Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensteuer. Kein Schuldabzug bei fehlendem wirtschaftlichen Zusammenhang von Nießbrauchsvorbehalt mit inländischem Grundstück bei beschränkt Steuerpflichtigen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Vermögensgegenstand und Schuld oder Last ist insbesondere zu bejahen, wenn eine Verbindlichkeit zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung eines Wirtschaftsguts eingegangen wurde. Anders ist es, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger aus rein familiären Gründen – etwa um seine Unterhaltspflicht zu erfüllen- bzw. aufgrund sonstiger persönlicher Erwägungen Wirtschaftsgüter des Inlandsvermögens belastet. Es besteht kein wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. von § 121 Abs. 3 Satz 2 BewG zwischen einem inländischen Grundstück und einer darauf ruhenden Nießbrauchslast, wenn aus den Umständen zu schließen ist, daß letztere im Zusammenhang mit Unterhaltsansprüchen begründet wurde.
2. Hat die Mutter im Rahmen vorweggenommener Erbfolge auf ihren beschränkt vermögensteuerpflichtigen Sohn ein Grundstück unter Zurückbehaltung des Nießbrauchs übertragen, kann die Nutzungsverpflichtung mangels wirtschaftlicher Belastung (fehlende Vollstreckbarkeit) nicht als Schuld vom Inlandsvermögen abgezogen werden. Dem Sohn ist lediglich eine Duldungspflicht auferlegt, ohne daß es zu einer persönlichen Schuldübernahme gekommen ist.
Normenkette
BewG 1974 § 121 Abs. 3 S. 2, § 118 Abs. 1
Tatbestand
Der beschränkt vermögensteuerpflichtige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Geschwister erhielten im Jahre 1973 von ihrer Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den künftigen Erbteil drei im Inland gelegene Grundstücke zu gleichen ideellen Anteilen. Die Mutter behielt sich an den Grundstücken das lebenslängliche Nießbrauchsrecht vor. Die Kinder verpflichteten sich, die Grundstücke ohne Zustimmung der Übergebenden weder zu verkaufen noch zu beleihen oder zu verpfänden. Für den Fall der Zuwiderhandlung behielt sich die Mutter – abgesichert durch Auflassungsvormerkungen zu ihren Gunsten – den Widerruf der Schenkung vor. Die persönliche Haftung für die bestehenden Grundpfandrechte verblieb bei der Mutter.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA–) zog den Kläger zum 1. Januar 1977 mit seinem Inlandsvermögen zur Vermögensteuer heran. Dabei berücksichtigte er die auf den Kläger entfallenden Einheitswertanteile an den übertragenen Grundstücken mit … DM. Den Ansatz der anteiligen Nießbrauchslast von … DM lehnte das FA ab, weil diese nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen stehe (vgl. § 121 Abs. 3 Satz 2 des Bewertungsgesetzes – BewG –).
Der Einspruch war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die Nießbrauchsbestellung aufgrund vorweggenommener Erbfolge stehe der Annahme eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Inlandsvermögen nicht entgegen. Entscheidend sei, daß der Kläger die Grundstücksanteile ohne die Last nicht habe erwerben können und daß er Miteigentum nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, sondern durch Einzelrechtsnachfolge erlangt habe (Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH– vom 10. Juni 1941 III 70/41, RStBl 1941, 731; Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 28. September 1962 III 242/60 U, BFHE 75, 738, BStBl III 1962, 535).
Das FA rügt mit der vom Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision Verstoß der Vorentscheidung gegen § 121 Abs. 3 Satz 2 BewG. Es vertritt die Auffassung,
Übertragung der Grundstücksanteile und Einräumung der Nießbrauchsrechte beruhten auf den privaten Beziehungen zwischen den Beteiligten. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Besitz- und Schuldposten bestehe nicht, weil die Belastung der Grundstücke mit dem Nießbrauch nicht unmittelbar zum Zwecke ihres Erwerbs erfolgt sei. Die Mutter habe das Grundvermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übereignet und sich den Nießbrauch vorbehalten, um ihre Versorgung sicherzustellen. Nach der Rechtsprechung des BFH komme deshalb ein Schuldenabzug nicht in Betracht (Urteil vom 13. November 1964 III 336/61, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK –, Bewertungsgesetz 1934, § 77, Rechtsspruch 9; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR–, 1965, 449).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) beschränkt steuerpflichtige Kläger war zum streitigen Hauptveranlagungszeitpunkt mit seinem Inlandsvermögen (§ 121 BewG) zur Vermögensteuer heranzuziehen (vgl. § 2 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 Nr. 2 VStG). Zum Inlandsvermögen gehört auch das inländische Grundvermögen des Klägers (vgl. § 121 Abs. 2 Nr. 2 BewG).
