Leitsatz (amtlich)
Häufigkeit im Sinne der Vorschrift erfordert, daß werktäglich innerhalb von 12 Stunden fahrplanmäßig mindestens 12 Fahrten in einer Richtung ausgeführt werden.
Normenkette
BefStG 1955 § 3 Abs. 2; BefStDV 1955 § 13 Abs. 5
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt die Personenbeförderung im Linienverkehr auf der Strecke A (Bahnhof) B (Forsthaus). A und B sind Nachbargemeinden. Nach dem den Akten beiliegenden Fahrplan werden werktäglich 7 Fahrten und sonntäglich 8 Fahrten von A nach B und ebenso viele Fahrten von B nach A ausgeführt.
Der Bf. hatte für die im Januar 1956 durchgeführten Beförderungen in diesem Linienverkehr keine Beförderungsteuer entrichtet, weil er die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1955 und § 13 Abs. 4 der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung (BefStDV) 1955 als gegeben ansah. Das Finanzamt verneinte das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen, nämlich daß der Verkehr zwischen beiden Orten entsprechend dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis nach Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Tarifgestaltung einem Ortslinienverkehr in einer der in Betracht kommenden Gemeinden gleichzusetzen sei. Denn werktäglich würden innerhalb von 12 Stunden weniger als 12 Fahrten fahrplanmäßig ausgeführt, außerdem fänden die Fahrten nicht in annähernd gleichen Zeitabständen statt und schließlich erscheine es zweifelhaft, ob der Beförderungspreis nach einem im Ortslinienverkehr üblichen Tarifschema (Einheitspreis, Zonentarif oder Teilstreckentarif) erhoben wird. Dies schließe nach § 13 Abs. 5 BefStDV aus, den Verkehr zwischen beiden benachbarten Gemeinden einem Ortslinienverkehr gleichzusetzen. Das Finanzamt setzte daher die Steuer für die in Betracht kommenden Beförderungen unter Zugrundelegung eines Steuersatzes von 10,714 v. H. fest.
Das Finanzgericht wies die Sprungberufung des Bf. als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe
Auch der Rechtsbeschwerde muß der Erfolg versagt bleiben.
Zum Unterschied von dem vor dem Inkrafttreten des BefStG 1955 (1. Juni 1955) geltenden Beförderungsteuerrecht -- hier: § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Zweiten Vorläufigen Durchführungsbestimmungen zum Gesetz zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 2. Juli 1936 (Beförderungsteuer beim Personenverkehr mit Kraftfahrzeugen) -- II. Vorl.BefStDB -- vom 18. Dezember 1936, -- Reichsgesetzblatt I S. 1131, Reichssteuerblatt 1937 S. 22 -- gilt der Linienverkehr zwischen Nachbarorten nicht mehr ohne weiteres als Ortslinienverkehr. Erforderlich ist vielmehr nach § 3 Abs. 2 BefStG 1955 eine derartige wirtschaftlich und verkehrsmäßig enge Verbindung der benachbarten Gemeinden, daß der Verkehr entsprechend dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis nach Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Tarifgestaltung einem Ortslinienverkehr in einer der in Betracht kommenden Gemeinden gleichzusetzen ist. Das Verkehrsfinanzgesetz 1955 vom 6. April 1955 (Bundesgesetzblatt I S. 166), das diese Neuregelung im Abschn. II Art. 1 unter Nr. 2 Buchst. b brachte, hat im gleichen Abschnitt im Art. 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 die Bundesregierung ermächtigt, in einer Rechtsverordnung die im BefStG verwendeten Begriffe näher zu bestimmen, ferner die Steuerpflicht abzugrenzen und auch den Umfang der Ausnahmen von der Besteuerung zu regeln, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung usw. erforderlich ist. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung in Beziehung auf die Gleichsetzung des Linienverkehrs zwischen Nachbarorten mit dem Ortslinienverkehr im § 13 Abs. 4 und Abs. 5 BefStDV 1955 Gebrauch gemacht. Wenn sie dabei im Abs. 5 gewisse Fälle als solche anführte, in denen die Möglichkeit einer Gleichsetzung nicht mehr gegeben ist, dann hat sie sich im Rahmen der Ermächtigung gehalten, die der Bundesregierung die nähere Bestimmung des Begriffs des steuerbefreiten Linienverkehrs zwischen Nachbarorten, insbesondere die Bestimmung des Umfangs des von der Besteuerung ausgenommenen Verkehrs dieser Art zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung überließ. Die Vorschrift des § 13 Abs. 5 BefStDV 1955 ist daher für die Steuergerichte bindend. Damit muß die Auswirkung der Vorschrift im einzelnen Fall für die Beurteilung gleichgültig bleiben. Maßnahmen zur Beseitigung von Härten im einzelnen Falle, wie sie in dem vom Bf. angeführten Runderlaß des Bundesministers der Finanzen IV A/4 -- S 6709 -- 40/56 vom 28. Mai 1956 getroffen worden sind, wären Sache der Verwaltungsbehörden und nicht der Steuergerichte. Infolgedessen können die Ausführungen des Bf. über die Kürze des auf die Gemeinde A entfallenden Teiles der Gesamtstrecke der Linie und über die Gründe, die einer Verkürzung der Gesamtstrecke um diesen Teil entgegenstehen, bei der Beurteilung des Falles nicht berücksichtigt werden. Das gleiche gilt für die Ausführungen des Bf. über die Schlechterstellung, die nach seiner Meinung der Unternehmer eines Linienverkehrs mit weniger als 12 Fahrten und entsprechend geringeren Einnahmen gegenüber dem Unternehmer eines Linienverkehrs mit mindestens 12 Fahrten und entsprechend höheren Einnahmen bei der Auslegung der Vorschrift durch das Finanzgericht erfährt, sowie über die bei Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift notwendig werdende Tariferhöhung.
