofs III 81/37 vom 16. Dezember 1937 (Steuer und Wirtschaft 1938 II Sp. 196), in dem der Reichsfinanzhof zur Neuveranlagung der Vermögensteuer nach § 12 Abs. 1 des Vermögensteuergesetzes 1925 folgendes ausgeführt hat: "Nach Vermögensteuergesetz 1925 § 12 Abs. 1 Satz 2 hat die Neuveranlagung Wirkung für die Zeit vom Beginn des Kalendermonats, der dem Neufeststellungszeitpunkt unmittelbar folgt. Es steht um nichts im Wege, als Monat, der dem Neufeststellungszeitpunkt "unmittelbar folgt, in Fällen, in denen die Neufeststellung auf den Beginn eines Kalendermonats stattfindet, schon den Kalendermonat anzusetzen, der mit dem Neufeststellungszeitpunkt beginnt." Auf Grund dieses Urteils und des Urteils des Reichsfinanzhofs III A 6/33 vom 14. Juni 1933 (Reichssteuerblatt 1933 S. 1347) hat der Senat durch Urteil III 89/58 U vom 9. Januar 1959 (BStBl 1959 III S. 152, Slg. Bd. 68 S. 394) entschieden, daß eine Vermögensänderung, die im Schnittpunkt des ablaufenden und des neu beginnenden Geschäftsjahres liegt, in der Regel für den Feststellungszeitpunkt des Einheitswertes (1. Januar) auch dann noch zu berücksichtigen ist, wenn die Vermögensänderung nicht schon am Abschlußzeitpunkt des vorangegangenen Kalenderjahres eingetreten ist, sondern erst mit dem Beginn des neuen Jahres. Entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 89/58 U hat der Senat durch Urteil III 428/59 vom 28. September 1962 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Bewertungsgesetz, § 23 Rechtsspruch 8) entschieden, daß bei Neugründung eines gewerblichen Betriebes am Beginn des Kalenderjahres der Nachfeststellungszeitpunkt der 1. Januar dieses Jahres ist. Dieser Grundsatz muß wegen der insoweit inhaltlich übereinstimmenden Vorschriften der §§ 22 Abs. 2 und 23 Abs. 2 BewG auch für Fortschreibungen gelten. Im Streitfall ist dies um so mehr erforderlich, als die Grundlagen für den übergang des wirtschaftlichen Eigentums bereits vor dem 1. Januar 1955 geschaffen worden sind und der Pachtvertrag der Erwerberin mit dem Ablauf des 31. Dezember 1954 endete.
Nach alledem ist die Zurechnungsfortschreibung auf die Erwerberin zum 1. Januar 1955 zu Recht erfolgt.
Die Kosten des ersten Rechtsganges sind von der Vorinstanz dem Staat auferlegt worden, weil dieses Verfahren mit einem Fehler behaftet war, der zur Aufhebung der ersten Entscheidung geführt hat. Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 304/60 S vom 15. März 1963 (BStBl 1963 III S. 272, Slg. Bd. 76 S. 746). Danach sind die Kosten beider Rechtsgänge nach dem Verhältnis des endgültigen Obsiegens bzw. Unterliegens zu verteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 410982 |
BStBl III 1964, 2 |
BFHE 1964, 1 |
BFHE 78, 1 |