a) Bei der Ermittlung des Werts des Inlandsvermögens sind vom (Roh-)Inlandsvermögen nur die Schulden und Lasten abzuziehen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen stehen (§ 121 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 118 Abs. 1 BewG) und dieses wirtschaftlich belasten (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1967 III 319/63, BFHE 89, 244, BStBl III 1967, 596). § 121 Abs. 3 Satz 2–2. Halbsatz– BewG soll verhindern, daß Schulden, die nicht wirtschaftlich mit Vermögensgegenständen verknüpft sind, die bei den Besitzposten zu erfassen sind, die vermögensteuerliche Bemessungsgrundlage (§ 4 Abs. 1 VStG) beschränkt Steuerpflichtiger mindern. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats – wie schon des RFH (vgl. Urteil vom 14. November 1935 III A 134/34, RStBl 1935, 1465) – setzt der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen einem Vermögensgegenstand und einer Schuld oder Last voraus, daß deren Entstehung ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die diesen Vermögensgegenstand betreffen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1972 III R 44/70, BFHE 107, 147, BStBl II 1973, 3). Danach ist der wirtschaftliche Zusammenhang insbesondere zu bejahen, wenn eine Verbindlichkeit zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung eines Wirtschaftsguts eingegangen worden ist (vgl. BFHE 75, 738, BStBl III 1962, 535). Anders ist es jedoch, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger aus rein familiären Gründen – etwa um seine Unterhaltspflicht zu erfüllen- bzw. aufgrund sonstiger persönlicher Erwägungen Wirtschaftsgüter des Inlandsvermögens belastet (vgl. BFH-Urteile in StRK, Bewertungsgesetz 1934, § 77, Rechtsspruch 9; HFR 1965, 449; in BFHE 75, 738, BStBl III 1962, 535, und vom 14. November 1951 IV 215/50 U, BFHE 55, 581, BStBl III 1951, 235; sowie das RFH-Urteil vom 8. Januar 1929 I A 205/28, RStBl 1929, 167).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze sind im Streitfall die Voraussetzungen für den Schuldenabzug nach § 121 Abs. 3 Satz 2 BewG nicht erfüllt. Es fehlt an dem erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Grundvermögen des Klägers und den darauf lastenden Nießbrauchsverpflichtungen.
a) Der Vorentscheidung ist zu entnehmen, daß der Kläger Miteigentum an den zu übertragenden Grundstücken nur in Verbindung mit den Nutzungslasten erwerben konnte. Entgegen der Auffassung des FG und des Klägers wurde durch diese Verknüpfung im Streitfall nur ein rechtlicher, nicht aber ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Besitz- und Schuldposten hergestellt. Letztere beruhen nach Entstehung und Zweckbestimmung nicht auf Vorgängen, die das Inlandsvermögen des Klägers betreffen. Insbesondere haben die Kinder ihrer Mutter die Nießbrauchsrechte nicht „zum Erwerb” des Grundvermögens eingeräumt. Denn bei der gebotenen engen Auslegung (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 1965 III 342/60 U, BFHE 86, 191, BStBl III 1966, 483) kann für die Beurteilung der Frage, ob im Streitfall ein wirtschaftlicher Zusammenhang anzuerkennen ist, nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Vermögensumschichtung auf den privaten Beziehungen zwischen den Beteiligten beruht. Diese haben eine dem familiären Bereich zuzuordnende Vereinbarung über die vorweggenommene Erbfolge getroffen, bei der es den Familienmitgliedern nicht um einen gleichwertigen Leistungsaustausch ging. Vielmehr lag der Mutter daran, unabhängig von solchen Wertvergleichen ihre Grundstücke auf die Kinder zu übertragen. Diese Umstände lassen den Schluß zu, daß die Mutter den Nießbrauch an den Grundstücken zurückbehalten hat, um ihren künftigen Lebensunterhalt sicherzustellen, wozu nach §§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegebenenfalls auch der Kläger herangezogen werden könnte. Wo aber – insbesondere im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgevereinbarung – ein Zusammenhang mit Unterhaltsansprüchen besteht oder – wie im Streitfall – nach den Umständen des Falles nicht auszuschließen ist, kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einer Nießbrauchsverpflichtung und dem damit belasteten Grundstück nicht bejaht werden.
b) Im übrigen kann dem Begehren des Klägers auch deswegen nicht entsprochen werden, weil die Nutzungsverpflichtungen sein inländisches Grundvermögen nicht wirtschaftlich belasten. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine solche Belastung anzunehmen, wenn wegen der Schuld in das Inlandsvermögen vollstreckt werden kann (vgl. Urteile in BFHE 89, 244, BStBl III 1967, 596, und vom 12. Dezember 1975 III R 32/74, BFHE 117, 497, BStBl II 1976, 209). Vollstreckung in diesem Sinne ist die mit den Machtmitteln des Staates erzwungene Befriedigung eines Anspruchs (vgl. Baumbach u.a., Zivilprozeßordnung, Grundzüge, § 704 Anm. 1 A). In der Person des Nießbrauchers existiert das dingliche Recht, die Nutzungen der Sache zu ziehen, also die tatsächlichen und rechtlichen Handlungen vorzunehmen, die dazu erforderlich sind. Der Nutzungsberechtigte hat keinen obligatorischen Anspruch gegen den Eigentümer auf Ausübung des Nießbrauchs. Letzterem ist eine Duldungs-, nicht aber eine Leistungspflicht auferlegt (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH– vom 20. Februar 1974 VIII ZR 20/73, BGHZ 62, 133, 138; Ronke in Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Anm. 1 zu § 1030).
Nach der Rechtsprechung hängt die Zulässigkeit des Schuldenabzugs im Rahmen des § 121 Abs. 3 Satz 2 BewG aber entscheidend davon ab, daß es auch zu einer persönlichen Schuldübernahme durch den beschränkt Steuerpflichtigen kommt (vgl. RFH-Urteile vom 14. Juli 1938 III 71/38, RStBl 1938, 826, und in RStBl 1941, 731; sowie BFH-Urteil in BFHE 75, 738, BStBl III 1962, 535). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Mutter des Klägers kann ihre Rechte nur aus dem Grundstück befriedigen, nicht aber gegen den Kläger geltend machen. Somit ist in der Person des Klägers keine wirtschaftliche Belastung entstanden.
3. Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war diese nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen