Leitsatz (amtlich)
Eine Personengesellschaft, die ihre Betriebsanlage an eine Kapitalgesellschaft verpachtet hat, deren Gesellschafter die Gesellschafter der Personengesellschaft sind, unterhält einen gewerblichen Betrieb. Zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft gehören auch die im Alleineigentum ihrer Gesellschafter stehenden Anteile an der Kapitalgesellschaft.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 56 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Die Klägerin ist eine KG. Ihre Gesellschafter gründeten 1949 eine GmbH, an der sie in demselben Verhältnis beteiligt sind wie an der KG. Das Kapital der GmbH wurde von den Gesellschaftern durch entsprechende Warenentnahmen bei der Klägerin aufgebracht. Die Klägerin verpachtete gleichzeitig ihre Betriebsanlagen an die GmbH und übertrug der GmbH ihr Umlaufvermögen zum Buchwert. Daraufhin stellte die Klägerin den Fabrikationsbetrieb ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) rechnete bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Kläge rin zum 1. Januar 1950, zum 1. Januar 1952 und zum 1. Januar 1953 die Anteile ihrer Gesellschafter an der GmbH dem Betriebsvermögen der Klägerin mit den gemeinen Werten zu.
Der Einspruch gegen die Feststellungsbescheide war ohne Erfolg.
Die Klage hat das FG abgewiesen.
Die zum Verfahren vor dem FG beigeladene Kommanditistin der Klägerin (Revisionsklägerin), hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt.
Die Revision rügt, das FG habe zu Unrecht die Anteile der Gesellschafter und damit auch der Revisionsklägerin an der GmbH in das Betriebsvermögen der KG miteinbezogen. Die Revisionsklägerin sei als Kommanditistin bei der KG nicht geschäftsführungsbefugt. Bei Übernahme der GmbH-Anteile hätten deshalb nicht betriebliche Gründe, sondern private Vermögensinteressen im Vordergrund gestanden. Die GmbH-Anteile hätten nicht den Interessen der KG gedient, denn die KG habe ihren Geschäftsbetrieb an die GmbH verpachtet und sich auf die Vermögensverwaltung beschränkt.
Die Revision rügt weiter, das FG habe mit seiner Entscheidung gegen den Gleichheitssatz des GG verstoßen. Dies ergebe sich aus der Systemwidrigkeit der Entscheidung. Das FG habe zunächst bei der steuerlichen Beurteilung der Betriebsaufspaltung eine rein wirtschaftliche Betrachtung zugrunde gelegt und sei dann von dieser Betrachtung zuungunsten der Revisionsklägerin wieder abgewichen. Dies ergebe sich daraus, daß auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die KG als gewerblicher Betrieb angesehen worden und dann auf Grund der bürgerlich-rechtlichen Betrachtung die Anteile an der rechtlich selbständigen GmbH in das Betriebsvermögen der KG einbezogen worden seien. Dadurch trete bei der Gewerbesteuer eine Doppelbesteuerung des Vermögens der GmbH ein. Obwohl die Auswirkungen der Zurechnung der GmbH-Anteile zum Betriebsvermögen der KG auf gewerbesteuerlichem Gebiet lägen, könne die sich hieraus ergebende Verfassungswidrigkeit bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens geltend gemacht werden, weil der Einheitswert des Betriebsvermögens die Grundlage für die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer sei.
Die Revisionsklägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der KG zum 1. Januar 1950, 1. Januar 1952 und 1. Januar 1953 die Anteile an der GmbH außer Betracht zu lassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen.
1. Das FG hat die Anteile der Revisionsklägerin an der GmbH ohne Rechtsirrtum als Betriebsvermögen der KG behandelt.
a) Nach § 56 Abs. 1 Nr. 7 des Bewertungsgesetzes a. F. (§ 56 Abs. 1 Nr. 5 BewG i. d. F. vor BewG 1965) bilden die einer KG gehörenden Wirtschaftsgüter auf Grund der Rechtsform der KG einen gewerblichen Betrieb. Denn die Errichtung und das Fortbestehen einer KG erfordern, daß der Zweck der Gesellschaft auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist (§§ 161, 105 HGB). Ein Handelsgewerbe ist aber immer ein Gewerbe im Sinne des GewStG (vgl. Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 1 Anm. 23 f. insbesondere Anm. 27). Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, daß sie mit der Änderung ihres Gesellschaftszweckes von der Warenherstellung zur Vermögensverwaltung und Beherrschung der Pächtergesellschaft nicht mehr die handelsrechtlichen Voraussetzungen einer KG erfüllen würde. Diese Folge kann durch die Änderung des Gesellschaftsweckes auch nicht eingetreten sein, denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats begründet die Verpachtung eines gewerblichen Unternehmens beim Verpächter einen gewerblichen Betrieb, wenn die wesentlichen Gegenstände des Anlagevermögens mitverpachtet sind (vgl. Entscheidung des BFH vom 24. Februar 1967 III 42/63, BFHE 88, 247, BStBl III 1967, 362). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Vermietung und Verpachtung einer wesentlichen Betriebsanlage damit verbunden ist, die Pächtergesellschaft, die den Betrieb des Verpächters fortführt, zu beherrschen (vgl. auch Entscheidung des BVerfG vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BVerfGE 25, 28 [37], BStBl II 1969, 389). Die Gesellschafter der Klägerin sind die alleinigen Gesellschafter der Pächter-GmbH. Damit ist das Unternehmen der Klägerin als gewerblicher Betrieb zu qualifizieren, ohne daß es der Heranziehung der Betriebsaufspaltung bedarf.