Das Finanzgericht hat die Gleichsetzung des in Betracht kommenden Verkehrs mit dem Ortslinienverkehr zunächst deshalb als nicht möglich angesehen, weil werktäglich innerhalb von 12 Stunden weniger als 12 Fahrten fahrplanmäßig ausgeführt werden und die Vorschrift des § 13 Abs. 5 Nr. 1 BefStDV 1955 in diesem Fall die Gleichsetzung verbietet. Wenn das Finanzgericht dabei als Fahrten im Sinne dieser Vorschrift nur die Fahrten in einer Richtung angesehen hat, so ist dies ohne Rechtsirrtum geschehen. Der Nachbarortslinienverkehr muß nach dem Gesetz u. a. an Hänfigkeit einem Ortslinienverkehr gleichkommen, d. h. der Nachbarortslinienverkehr kann dem Ortslinienverkehr nur dann gleichgesetzt werden, wenn die Zahl der Fahrten beim Linienverkehr zwischen Nachbarorten etwa der Zahl der Fahrten bei einem Ortslinienverkehr entspricht. Dabei kann es nicht auf den Vergleich mit einem in einer der in Betracht kommenden Gemeinden bereits bestehenden Ortslinienverkehr ankommen, da es ja auch möglich ist, daß in keiner der beiden Gemeinden noch ein Ortslinienverkehr besteht, und in einem solchen Fall die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift nach ihrem Sinn und Zweck nicht für ausgeschlossen erachtet werden könnte. Es liegt auf der Hand, daß der Verordnungsgeber in diesem Zusammenhang nur an die Verhältnisse bei einem der Regel entsprechenden üblichen Ortslinienverkehr gedacht haben kann. Einen Ortslinienverkehr mit weniger als 6 Fahrten in einer Richtung innerhalb von 12 Stunden wird es nicht oder nur im Ausnahmefall geben. Es würde also, wenn der Verordnungsgeber einen Verkehr mit mindestens 6 Fahrten in einer Richtung hätte begünstigen wollen, der Begrenzung nach unten kaum bedurft haben. Dafür, daß unter Fahrten im Sinne der Vorschrift nur die Fahrten in einer Richtung verstanden werden können, spricht auch, daß bei einer nur in einer Richtung befahrenen Ringlinie die Fahrt auf der ganzen Strecke, also vom Ausgangspunkt bis wieder zurück zum Ausgangspunkt, zweifellos als nur eine Fahrt bezeichnet werden könnte. Es liegt kein innerer Grund vor, zwei Fahrten anzunehmen, wenn die Rückfahrt zum Ausgangspunkt, anders als bei einer Ringlinie, auf der gleichen Strecke wie die Hinfahrt stattfindet.
Es kann dem Bf. auch nicht beigepflichtet werden, wenn er meint, daß es in der Vorschrift hätte besonders zum Ausdruck kommen müssen, wenn unter Fahrten im Sinne der Vorschrift nur Fahrten in einer Richtung gemeint sein sollten. Das Finanzgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß in der früheren Begriffsbestimmung für den Linienverkehr im Verkehrsrecht (§ 4 des Gesetzes über Beförderung von Personen zu Lande vom 4. Dezember 1934) und im Beförderungsteuerrecht (§ 2 II. Vorl. BefStDB) ebenfalls eine bestimmte Zahl Fahrten gefordert wurde, und daß dabei allgemein und unbestritten unter einer Fahrt in diesem Sinne die Hin- und Rückfahrt verstanden wurde (vgl. z. B. Gülde, Das Neue Recht des gewerblichen Landverkehrs, 1936, Erläuterungen zum Personenbeförderungsgesetz § 4 Anm. 4 Abs. 3 S. 86, und Nickel-Kostboth, Beförderungsteuer im Personen- und Gepäckverkehr, Güter- und Werkfernverkehr mit Kraftfahrzeugen, Erläuterungen zu den II. Vorl.BefStDB § 2 Anm. 3 Abs. 4 S. 58). Auch in jenen Vorschriften war von "Fahrten" und nicht von "Fahrtenpaaren" die Rede. Wenn die BefStDV 1955, die u. a. auch an die Stelle der II. Vorl.BefStDB getreten ist, im § 13 Abs. 5 sich ebenfalls des Ausdrucks "Fahrten" zwecks Abgrenzung des Umfangs eines Verkehrs bedient, so kann kein Zweifel daran sein, daß hierunter das gleiche zu verstehen ist, wie in jenen Vorschriften. Gerade angesichts dieser ihm bekannten Ausdrucksweise in jenen Vorschriften und der ihm bekannten unstrittigen Auslegung dieser Ausdrucksweise hätte der Verordnungsgeber, wenn er abweichend von jenen Vorschriften unter Fahrten die Fahrten gleichgültig in welcher Richtung verstanden wissen wollte, dies besonders zum Ausdruck bringen müssen. Unerheblich ist es, daß der Ausdruck "Fahrten" in dem einen Falle der Begriffsbestimmung für den Linienverkehr diente, während er im Streitfalle der Begriffsbestimmung für den Linienverkehr zwischen Nachbarorten dient. Denn gleich ist beiden Fällen, daß der Ausdruck zur Bestimmung des Umfangs eines Verkehrs gebraucht wird. Im übrigen wird, wenn die Dichte eines Verkehrs -- und darum handelt es sich auch bei der hier in Frage stehenden Vorschrift -- mit der Zahl der Fahrten angegeben werden soll, allgemein die Zahl der Fahrten in nur einer Richtung angegeben. Wenn beispielsweise gesagt wird, auf einer bestimmten Strecke bestehe ein 10-Minuten-Verkehr, so wird darunter allgemein verstanden, daß alle 10 Minuten in einer Richtung eine Fahrt stattfindet, nicht aber, daß alle 10 Minuten eine Fahrt entweder aus der einen oder aus der Gegenrichtung stattfindet.
Der Umstand, daß tarifmäßig und fahrplanmäßig die Hinfahrt und die Rückfahrt je besonders behandelt werden, besagt nichts für die Auslegung der Vorschrift, da hierbei der Umfang des Verkehrs keine Rolle spielt. Auch daraus, daß das Gesetz (§ 3 Abs. 2 BefStG 1955) in Verbindung mit dem Wort "Häufigkeit" den Zusatz "entsprechend dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis" enthält, kann der Bf. nichts für seine gegenteilige Auffassung herleiten. Mit diesem Zusatz ist nicht gesagt, daß bei einem nur geringen Verkehrsbedürfnis auch eine nur geringe Zahl der Fahrten genügt. Der Nachdruck liegt auf dem Wort Häufigkeit, es muß also eine größere Zahl von Fahrten gegeben sein, die dabei allerdings nach dem Gesetz auch dem öffentlichen Verkehrsbedürfnis entsprechen muß. Ergibt sich nach dem Verkehrsbedürfnis nur eine geringe Zahl von Fahrten, dann ist eben eine Häufigkeit im Sinne der Vorschrift nicht gegeben. Schließlich muß für die Beurteilung auch unbeachtlich bleiben, daß nach der Behauptung des Bf. Finanzämter in Grenzgebieten den Begriff Fahrten gegenteilig auslegen. Sofern dies zutreffen sollte, wäre es Sache der zuständigen Verwaltungsbehörden, für die Wahrung der Gleichmäßigkeit zu sorgen, die Rechtsprechung könnte sich dadurch nicht beeinflussen lassen.
Da im Streitfall hiernach werktäglich innerhalb von 12 Stunden weniger als 12 Fahrten fahrplanmäßig ausgeführt wurden, ist es nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 BefStDV 1955 nicht möglich, den in Betracht kommenden Verkehr zwischen den beiden Nachbarorten einem Ortslinienverkehr in einem der beiden Orte gleichzusetzen. Wie sich aus dem Wort "oder" in der Vorschrift ergibt, hat das Vorliegen bereits eines der in der Vorschrift genannten drei Fälle die Unmöglichkeit der Gleichsetzung zur Folge. Es braucht daher nicht noch darauf eingegangen zu werden, ob im Streitfall die Fahrten so regelmäßig durchgeführt wurden (Nr. 2 der Vorschrift) und der Tarif so gestaltet war (Nr. 3 der Vorschrift), wie es bei einem Ortslinienverkehr üblich ist.
Fundstellen
Haufe-Index 408959 |
BStBl III 1958, 58 |
BFHE 1958, 140 |