b) Nach § 56 Abs. 1 BewG sind die der KG gehörenden Wirtschaftsgüter zur wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens der KG zu rechnen. Dabei ist zu beachten, daß das Wort "gehören" in dieser Vorschrift nicht im Sinne des bürgerlich-rechtlichen Eigentums, sondern unter der Sicht der steuerlichen Zurechnung ausgelegt werden muß (für dieselbe Wortfassung in § 2 Abs. 2 BewG, vgl. Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 2 BewG, Anm. 14 Abs. 2). Eine Personengesellschaft ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens wie eine Bruchteilsgemeinschaft zu behandeln. Dies ergibt sich aus § 56 Abs. 1 Nr. 5 BewG in Verbindung mit § 11 Nr. 5 StAnpG. Nach § 56 Abs. 1 Nr. 5 BewG sind die Gesellschafter die Unternehmer des gewerblichen Betriebs der Personengesellschaft (Mitunternehmer). Diese Regelung entspricht auch der Vermögensbesteuerung, bei der als Folge der Rechtslage nach bürgerlichem Recht nicht die Gesellschaft als solche Träger von vermögensteuerlichen Rechten und Pflichten ist, sondern die Gesellschafter mit ihrem Anteil an der Gesellschaft. Hieraus folgt, daß nicht nur die im Gesamthandseigentum der Gesellschafter stehenden Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen einer Personengesellschaft zugerechnet werden (§ 56 BewG), sondern in ergänzender Anwendung des § 54 BewG auch diejenigen Wirtschaftsgüter, die der Gesellschaft dienen, aber im Alleineigentum eines Gesellschafters stehen (BFH-Urteil vom 10. April 1964 III 225/60 U, BFHE 79, 334, BStBl III 1964, 354). Anteile an einer GmbH, an die eine Personengesellschaft ihren gesamten Betrieb verpachtet hat, dienen aber der Personengesellschaft, weil sie das Mittel sind, auf die Pächtergesellschaft, von deren wirtschaftlichen Erfolgen die Erträge der Personengesellschaft abhängen, Einfluß zu nehmen und damit die Interessen der Personengesellschaft zu fördern. Soweit sich, wie hier, die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen aus der Sachlage ergibt, kommt es auf den Willen des Inhabers des Wirtschaftsguts entgegen der Auffassung der Revisionsklägerin nicht an (BFH-Urteil vom 13. Januar 1961 III 1/58 U, BFHE 73, 179 [182], BStBl III 1961, 333). Die Revisionsklägerin kann folglich mit dem Einwand nicht gehört werden, die GmbH-Anteile seien im Interesse einer privaten Kapitalanlage übernommen worden. Denn es ist ein erheblicher Unterschied, ob ein Kommanditist Anteile an irgendeiner GmbH erwirbt oder die Anteile an der GmbH, an die die KG ihren Gewerbebetrieb verpachtet.
Die Revisionsklägerin kann auch nicht mit dem Vorbringen durchdringen, sie habe bei der KG keinerlei Geschäftsführungsbefugnisse, so daß ihr Anteil deshalb der KG nicht dienen könne. Denn auch ein Kommanditist ist, wie oben ausgeführt, steuerrechtlich Mitunternehmer des Betriebs der KG, auch wenn er seinen Kommanditanteil nur als Vermögensanlage betrachtet. Den geschäftsführenden Gesellschaftern sind durch den Anteilsbesitz an der GmbH, gleichgültig welche Gesellschafter der KG ihn halten, Einfluß- und Kontrollmöglichkeiten zur Durchsetzung des geschäftlichen Betätigungswillens der in der KG zusammengefaßten Mitunternehmer eingeräumt (vgl. BFH-Entscheidung vom 27. Mai 1970 III 244/65, BFHE 99, 544, BStBl II 1970, 734).
c) Der Senat verkennt nicht, daß Personengesellschaften für die Erhebung der Gewerbesteuer (partiell) als steuerrechtsfähig behandelt werden (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG). Der Einheitswert des Betriebsvermögens ist hier die Grundlage für die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer (§ 12 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 GewStG). Die aus der Vermögensbesteuerung hergeleiteten Erwägungen für die Zurechnung von Wirtschaftsgütern an die Gesellschaft, die im Alleineigentum eines Gesellschafters stehen, treffen insoweit nicht zu. Die gewerbesteuerliche Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften des Handelsrechts steht jedoch der sich aus § 56 Abs. 1 in Verbindung mit § 54 BewG ergebenden Rechtslage nicht entgegen. Dies ergibt sich daraus, daß das Gewerbekapital einer Personengesellschaft nicht nur Wirtschaftsgüter im Alleineigentum eines Gesellschafters mitumfassen kann, sondern auch Wirtschaftsgüter, die dritten Personen gehören, wenn sie der Gesellschaft dienen (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG).
2. Der Senat stimmt der in der mündlichen Verhandlung nochmals besonders hervorgehobenen Rechtsauffassung der Revisionsklägerin zu, daß die Verfassungsmäßigkeit der Zurechnung der GmbH-Anteile auch im Verfahren über die Feststellung des Einheitswerts der Klägerin zu prüfen ist. Er kann jedoch der Revisionsklägerin nicht darin folgen, daß die vorstehend dargelegte Rechtsauffassung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Es trifft zwar zu, daß der Gleichheitssatz verbietet, gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich zu behandeln. Die Entscheidung des FG verletzt diesen Verfassungsrechtssatz jedoch nicht.
Zunächst ist festzustellen, daß die Annahme, die KG unterhalte einen gewerblichen Betrieb, nicht aus der Betriebsaufspaltung gefolgert werden muß, sondern sich allein schon aus bewertungsrechtlichen Erwägungen ergibt. Insoweit ist der Revisionsangriff, es werde zuungunsten des Steuerzahlers willkürlich zwischen wirtschaftlicher Betrachtungsweise und bürgerlich-rechtlicher Betrachtung gewechselt, unbegründet.
Der Senat ist überdies der Meinung, daß eine Verletzung des Gleichheitssatzes auch dann nicht gegeben wäre, wenn man die gewerbliche Tätigkeit der KG allein auf die Betriebsaufspaltungstheorie stützen müßte. Wie das BVerfG in der Entscheidung 1 BvR 136/62 ausführte, ist es ein erheblicher Unterschied, ob eine Betriebsanlage an ein fremdes Unternehmen verpachtet wird oder an ein Unternehmen, das der Verpächter beherrscht, und das deshalb wirtschaftlich mit dem Verpächter identisch ist. Das Beherrschungsverhältnis für die Annahme der Einheit von Besitz-Personengesellschaft und Betriebs-Kapitalgesellschaft hängt, wie das Erfordernis der personellen und sachlichen Verflechtung zeigt, nicht nur von rechtlichen, sondern maßgeblich auch von wirtschaftlichen Gegebenheiten ab. Deshalb kann über die gewerbliche Tätigkeit der Besitz-Personengesellschaft auf Grund der betriebswirtschaftlichen Einheit mit der Betriebs-Kapitalgesellschaft sinnvoll nur unter Heranziehung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise befunden werden. Die Gewerbesteuerpflicht der Besitz-Personengesellschaft ergibt sich dementsprechend bei der Betriebsaufspaltung daraus, daß diese Gesellschaft Teil eines betriebswirtschaftlich einheitlichen Gewerbebetriebs ist. Für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer muß dieser Gesichtspunkt ausscheiden. Dies folgt zwangsläufig daraus, daß die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer an die Gesellschaftsformen des bürgerlichen Rechts anknüpft (vgl. § 2 Abs. 2 und 3 GewStG) und damit insoweit einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht zugänglich ist.
Wie oben ausgeführt, gehören die im Eigentum der Gesellschafter der Personengesellschaft stehenden Anteile an der GmbH bewertungsrechtlich zum Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft. Sie können entgegen der Auffassung der Revision nicht aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus diesem Betriebsvermögen ausgeschieden werden. Denn die Anknüpfung an die bürgerlich-rechtlichen Formen der Gesellschaft verbietet es grundsätzlich, aus der Besteuerung der Betriebs-GmbH Folgerungen für den Umfang des Betriebsvermögens der Besitz-Personengesellschaft zu ziehen. Dies käme nämlich einem Durchgriff durch die GmbH auf ihre Gesellschafter gleich. Der Durchgriff durch eine juristische Person auf ihre Gesellschafter widerspricht jedoch der bürgerlichen Rechtsordnung (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58, BStBl I 1962, 500). Die Beurteilung der Gewerbesteuerpflicht der Besitz-Personengesellschaft nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und die Abgrenzung der aus der Betriebsaufspaltung hervorgegangenen beiden Gesellschaften nach bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten ist damit nicht willkürlich, sondern durch die Regelung des Gewerbesteuergesetzes geboten. Daß für das Bewertungsrecht keine andere als die vorstehende Entscheidung getroffen werden konnte, beweist auch die spätere Änderung des § 12 Abs. 3 GewStG, durch die die Doppelbesteuerung des Vermögens juristischer Personen durch die Gewerbekapitalsteuer unter den dort bestimmten Voraussetzungen vermieden wird. Diese Regelung setzt voraus, daß die dieser Entscheidung zugrunde liegende bewertungsrechtliche Betrachtung zutreffend ist.
Fundstellen
Haufe-Index 70393 |
BStBl II 1973, 438 |
BFHE 1973, 551 |